Mitteilungsblatt_02_2019

M I T T E I L U N G S B L A T T 02-2019 11 mindest bei Leistungen an asylsuchende Kinder und Jugendliche – überwiegend die Auffassung, dass Zuwei- sungsentscheidungen in analoger Anwendung des § 89 SGB VIII die gleiche Qualität haben wie ein tatsächlicher Aufenthalt (z. B. Kunkel/Pattar in LPK-SGB VIII, 7. Aufla- ge 2018, § 89, RdNr. 3) Die gleiche Auslegung muss in logischer Konsequenz dann auch für Zuweisungsentscheidungen nach § 88a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gelten, der die örtliche Zustän- digkeit für Inobhutnahmen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger regelt. Dazu im Widerspruch steht allerdings die Auffassung in großen Teilen der Kommentarliteratur zu § 6 Abs. 2 SGB VIII, dass die Begründung eines gA in Abhängigkeit von der persönlichen Situation bereits dann möglich ist, wenn im Rahmen einer Prognoseentscheidung abseh- bar ist, dass ein unbegleiteter ausländischer Minder- jähriger sich zukunftsoffen auf nicht absehbare Zeit in Deutschland aufhalten wird (insoweit widersprüchlich vor allem Kepert a.a.O., § 6 RdNr. 12). Diese Prognose wäre vor allem dann angebracht, wenn tatsächliche oder rechtliche Ausreisehindernisse voraussichtlich auf längere Zeit bestehen bleiben werden. Sehr wahr- scheinlich ist dies nach Auffassung des BayVGH in seinem Urteil 5 C 2.08 vom 02.04.2009 bei Flüchtlingen aus Kriegsgebieten (sh. dort unter Nr. 20 ff). c) In der Leistungsphase Für die anschließende Phase der Leistungsgewährung hat sich mittlerweile weitgehend die Auffassung durch- gesetzt, dass hier im Rahmen der Gesamtumstände des Falles durchaus ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann. Grundsätzlich gelten hier die oben unter b) zitierten Ein- schätzungen von Kepert, a.a.O., gleich-ermaßen mit der Ergänzung, dass die Notwendigkeit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung bereits einen zeitlich nicht abseh- baren Zeitraum darstellt, der für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sprechen kann. 3. Länderübergreifender Kostenerstattungsan- spruch nach § 89b SGB VIII bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen Es gibt immer wieder Einzelfälle, in denen ein Jugend- amt in einem anderen Bundesland auf der Basis einer freiwilligen Vereinbarung nach § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII die örtliche Zuständigkeit aus humanitären oder Kindeswohlgründen übernimmt oder übernommen hat. Dabei ist derzeit vor allem aufgrund der unterschiedli- chen Verfahrensweisen der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Minderjäh- rigen zuständigen Stellen vielfach ungeklärt, wie mit Kostenerstattungen über die Grenzen eines Bundeslan- des hinweg umzugehen ist. Wird die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Einzelfall bejaht, kommt in entsprechender Anwen- dung des § 89b Abs. 1 SGB VIII eine horizontale Koste- nerstattung zwischen den beteiligten Jugendämtern auf örtlicher Ebene in Betracht. Wird die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nach den Gesamtumständen aber verneint, kann § 89b Abs. 1 SGB VIII dementsprechend nicht angewandt werden. Damit ist ein erstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden. Das Jugendamt am Ort der Inobhutnahme hat dann dem Grunde nach gemäß § 89b Abs. 2 SGB VIII einen Erstattungsanspruch gegenüber seinem überörtlichen Jugendhilfeträger. Die örtliche Zuständigkeit bleibt bei derartigen einver- nehmlichen Übernahmen nach § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII je nach Auslegung der Rechtslage auch weiterhin beim Jugendamt der ursprünglichen Zuweisungs- entscheidung bestehen. Ergeht im Bundesland des aufnehmenden Jugendamtes eine korrespondierende Zuweisungsentscheidung durch die zuständige Landes- behörde, wechselt die örtliche Zuständigkeit dorthin. Da in diesen Fällen kein kostenerstattungspflichtiger örtli- cher Träger im Sinne des § 89b Abs. 1 SGB VIII (mehr) vorhanden ist, kommt die Kostenerstattung nach § 89b Abs. 2 SGB VIII durch den überörtlichen Träger am Ort des Zuweisungsjugendamtes in Betracht. Fehlt jedoch eine derartige Zuweisungsentscheidung, könnte eine Kostenerstattung nach § 89b Abs. 2 SGB VIII rechtlich gesehen verweigert werden. Mit dieser Problematik befassen sich derzeit die Dis- kussionen um eine länderübergreifende einheitliche Lösung. In Bayern besteht dazu die Möglichkeit einer erneuten Zuweisungsentscheidung nach § 133a Abs. 3 AVSG durch den LABEA, die für bayerische Jugendämter inso- weit verbindlich ist. Es wird empfohlen, nach Möglichkeit im Rahmen einvernehmlicher Vereinbarungen zur Übernahme der örtlichen Zuständigkeit nach § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII durch ein Jugendamt in einem anderen Bundesland gleichzeitig zu regeln, dass eine Verteilentscheidung zum aufnehmenden Jugendamt sichergestellt ist. I N F O

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