II. Die beiden kooperierenden Systeme JaS-Handbuch 23 Die gesetzliche Grundlage für die Aufgaben des Jugendamts bei der Wahrnehmung des Wächteramts findet sich in § 1 Abs. 2 SGB VIII. Hier wird die Regelung des Grundgesetzes zur elterlichen Erziehungsverantwortung und zum staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 GG) in wortgleicher Formulierung wiederholt. In § 8a SGB VIII wird der Schutzauftrag als Aufgabe der Jugendämter für einzelfallbezogene Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung konkretisiert. Ihm zufolge ist das Jugendamt verpflichtet, bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung, diesen unverzüglich nachzugehen, die Gefährdung einzuschätzen, den Eltern bzw. den Personensorgeberechtigten Unterstützung anzubieten und geeignete Hilfen zu gewähren, um die Gefährdung abzuwenden sowie den Schutz der bzw. des Minderjährigen sicherzustellen. Letzteres erfolgt ggf. unter Einschaltung des Familiengerichtes, um beispielsweise im Interesse des Kindeswohls notwendige Mitwirkungsauflagen bzw. Einschränkungen des Elternrechts anzuregen (§ 1666 BGB, § 8a Abs. 2 SGB VIII). Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder die bzw. den Jugendlichen in Obhut zu nehmen (§§ 8a Abs. 2 Satz 2, 42 SGB VIII). Das Jugendamt hat außerdem im Rahmen seines Schutzauftrags mit Trägern von Einrichtungen und Diensten und mit Kindertagespflegepersonen Vereinbarungen zu schließen, die gewährleisten, dass diese die vorgegebenen Standards und Verfahrenswege einhalten, wenn in deren Verantwortungsbereich gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt werden. Sie müssen das Jugendamt unterrichten, wenn die Gefährdung nicht anders abgeklärt und/oder abgewendet werden kann (vgl. § 8a Abs. 4, 5 SGB VIII). Dem Familiengericht obliegt es bei einer Gefährdung, die notwendigen Entscheidungen, die die elterliche Sorge berühren, zu treffen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 1666 BGB. Hier heißt es in Absatz 1: „Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.“ Das bedeutet, dass das Jugendamt das Familiengericht anrufen muss, wenn die Sorgeberechtigten – selbst mit Unterstützung von fachlich geeigneten und notwendigen Hilfen – eine Gefährdung nicht abwenden wollen oder können. Das Familiengericht ist dann von Amts wegen verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen und zu beurteilen, ob zur Gefahrenabwehr z.B. sorgerechtliche Maßnahmen oder Auflagen notwendig sind. Die Legitimation, im Rahmen des Wächteramtes in die elterliche Erziehungsverantwortung einzugreifen, setzt also die gerichtliche Feststellung einer Kindeswohlgefährdung voraus. Ein allein „ungünstiges“ Erziehungsverhalten reicht dafür nicht aus. Ein Rückblick zu (ausgewählten) gesetzlichen Regelungen im Kinderschutz: Am 01.10.2005 trat das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) in Kraft. In dem dort neu eingeführten § 8a SGB VIII wurden die Anforderungen an Jugendämter bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags (mittels Vorgaben zu Verfahrensabläufen) konkretisiert sowie die Beteiligung der freien Träger am Kinderschutz (mittels verpflichtend abzuschließender Vereinbarungen) festgelegt. Mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) am 01.01.2012 erfolgte eine Überarbeitung des § 8a SGB VIII, weitere Regelungen (Hausbesuch, Qualifikation der insoweit erfahrenen Fachkraft, Vermeidung von „Jugendamtshopping“) wurden hinzugefügt. Neu hinzu kamen mit dem BKiSchG der Anspruch auf Beratung bei der Gefährdungseinschätzung für Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen im Kontakt stehen (§ 8b SGB VIII) sowie das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Letzteres formuliert insbesondere in § 4 KKG Handlungspflichten bzw. -befugnisse für Berufsgeheimnisträgerinnen und -träger, wenn diesen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt werden. Außerdem benennt es deren Beratungsanspruch gegenüber dem öffentlichen Träger zur Einschätzung der Gefährdung (§ 4 Abs. 2 KKG). Zu dem Kreis der im KKG genannten Berufsgeheimnisträgerinnen und -träger zählen unter anderem auch staatlich anerkannte Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KKG) und Lehrkräfte an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 KKG). Auf Art. 31 und Art. 80 BayEUG i.V.m. Art. 12 Abs. 3 GDG wird in diesem Zusammenhang hingewiesen. Jugendamt und Wächteramt Das Jugendamt ist die zentrale Steuerungsinstanz beim Schutzauftrag gem. § 8a SGB VIII Familiengericht und Wächteramt Rückblick gesetzliche Regelungen
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