JaS Handbuch

III. Die Tätigkeit als JaS-Fachkraft – die Praxis 54 JaS-Handbuch Spezifische Fördermöglichkeiten für junge Menschen können sein:  Gestaltung und ggf. Vermittlung von Angeboten für die Zielgruppe, die an den speziellen Bedarfen ausgerichtet sind und die Interessen sowie die geschlechtsspezifischen Aspekte berücksichtigen,  Ermöglichung von Zugängen zu den örtlichen Angeboten der offenen und verbandlichen Jugendarbeit. Aufgrund der niedrigschwelligen Angebotsstruktur und der einfachen Zugänglichkeit ihrer Angebote, erhalten die JaS-Fachkräfte oft Informationen, die anderen schulischen Diensten oder auch Beratungsstellen außerhalb unbekannt bleiben. Zwangsheirat war und ist eines dieser Themen. Erfahren die JaS-Fachkräfte durch die Schülerinnen und Schüler von einer vermuteten oder feststehenden Zwangsheirat, ist umsichtiges und rasches Vorgehen im Zusammenwirken mit dem Jugendamt erforderlich. Hilfreiche Anregungen bietet die Broschüre „Zwangsverheiratung bekämpfen – Betroffene wirksam schützen“ (BMFSFJ, 2022). Die vom StMAS geförderten Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsverheiratung jadwiGA und Solwodi Bayern e. V. sowie IMMA e.V. – Zufluchtsstelle für Mädchen und junge Frauen können im Einzelfall Hilfestellung geben. Zu beachten ist aber, dass in jedem Fall die ASDs der Jugendämter einzuschalten sind. Die Diskriminierung bezieht sich aber nicht ausschließlich auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, sondern kann alle Menschen in allen Gruppen und/oder als Einzelperson betreffen. Gerade die Mehrfachdiskriminierung einer Gruppe oder eines einzelnen Menschen darf dabei nicht übersehen werden. Da der Begriff Intersektionalität fast ausschließlich im wissenschaftlichen Diskurs verwendet wird, bedarf es einer kurzen Begriffsklärung, um die Zusammenhänge nachvollziehen zu können. „Unter dem Begriff Intersektionalität wird die Verschränkung verschiedener Ungleichheit generierender Strukturkategorien verstanden. Die intersektionale Theorie zielt daher darauf ab, das Zusammenwirken verschiedener Positionen sozialer Ungleichheit zu analysieren und zu veranschaulichen, dass sich Formen der Unterdrückung und Benachteiligung nicht additiv aneinanderreihen lassen, sondern in ihren Verschränkungen und Wechselwirkungen zu betrachten sind. Durch die Beachtung verschiedener Strukturkategorien wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Nationalität, Sexualität, Alter etc. soll gezeigt werden, dass keine dieser Kategorien alleine steht, sondern sowohl für sich als auch im Zusammenspiel mit den anderen, einen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse mitkonstituierenden Effekt hat. Die intersektionale Perspektive kann als Weiterentwicklung der Geschlechterforschung betrachtet werden und ermöglicht multiple Ungleichheits- und Unterdrückungsverhältnisse zu analysieren, die über die Kategorie Geschlecht allein nicht erklärt werden könnten.“ (Küppers, 2014). Diskriminierungsformen wie Antisemitismus, Abwertung von Menschen mit Behinderung, Homophobie, Islamfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus etc., werden also nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern werden in ihren Interdependenzen und Überkreuzungen betrachtet und führen somit zu eigenständigen Diskriminierungserfahrungen. So wird beispielsweise eine weibliche People of Colour (POC) nicht entweder als Frau oder aufgrund ihrer Hautfarbe rassistisch diskriminiert oder ein männlicher homosexueller POC nicht entweder aufgrund seiner Hautfarbe oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert, sondern die Faktoren wirken immer zusammen und überkreuzen sich (vgl. Amadeu, 2022). Der Begriff „Intersektionalität“ wird in Diskursen um Zuwanderung oder beispielsweise auch Gender und Diversity intensiv diskutiert. Cornelia Klinger beschreibt bereits 2012 eine Tendenz, die aufzeigt, dass Intersektionalität ausdrückt, welche Auswirkungen sich bei Menschen mit Diskriminierungserfahrung entwickeln und wie es folglich auch ihre Identität beeinflusst. Bei dieser Annahme kann Intersektionalität aber nicht nur auf die ursprünglichen Kategorien festgelegt werden (vgl. Klinger, 2012). Dies hat nicht nur Auswirkung auf die Forschung, sondern auch auf den Bereich der Sozialen Arbeit und somit auch auf die Arbeit der JaS. Konkret bedeutet dies, dass die JaS-Fachkräfte sich mit den verschiedenen Dimensionen der Intersektionalität auseinandersetzen müssen, um bei der Beratung der jungen Menschen die verschiedenen Aspekte und Überkreuzungen der Diskriminierung berücksichtigen zu können. Intersektionalität

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