Mitteilungsblatt 1/2020

M I T T E I L U N G S B L A T T 01-2020 30 I N F O so lange zur Weitergewährung der Leistung zuständig, bis der nunmehr zuständig gewordene Träger die Leis- tung fortsetzt. In diesen Fällen hat der vorläufig leistende Träger nach § 89c SGB VIII dem Grunde nach einen Kostenerstat- tungsanspruch gegenüber dem zuständig gewordenen Träger. Allerdings hat er die Interessen des erstattungs- pflichtigen Trägers angemessen zu berücksichtigen und die erstattungsfähigen Kosten unter Beachtung des Nettoprinzips so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet gleichzeitig, dass der insgesamt entstan- dene Jugendhilfeaufwand um alle Beträge (z.B. Kosten- beiträge) zu bereinigen ist, die tatsächlich zugeflossen sind. Fiktiv mögliche Beträge oder errechnete Kosten- beiträge, die jedoch tatsächlich von den Verpflichteten nicht gezahlt wurden, stellen nach einhelliger Meinung der Praxis jedoch keine Einnahmen dar, die unter Beach- tung des Nettoprinzips vom Kostenerstattungsanspruch abzusetzen wären. Die Absetzung tatsächlich nicht zu- geflossener Beträge kann vom erstattungspflichtigen Träger nicht begehrt werden. Dies gilt umso mehr, wenn der kostenerstattungsberechtigte Träger ggf. wei- tere Zahlungen erwartet und insoweit zusichert, dem erstattungspflichtigen Träger später eingehende Beträge rückzuerstatten. 4. Mögliche Anschlussleistungen der Jugend- hilfe bei Unterbringung eines Kindes in Voll- zeitpflege im Rahmen der Brüssel-IIa-VO Wird ein Pflegekind durch Behörden eines europä- ischen Nachbarstaates bei einer sorgeberechtigten verwandten Pflegeperson untergebracht, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern hat, ist nach herr- schender Meinung die Durchführung eines Konsultati- onsverfahrens im Sinne der Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwor- tung (EG) (kurz: Brüssel-IIa-VO) vom 27. November 2003 notwendig, da es sich hierbei um die grenzüber- schreitende Unterbringung eines ausländischen Kindes in Bayern handelt. Erfolgte die Unterbringung des Kindes bei der verwand- ten Pflegeperson allerdings bereits im europäischen Ausland und reist diese Pflegeperson danach gemein- sam mit dem Pflegekind nach Bayern ein, handelt es sich nicht um eine grenzüberschreitende Unterbringung im Sinne der Brüssel-IIa-VO. Die Zahlung eines Vollzeitpflegeentgelts an die Pfle- geperson kommt in diesen Fällen nicht in Betracht, da möglicherweise bestehender Bedarf an Hilfe zur Erzie- hung mit Unterbringung des Kindes bei der verwandten Pflegeperson bereits durch die ausländische Behörde gedeckt wurde und somit aus der Sicht der bayerischen Jugendhilfe insoweit kein weiterer Hilfebedarf besteht. Besteht kein Bedarf an Hilfe zur Erziehung, sind damit (isolierte) Leistungen zum Unterhalt des Pflegekindes nach § 39 SGB VIII nicht möglich. Die Frage, ob bei einer Unterbringung im Sinne der Brüssel-IIa-VO weitere Hilfen, ggf. einschließlich der Annexleistungen zum Unterhalt nach § 39 SGB VIII, möglich oder aber wegen der Unterbringung im Sinne der Brüssel-IIa-VO grundsätzlich ausgeschlossen sind, ist derzeit juristisch nicht eindeutig geklärt und lässt Auslegungen in unterschiedliche Richtungen zu. Nach einer Auslegung kann auch bei vollstationärer Un- terbringung im Sinne der Brüssel-IIa-VO grundsätzlich ein Anspruch auf weitere Leistungen der Jugendhilfe entstehen, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt ent- sprechender Hilfebedarf ergibt, allerdings nicht als Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege, weil dieser Bedarf – wie oben dargestellt – bereits durch die ausländische Behörde gedeckt wurde. Nach einer anderen Auslegung kommt die Gewährung weiterer Jugendhilfeleistungen bei einer Unterbringung nach der Brüssel-IIa-VO ebenso wenig in Betracht wie Annexleistungen zum Unterhalt nach § 39 SGB VIII. Dies selbst dann nicht, wenn der Bedarf erst entsteht, nachdem das Pflegekind seinen gewöhnlichen Aufent- halt in Bayern begründete. Im Zweifel wird die Gerichtsbarkeit an dieser Stelle gefordert sein, sich um Klarstellung zu bemühen. 5. Urteil des BVerwG, 5 C 18.16 vom 25.01.2018 zur Leistungsgerechtigkeit des Anerkennungsbetrages für Tagespflegeperso- nen nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII Die laufende Geldleistung an eine Tagespflegeperson umfasst nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII auch einen Betrag zur Anerkennung ihrer Förderleistung nach Maß- gabe des § 23 Abs. 2a S. 2 SGB VIII. Der unbestimmte Rechtsbegriff des leistungsgerechten Betrages zur An- erkennung der Förderleistung eröffnet der Jugendhilfe einen Beurteilungsspielraum zur pflichtgemäßen Er- messensausübung. Dabei sind der zeitliche Umfang der

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