Fachliche Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Jugend­hilfe und Jugendstraf­voll­zug

Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses am 11.03.2010
 

1.       Leitgedanke 

Die Freiheitsentziehung stellt für einen jungen Menschen ein besonderes und einschneidendes Ereignis dar. Die professionell handelnden Personen der Jugendhilfe und Justiz sind in diesem Kontext gefordert, zeitnahe und zielführende Kooperationsabsprachen zu treffen, um eine nahtlose Begleitung und kontinuierliche Unterstützung gewährleisten zu können.
Die Verantwortung für das Wohl der Jugendlichen und Heranwachsenden wird gemeinschaftlich wahrgenommen, mit klarem Aufgaben-, Rollen- und Kompetenzverständnis. 

Vorrangiges Ziel der gemeinsamen Bemühungen muss die soziale Reintegration des jungen Menschen in die Gesellschaft bleiben. Dem Erziehungsgedanken wird in besonderer Weise Rechnung getragen (vgl. Art. 121 BayStVollzG). § 1 Abs. 1 SGB VIII [Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe] gilt entsprechend.
Der junge Mensch ist grundsätzlich an allen Entscheidungen der Träger der Jugendhilfe zu beteiligen (vgl. § 8 SGB VIII).

Die Vorbereitung der Wiedereingliederung beginnt mit dem Tag der Aufnahme in den Vollzug. Themen wie Schulabschluss und Berufsausbildung haben höchste Priorität, genau so wie eine Gleichstellung von Frauen im Justizvollzug bzw. die Achtung der besonderen Bedarfe.

Die Handlungsempfehlungen beschreiben standardisierte Verfahrensabläufe, die ein gelingendes Miteinander der Kooperationspartner ermöglichen sollen. Dazu dienen u.a. die Darstellung der gesetzlichen Arbeitsgrundlagen, sowie deren Ausführungsbestimmungen und die Interpretation fachlich-qualitativer Standards.

Überall dort, wo die Aufgaben der Jugendhilfe von Trägern der freien Straffälligenhilfe übernommen werden, gelten die Empfehlungen entsprechend.

Die vorliegenden fachlichen Handlungsempfehlungen basieren auf dem Gesetzesstand vom 31.01.2010. Sie orientieren sich an der Chronologie des Jugendstrafverfahrens.

2.       Untersuchungshaft

Der Freiheitsentzug ist für einen jungen Menschen ein gravierender Eingriff, bei dem der Staat in seiner Verantwortung in besonderer Weise gefragt ist. Deshalb müssen vom Beginn der Inhaftierung an die Fachkräfte der Jugendhilfe und der Justiz im Kontext der Freiheitsentziehung auf dem Hintergrund des Erziehungsgedankens und zum Wohl des jungen Menschen zusammenarbeiten.

Interferenzen bezüglich Anamnese, Informationsbewertung, fachlicher Einschätzung oder Schwerpunktsetzung des jeweiligen Arbeitsgebietes werden transparent gemacht und diskursiv bewältigt.

 

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2.1.      Vermeidung von Untersuchungshaft

Die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe im Strafverfahren haben mit Bekanntwerden der Verhaftung und vorläufigen Festnahme eines jungen Menschen und einem einhergehenden Haftbefehl (s. §§ 112 ff. und 128 StPO) grundsätzlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Vermeidung der Untersuchungshaft oder eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls vorliegen (vgl. §§ 72, 72a i.V.m. § 71 JGG). Andernfalls ist abhängig von Fallkonstellation und persönlicher Verfassung des jungen Menschen an den Voraussetzungen der Entlassung aus der Haft zu arbeiten.
Ein Austausch mit dem Haftrichter und der zuständigen Staatsanwaltschaft hat umgehend zu erfolgen. Für den Aufbau einer entsprechenden Informationsstruktur und -kultur vor Ort ist zu sorgen.

Auf § 72a JGG [Heranziehung der Jugendgerichtshilfe in Haftsachen] ist besonders hinzuweisen. Der zum 01.01.2010 neu eingeführte § 72b JGG gibt den Fachkräften der Jugendhilfe im Strafverfahren die Möglichkeit der engen Begleitung des jungen Menschen während der Dauer der Untersuchungshaft.

2.2.      Sozialdienst und Jugendhilfe im Justizvollzug 

Gesetzliche Legitimation erfährt die Arbeit des Sozialdienstes im Vollzug durch § 49 Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO): dem Gefangenen wird bei der Aufnahme (Nr. 16 Abs. 5 UVollzO), während des Vollzugs der Untersuchungshaft wie auch bei der Entlassung (Nr. 17 Abs. 3 UVollzO) die soziale Hilfe der Anstalt angeboten, soweit er ihrer bedarf. Sie soll die nachteiligen Auswirkungen der Verhaftung mildern und den Wiedereintritt in geordnete Lebensverhältnisse erleichtern sowie darauf gerichtet sein, den Gefangenen in die Lage zu versetzen, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln. In Frage kommen namentlich Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Familienbande und wertvoller sozialer Beziehungen, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung des Gefangenen und zur Sicherung seines Eigentums sowie zur Betreuung unterhaltsberechtigter Angehöriger oder sonst von ihm Abhängiger durch die für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Bei der Entlassung ist dem Gefangenen insbesondere zu helfen, Arbeit und Unterkunft zu finden. Die soziale Hilfe darf den Zweck des Verfahrens weder gefährden noch hemmen. Bei den Hilfsmaßnahmen ist, soweit erforderlich, mit dem Richter oder dem Staatsanwalt Fühlung zu nehmen. 

Die Untersuchungshaft ist für junge Gefangene erzieherisch zu gestalten (Nr. 1 Abs. 4 sowie Nr. 13 UVollzO). Auf den besonderen Bedarf von Frauen ist Rücksicht zu nehmen (Nr. 12 UVollzO).

2.3.       Vorbereitung der Hauptverhandlung

Das Jugendamt wird zu Beginn der Untersuchungshaft von der Justizvollzugsanstalt informiert. Diese Information wird automatisch schriftlich erstellt.

Darüber hinaus soll der Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt telefonisch oder in Textform mit dem Jugendamt Kontakt aufnehmen. Ein Datenabgleich betreffend Zuständigkeit ist vorzunehmen.
Im Folgenden tauschen Jugendamt und Sozialdienst im Vollzug Vorinformationen aus, sowohl in rechtlicher (Tatvorwurf, Vorahndungen / -strafen), als auch personenbezogener Hinsicht (biographische Daten, Jugendhilfeleistungen, Gutachten). Die Übermittlungsvorschriften bezüglich des Austausches von Daten sind dabei zu beachten (s.u.).

Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung finden Gespräche zwischen der zuständigen Fachkraft der Jugendhilfe im Strafverfahren und dem Sozialdienst statt. Idealtypisch sind ein Gespräch zu Beginn der Inhaftierung, ein oder mehrere Zwischenberichte abhängig von der Dauer der Untersuchungshaft, sowie ein Abschlussbericht bei konkretem Termin der Hauptverhandlung. Der Termin der Hauptverhandlung wird kommuniziert.

Ziel dieser Berichte ist die Entwicklung einer zielführenden Hilfestrategie zum Wohle des jungen Menschen, sowie der Abgleich der Berichterstattung für die Staatsanwaltschaft und das Gericht. [1] Dem Jugendlichen oder Heranwachsenden ist der Inhalt der Berichte mitzuteilen.

2.4.      Nachbereitung der Entscheidung des Gerichts

Der Sozialdienst und die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendhilfe im Strafverfahren bereiten die Entscheidung des Gerichtes nach:  Der Sozialdienst informiert bei Fortsetzung der Haft im Strafvollzug über den Zeitpunkt und Ort der Verlegung.  Bei Entlassung aus der Untersuchungshaft wird ggf. die Planung weiterer Hilfen besprochen (z.B. nach § 57 JGG oder § 35 BtmG) Betreuung im Vollzug.   

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3.       Betreuung im Vollzug 

Unmittelbar nach der Aufnahme des jungen Menschen (vgl. Art. 126 Abs. 1 und 128 BayStVollzG) übermittelt die JVA dem für die Mitwirkung im Strafverfahren zuständigen Jugendamt eine Aufnahmemitteilung, mit der Bitte um Benennung der zuständigen Fachkraft und der Bitte um Übermittlung des aktuellsten Jugendgerichtshilfeberichtes bzw. sonstiger für erforderlich gehaltener Unterlagen (z.B. Schulzeugnisse, ärztliche und / oder psychologische Befunde).

Die Jugendhilfe im Strafverfahren übermittelt der Justizvollzugsanstalt den zuletzt erstellten Jugendgerichtshilfebericht sowie angeforderte Unterlagen (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 9 JGG i.V.m. § 52 SGB VIII) [2] und benennt die Kontaktdaten des zuständigen Mitarbeiters. Das Jugendamt oder die zuständige Stelle des Freien Trägers der Jugendhilfe macht dem jungen Menschen ein schriftliches Kontakt- und Begleitangebot.
Hierüber werden bei Minderjährigen die Eltern oder sonstige Personensorgeberechtigten informiert (vgl. Art. 126 Abs. 2, Art. 128 Satz 3, Art. 130 Abs. 2, Art. 131 Abs. 4, Art. 136. Abs. 1 Satz 3 BayStVollzG und analoge Anwendung des § 67 JGG).

Nach Eingang der o.g. Unterlagen nimmt die für den jungen Menschen bzw. Gefangenen zuständige Fachkraft des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt Kontakt mit der zuständigen Fachkraft der Jugendhilfe im Strafverfahren auf.

Für Behandlungsuntersuchung und Diagnostik, sowie für die Planung der Behandlung und Erziehung im Vollzug sind die Erkenntnisse der Jugendämter oder Freien Träger der Jugendhilfe ganz wesentlich, da dies in der Regel die einzigen validen Informationen sind, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten über die Zeit vor der Inhaftierung bekommen können. Da gerade das Verhalten, das zur Straffälligkeit führte, im Vollzug behandelt werden soll, bilden diese Informationen eine wichtige Grundlage für die Vollzugsplanung (vgl. Art 123, 129 Abs. 2, Art. 181, Art 182 BayStVollzG).

Der Vollzugsplan (vgl. Art. 130 BayStVollzG) wird aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Bedarfe erstellt, regelmäßig überprüft und laufend fortgeschrieben (viertel- oder halbjährlich).
Erkenntnisse, die sich aus dem Bericht der Jugendhilfe im Strafverfahren ergeben, fließen in die Vollzugsplanung ebenso mit ein, wie Anregungen, Absprachen und Vereinbarungen, die während des laufenden Vollzugs mit den Jugendämtern oder Freien Trägern getroffen werden.

Junge Gefangene können aus bestimmten Gründen - abweichend vom Vollstreckungsplan - in eine andere Jugendstrafvollzugsanstalt verlegt werden (vgl. Art. 131 Abs. 4 Satz 1 BayStVollzG). Der Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt teilt die Verlegung eines jungen Gefangenen unmittelbar der zuständigen Fachkraft des öffentlichen oder freien Trägers der Jugendhilfe mit.

4.       Entlassung

Das Konzept des bayerischen Justizvollzugs für eine erfolgreiche Resozialisierung der Gefangenen geht von dem Grundsatz aus, dass die Vorbereitung der Entlassung, und somit auch der Behandlungsauftrag (vgl. Art 2 BayStVollzG), bereits am ersten Tag der Inhaftierung beginnt. Damit sind alle geeigneten Maßnahmen gemeint, die den Gefangenen befähigen sollen, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Der Jugendstrafvollzug hat darüber hinaus einen Erziehungsauftrag: "Die Gefangenen im Vollzug der Jugendstrafe (junge Gefangene) sollen dazu erzogen werden, künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel in sozialer Verantwortung zu führen" (Art. 121 BayStVollzG).

Die Behandlungsuntersuchung (Art. 8 und Art. 129 BayStVollzG), die Erstellung und Fortentwicklung des Vollzugsplans (Art. 9 und Art 130 BayStVollzG) sowie das Übergangsmanagement in der der Entlassung vorausgehenden Phase (Art. 175 und Art. 126 BayStVollzG) sind integrale Bestandteile eines Gesamtprozesses, in dessen Mittelpunkt die Durchführung von vollzuglichen Behandlungsmaßnahmen stehen.

4.1.      Entlassungsvorbereitung

Junge Gefangene bedürfen einer besonders intensiven Entlassungsvorbereitung. Deshalb regelt Art. 136 Abs. 1 BayStVollzG, dass die Jugendstrafvollzugsanstalten rechtzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungstermin mit sog. vertrauenswürdigen Dritten und Institutionen außerhalb des Vollzuges zusammenarbeiten, "um [u.a.] zu erreichen, dass die jungen Gefangenen bei der Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen".
Die Bewährungshilfe und die Fachkräfte der Jugendhilfe im Strafverfahren werden vom Sozialdienst der Vollzugsanstalten rechtzeitig informiert. Wenn erforderlich, ist mit Einrichtungen der Strafentlassenenhilfe Kontakt aufzunehmen (vgl. Art 175 Abs. 4 BayStVollzG). Bei Minderjährigen werden die Personensorgeberechtigten unterrichtet, wenn dies der Erfüllung des Erziehungsauftrages nicht widerspricht (vgl. Art. 136 BayStVollzG).

Die Aufgabe der Jugendämter zur Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) umfasst auch die Mitwirkung bei der Vorbereitung der Entlassung aus dem Strafvollzug: "Während des Vollzuges bleiben sie [die Vertreter der Jugendhilfe im Strafverfahren] mit dem Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an" (§ 38 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 52 SGB VIII) [3] .

Die Fachkräfte der Jugendhilfe im Strafverfahren bieten den handelnden Personen der Justizvollzugsanstalt die Mitwirkung an der Entlassungsvorbereitung an - soweit nach deren Erkenntnisstand Bedarf besteht und der junge Mensch diese begleitende Unterstützung in Anspruch nehmen möchte. Der Kontakt sowie das Ergebnis der Absprache werden dokumentiert.

Die Jugendhilfe bietet bei Bedarf eine Kontaktvermittlung zu Leistungsträgern adäquater stationärer bzw. ambulanter Hilfen an, ggf. auch zu örtlichen Anbietern von Hilfen (z.B. Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten etc.). Bei unklarer örtlicher und sachlicher Zuständigkeit der Leistungsträgerschaft unterstützt die Jugendhilfe im Strafverfahren den Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt bei der Ermittlung des zuständigen Leistungsträgers für erforderliche Behandlungsmaßnahmen nach der Haft. [4] In diesem Zusammenhang benennt die Jugendhilfe bedarfsgemäß geeignete Wohn- und Behandlungseinrichtungen für die Zeit nach der Haft oder vermittelt an die darüber kundigen oder zuständigen örtlichen Stellen.

Zur Optimierung der Entlassungsvorbereitung und zur besseren Verzahnung von Angeboten vor und nach der Entlassung bietet die Justizvollzugsanstalt im Einzelfall bei Bedarf zur Abstimmung und gemeinsamen Planung sog. runde Tische an, bei denen die Fachkräfte der Jugendhilfe im Strafverfahren und sonstige mit der Entlassung befassten Stellen mit Verantwortlichen der Anstalt zusammenkommen.

Zur Entlassungsvorbereitung und auch zur Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplanes führt die Anstaltsleitung Konferenzen mit den an der Behandlung maßgeblich Beteiligten (insbesondere Fachdienste und allgemeiner Vollzugsdienst) durch (Art. 138 BayStVollzG).

Der Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt informiert in Fällen, in denen eine besonders enge Zusammenarbeit notwendig erscheint, die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendhilfe über Konferenzergebnisse, die die Entlassungsvorbereitung betreffen. Diesbezüglich sendet der Sozialdienst den aktuellen Vollzugsplan (sowie ggf. dessen Fortschreibung) an die Jugendhilfe. Fragen der vorzeitigen Entlassung sowie das Installieren geeigneter Hilfen für die Zeit nach der Haft werden frühzeitig mit den Beteiligten und den zuständigen Behörden erörtert.

Alle Beteiligten haben zum Wohle des jungen Menschen zu prüfen, ob der freiwillige Verbleib in der Justizvollzugsanstalt zum Abschluss einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme sinnvoll erscheint (vgl. Art. 136 und 137 BayStVollzG).

4.2.   Weiterführende Hilfe

Übergangsmanagement ist die umfassende Vorbereitung der Entlassung der Gefangenen. Sie umfasst Planung, Einleitung, Vermittlung und Durchführung von Reintegrationsmaßnahmen für Gefangene vor ihrer Entlassung, insbesondere die strukturierte Verknüpfung und Vernetzung von Behandlungsmaßnahmen des Vollzuges mit Hilfsangeboten und Maßnahmen der nach der Entlassung für die Betroffenen zuständigen Stellen.
Durch eine koordinierte Entlassungsvorbereitung wird die Basis für einen bestmöglichen Übergang der Inhaftierten von der straff geregelten Situation des Vollzuges zu der komplexen Lebenssituation nach der Entlassung geschaffen und damit eine optimale soziale Reintegration der Gefangenen erreicht. So soll gerade in der schwierigen Zeit nach der Entlassung ein Rückfall in alte Muster und Strukturen vermieden werden.
Übergangsmanagement setzt eine enge Kooperation zwischen der Justizvollzugsanstalt und vollzugsexternen Stellen voraus; dies sind hauptsächlich: Bewährungshilfe, Jugendämter, Strafentlassenenhilfe, Sozialämter und Bezirke, Arbeitsverwaltung einschließlich "Jobcenter" und "ARGE".
Bei Jugendlichen kommen als Leistungen der Jugendhilfe insbesondere "Hilfen zur Erziehung" nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch in Betracht (§ 27ff. SGB VIII), bei jungen Volljährigen - bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und in begründeten Einzelfällen darüber hinaus - "Hilfen für junge Volljährige" (§ 41 SGB VIII). Die erstmalige Gewährung einer Hilfe für Erwachsene über 21jährige ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

Bei jungen Menschen ab dem 21. Lebensjahr greifen in der Regel "Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten" (§§ 67, 68 SGB XII). Für die letztgenannten Hilfen sind die Bezirke als überörtliche Sozialleistungsträger zuständig.

Bei allen jungen Gefangenen, die nach der Haftentlassung unter Bewährungsaufsicht stehen, ist das Vorgehen eng mit der Bewährungshilfe abzustimmen. Die Bewährungshilfe wird rechtzeitig vom Sozialdienst der Justizvollzugsanstalten, in der Regel drei Monate vor der anstehenden Haftentlassung, über einen jungen Probanden informiert. Sie erhält von der Justizvollzugsanstalt einen Abdruck der Stellungnahme zur vorzeitigen Entlassung, sowie einen Abdruck des letzten Vollzugsplanes.


Jugendhilfe, Sozialdienst und Bewährungshilfe wirken gemeinsam mit dem Gefangenen darauf hin, dass er bzw. die Personensorgeberechtigten rechtzeitig evtl. notwendige Anträge auf Jugendhilfeleistungen oder andere Sozialleistungen bei der zuständigen Stelle stellen. Wenn noch nicht hinreichend geklärt ist, auf welche Leistung bei welchem Träger Anspruch besteht, wird der Antrag einer Bedarfsbeschreibung an die zuständige Jugendhilfe im Strafverfahren gesandt, mit der Bitte um weitere Klärung und ggf. Weiterleitung.

5.       Schlussbemerkung

Der Freiheitsentzug ist für junge Menschen ein passageres Ereignis. Die professionell handelnden Vertreter der Jugendhilfe und der Justiz übernehmen in diesem Kontext eine besondere Verantwortung für die weitere Entwicklung von Jugendlichen, Heranwachsenden und jungen Volljährigen.
Der Jugendstrafvollzug ist einerseits entsprechend den Bedürfnissen von jungen Menschen erzieherisch zu gestalten, andererseits müssen die Hilfen ineinander greifen, Übergaben organisiert und Sollbruchstellen antizipiert werden, um eine erfolgreiche soziale Re-Integration gewährleisten zu können.

Die Befassung mit der Umsetzung der rechtlichen Grundlagen hat gezeigt, dass eine Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Systemen Jugendhilfe und Justiz noch Entwicklungspotential auf verschiedenen Ebenen aufweist. Besonders die Kontinuität in der Beziehung zu und Zusammenarbeit mit jungen Menschen ist an dieser Stelle hervorzuheben.
Die Inhaftierung als solche darf keinen Abbruch in den Bemühungen der Jugendhilfe darstellen. Vielmehr ist die Zusammenarbeit mit Justizvollzugsbehörden zu intensivieren (vgl. § 81 Nr. 8 SGB VIII).

 

[1] vgl Nr. 79 UVollzO: Der Anstaltsleiter und die von ihm beauftragten Beamten sollen sich mit der Erforschung der Persönlichkeit des jungen Gefangenen befassen. Sie dient dem Ziele, für die Beurteilung der Persönlichkeit des jungen Gefangenen Unterlagen zu gewinnen und so die richtige Behandlung im Vollzug der Untersuchungshaft wie auch die richtige Entscheidung in der Strafsache zu erleichtern.
Die Persönlichkeitserforschung ist in Zusammenarbeit mit den Organen der Jugendgerichtshilfe durchzuführen. Besonderer Wert ist zu legen auf die Feststellung der seelischen, geistigen und körperlichen Eigenart des jungen Gefangenen, auf seine Lebensgeschichte, die Schul- und Berufsbildung sowie die persönlichen und sozialen Verhältnisse. Der Gefangene ist zu beobachten und sein Verhalten laufend schriftlich festzuhalten. Jeder junge Gefangene hat alsbald nach der Aufnahme seinen Lebenslauf niederzuschreiben. Das Ergebnis der Persönlichkeitserforschung ist dem Richter oder dem Staatsanwalt mitzuteilen (Nr. 8 UVollzO).
Die Justizvollzugsanstalt darf personenbezogene Daten an öffentliche Stellen übermitteln, soweit dies u.a. für Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht erforderlich ist. 
Weitergehende Informationen und die Weiterleitung anderer Unterlagen bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung durch den jungen Gefangenen bzw. dessen gesetzlichen Vertreter (vgl. Art. 197 Abs. 4 BayStVollzG).
[2] Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zu beachten bzw. das Einverständnis des jungen Menschen oder seiner Erziehungsberechtigten ist einzuholen (s. § 67a SGB X).
[3] Die örtliche Zuständigkeit für die Aufgabe der Jugendhilfe im Strafverfahren bleibt bei dem Jugendamt, das für die Jugendgerichtshilfe in dem Verfahren zuständig war, in dem der junge Mensch zur Jugendstrafe verurteilt wurde. Die Zuständigkeit der Jugendhilfe "bleibt bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen. Hat ein Jugendlicher oder ein junger Volljähriger in einem Verfahren nach dem JGG die letzten sechs Monate vor Abschluss des Verfahrens in einer Justizvollzugsanstalt verbracht, so dauert die Zuständigkeit auch nach der Entlassung aus der Anstalt so lange fort, bis der Jugendliche oder junge Volljährige einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, längstens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Entlassungszeitpunkt (§ 87b Abs. 2 SGB VIII).
Für Ansprüche eines jungen Menschen auf Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII - für Hilfen zur Erziehung oder für Hilfen für junge Volljährige - nach seiner Haftentlassung kann aber ein anderes Jugendamt örtlich zuständig sein als das für die Jugendhilfe im Strafverfahren zuständige Jugendamt. Dies kann dann der Fall sein, wenn der junge Mensch nach der Entlassung einen anderen als seinen früheren Wohnort zu seinem Lebensmittelpunkt nehmen möchte. Zwar bleibt in diesem Verfahren die bisher zuständige Jugendhilfe im Strafverfahren weiter zuständig, es ist aber zweckmäßig, das künftig für Hilfeleistungen zuständige Jugendamt frühzeitig zu informieren und in die Planungen mit einzubeziehen. Fallübergaben sind zum Wohle des Jugendlichen, Heranwachsenden oder jungen Volljährigen umgehend zu organisieren.
[4] Auf § 86d SGB VIII [Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden] wird hingewiesen.