Mitteilungsblatt_02_2019

M I T T E I L U N G S B L A T T 02-2019 15 3. Urteil des SG Augsburg S 7 AL 288/15 vom 21.12.2017 zur Zuständigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Das Urteil des SG Augsburg stützt die unter Nr. 2 erläu- terte Rechtsauffassung, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen umfassen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind und dass diese besonde- ren Leistungen nicht zu den Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung gehören, sondern vielmehr als Pflichtleistungen zu gewähren sind. Dabei sei es nach Auffassung des Gerichts unerheblich, ob der Unterbringungsbedarf ausschließlich durch eine seelische Behinderung des Leistungsberechtigten be- dingt sei oder ob andere Umstände, wie etwa erzieheri- sche Defizite, ursächlich für die erforderliche Unterbrin- gung in einer heilpädagogischen Wohngruppe waren. Die Auffassung der Arbeitsverwaltung, die im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbrachten unterstützenden medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen seien nicht Teil ihres Aufgaben- bzw. Rehabilitationsspektrums, teilt das Gericht zu Recht nicht. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hätten im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB IX (§ 49 Abs. 1 SGB IX – neu) die Aufgabe, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und damit die Teil- habe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Sie umfassten gemäß § 33 Abs. 6 SGB IX (§ 49 Abs. 6 SGB IX – neu) auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese im Einzelfall erforder- lich seien, um die genannten Ziele zu erreichen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LSG Ba- den-Württemberg stellt das Gericht fest, dass es sich bei diesen ergänzenden Hilfen um Annexleistungen zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben handele, die ebenfalls derjenige Rehabilitationsträger zu erbrin- gen habe, der auch für die Hauptleistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig sei. Die Entscheidung könnte – zumindest bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage – eine wertvolle Argumentations- hilfe für die Jugendhilfe gegenüber den Agenturen für Ar- beit im Rahmen der unter Nr. 1 beschriebenen Vorgehens- weise des Antragssplittings in diesen Fällen darstellen. 4. Landespflegegeld nach dem BayLPflGG als Einkommen des Pflegekindes bei der Heran- ziehung zum Kostenbeitrag Behinderte Kinder, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung an wenigstens einem Tag des Pflegejahres (das ist gemäß Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Landespfle- gegeldgesetz – BayLPflGG der Zeitraum jeweils vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. September des Folgejahres) pflegebedürftig im Umfang von mindestens Pflegegrad 2 sind, können Pflegegeld nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayLPflGG erhalten. Wird gleichzeitig Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gewährt, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang das Landespflegegeld bei der Heranziehung des jungen Menschen zum Kostenbeitrag nach § 94 Abs. 6 SGB VIII zu berücksichtigen ist. Nach Art. 1 Satz 1 BayLPflGG dient das Landespfle- gegeld dem ausdrücklich formulierten Zweck, das Selbstbestimmungsrecht pflegebedürftiger Menschen zu stärken, die mit Pflegebedürftigkeit einhergehenden Einschränkungen zu mildern und damit die Lebensge- staltung zu erleichtern. Landespflegegeld wird damit aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt. Es ist daher nach § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII nicht als Einkommen bei der Heranziehung junger Menschen zum Kostenbei- trag einzusetzen. Gleichzeitig dient das Landespflegegeld mit seiner Zielsetzung einem anderen Zweck als der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und kann damit nicht als be- sonderer Kostenbeitrag im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII neben einem einkommensabhängigen Kosten- beitrag vereinnahmt werden. Gleiches gilt auch dann, wenn die Pflegefamilie auf- grund der Behinderung eine erhöhte Sachaufwands- pauschale nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII erhält. Insoweit unterscheiden sich die Zweckbestimmungen des Pflegegeldes nach dem BayLPflGG (Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des jungen Menschen) und der erhöhten Sachaufwandspauschale nach dem SGB VIII (Ausgleich der höheren Kosten aufgrund des behin- derungsbedingt höheren Pflegeaufwands). I N F O

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