Mitteilungsblatt 3/2020

M I T T E I L U N G S B L A T T 03-2020 08 Hinsichtlich der Arbeit mit Kindern, die häusliche Gewalt miterlebt haben, betonte Melanie Schauer vor allem die Schädlichkeit eines kurzfristigen Umgangs des Kindes mit dem Gewalttäter in einer ungeklärten und ungesi- cherten Gesamtsituation. Umgangskontakte, die für das Kind emotionale Unsicherheit mit sich bringen, können in einer solchen Situation auch die Bindung zum betreu- enden Elternteil destabilisieren. Das wiederum kann zur Folge haben, dass das Kind letztendlich zu keinem Elternteil mehr eine sichere Bindung empfinden kann. Daher sei es wichtig, in der Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort, zuerst eine tragfähige Basis für einen sicheren Umgang zu erarbeiten, bevor dieser durchgeführt wird. Für ein solch abgestimmtes Handeln im Interesse des Kindeswohls und des Schutzes der von Gewalt betrof- fenen Frauen, hat sich in München der Abschluss einer verschriftlichten Kooperationsvereinbarung zwischen allen Münchner Frauenhäusern und der Bezirkssozialar- beit bewährt. 5. Impulsvortrag: Best-Practice-Beispiel für die Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und Frauenhilfe Kooperationsvereinbarungen sind der Schlüssel für wirk- same Kooperationsbeziehungen. Als letzten Beitrag im Plenum stellten Claudia Amm (Leiterin des Allgemeinen Sozialdienstes Abteilung I des Stadtjugendamts Nürnberg) und Barbara Grill (Leite- rin Frauenhaus Nürnberg des Trägers Verein Hilfe für Frauen in Not e.V.) ihre praktischen Erfahrungen in der Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und Frauenun- terstützungssystem dar. Schlüsselthema des Vortrags war das Plädoyer für eine gemeinsame Erarbeitung einer Kooperationsvereinba- rung, die anstelle punktueller, einzelfallbezogener und damit zeitaufwendigeren Absprachen, als verbindlicher Leitfaden für alle Beteiligten gelten kann. Leitziel dieser Erarbeitung ist, mit dem Wissen über die Leistungen und Rahmenbedingungen des anderen Akteurs gestärkt und in den fachlichen Grundlagen und Vorgehenswei- sen abgestimmt, als Verantwortungsgemeinschaft zum Wohle der Kinder und Eltern zu agieren. Der Abschluss der Kooperationsvereinbarung in Nürnberg ist für 2020 geplant. Darüber hinaus ist die gemeinsame Erstellung eines Handlungsleitfadens „Häusliche Gewalt und Eltern- schaft“ in Planung. Dieser soll zusammen mit weiteren Akteurinnen und Akteuren, wie dem Familiengericht, Verfahrensbeiständen, weiteren Beratungsstellen und der Gesundheitshilfe bis Ende 2021 entwickelt werden. Aus der Erfahrung der beiden Vortragenden gelingt der Kooperationsprozess umso besser, je fundierter die Basis ist, auf der man aufbauen kann. Eine gute Ba- sis bedeutet am Nürnberger Beispiel ausgeführt, eine solide Infrastruktur von Angeboten der Kinder- und Ju- gendhilfe und der Frauenunterstützung, eine etablierte Ehrenamtsstruktur sowie eine langjährige gemeinsame Erfahrung in der Kooperation bei einzelfallunabhängigen Anlässen, wie gemeinsame Teilnahme an verschiede- nen Arbeitskreisen, stadtweite Fortbildungsangebote zu häuslicher Gewalt, gemeinsame Organisation von Fach- tagungen und von institutionsübergreifenden Koopera- tions- und Präventionsprojekten. Erfolgsfaktoren hierfür sind: die Unterstützung und auch finanzielle Ausstattung durch die kommunalen Verantwortungs- und Kostenträ- ger, die Bereitschaft aller beteiligten Institutionen und Fachkräfte zum gegenseitigen Perspektivwechsel sowie wechselseitiger Respekt und Wertschätzung der unter- schiedlichen Arbeitsweisen und Angebote. Den Impulsvorträgen im Plenum folgten sechs Work- shops , in denen die unterschiedlichen Aspekte zur Betroffenheit und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Kooperation differenziert bearbeitet wurden. Workshop 1: Stolpersteine und Gelingensfak- toren für eine Kooperation Unterschiedlicher Sprachgebrauch sowie unreflektierte Handlungserwartungen und Vorannahmen über den Kooperationspartner können die Kooperationsbeziehung beeinträchtigen. In diesem Workshop arbeiteten Claudia Amm und Barbara Grill als Impulsgeberinnen zunächst die we- sentlichen „Stolpersteine“ in der Kooperation heraus. Basierend auf den eigenen Erfahrungen wurde festge- stellt, dass das fehlende Wissen über die fachlichen, ethischen und rechtlichen Grundlagen und Handlungs- logiken sowie Organisations- und Arbeitsstrukturen des jeweils anderen Arbeitsbereiches eine gute Koope- rationsbeziehung erschwert. Dies sei beispielsweise auch erkennbar an unterschiedlichen Begrifflichkeiten, Definitionen und einem Sprachgebrauch, der die psychi- sche oder körperliche Gewalttätigkeit unterschiedlich in den Fokus nimmt und benennt. Während der Allgemei- ne Soziale Dienst des Jugendamtes (ASD) vom „Vater“ B E R I C H T E

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