Mitteilungsblatt_04_2023

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 12 B E R I C H T E • Soziale Netzwerke der Eltern bestehen häufig nicht bzw. nur eingeschränkt zu Verfügung, es fehlen Kraftreserven, aber auch Zeit, sich ggf. die notwendige Unterstützung in einem unübersichtlichen Hilfesystem zu holen. • Gleichzeitig nehmen Stress und Sorgen um die Zukunft des Kindes, ungewisse Zukunftsaussichten und deren Auswirkungen auf die familiäre Situation zu. • Herausfordernde Verhaltensweisen und „schwierigeres“ Temperament der Kinder trifft auf ggf. erschöpfte und überforderte Eltern und kann in gewalttätigen Erziehungsmethoden münden. • Behinderungsbezogene Diskriminierung kann das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen mindern und damit einhergehend auch deren Widerstandskräfte gegenüber „Täterinnen und Tätern“. • Für einige Kinder gehören „Grenzverletzungen“ (z. B. bei der Intimpflege) zum Alltag. Teilweise verfügen sie selbst auch über kein altersentsprechendes Nähe- und Distanzverhalten. Es ist für sie dann oft schwer, ein Verhalten als Übergriff oder Gewalt einzuschätzen und entsprechend zu verbalisieren. • Wegen fehlender Präventions- und Informationsangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderung verfügen diese vielfach nicht über Kompetenzen, Risiken zu identifizieren und ihnen aus dem Weg zu gehen. Zu diesen Risikofaktoren kommt zusätzlich dazu, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung oft vor hohen Hürden stehen, sich in (potenziellen) Gefährdungs- situationen anderen anzuvertrauen. Sei es aufgrund fehlender Sprachlichkeit, einer höheren Angewiesenheit auf bzw. Abhängigkeit von Bezugspersonen oder auch weil sie isolierter bzw. in sich geschlossenen Systemen aufwachsen. In der Diskussion darüber, welche spezifischen Anforderungen der Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche mit Behinderung an die Kinder- und Jugendhilfe stellt, bestand Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass auch hier das allgemeine Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte gültig ist. Die Frage, die sich dann aber aufdrängt: Worin liegen die Schwierigkeiten bzw. was ist das Spezifische bei der Wahrnehmung des Schutzauftrages für Kinder und Jugendliche mit Behinderung? Dazu wurden im gemeinsamen Austausch folgende Hypothesen zu Herausforderungen bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags für Kinder und Jugendliche mit Behinderung formuliert: • Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung frühzeitig zu erkennen bzw. mitgeteilt zu bekommen. • Behinderungsbedingte Auffälligkeiten von Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung zu unterscheiden. • Fehllaufende Anpassungsprozesse der Eltern an die Behinderung ihres Kindes als Gefährdungsform zu erkennen sowie Auswirkungen behinderungsspezifischer Gewalt einzuschätzen. • Bei unterschiedlichen Behinderungsformen die spezifischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen einzuschätzen bzw. zu beurteilen, inwiefern behinderungsbedingte Bedarfe im Kontext anderer Lebensbedingungen ggf. zu Gefährdungslagen beitragen (können). In der Diskussion darüber, welche spezifischen Anforderungen der Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche mit Behinderung an die Kinder- und Jugendhilfe stellt, bestand Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass auch hier das allgemeine Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte gültig ist. Gefährdungseinschätzung • Worin bestehen die besonderen Bedürfnisse des Kindes bzw. Jugendlichen? • Was tun die Eltern Schädliches? Was unterlassen die Eltern an Notwendigem? • Welche schädlichen Folgen beim Kind bzw. beim Jugendlichen sind bereits sichtbar oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten? • Gesamtbewertung? Liegt eine Gefährdung vor? Gefährdungsabwendung • Wie gravierend erscheint die Gefährdung zu sein bzw. wie dringend sind welche Schutzmaßnahmen einzuleiten? • Sind die Erziehungsberechtigten in der Lage und bereit, die Gefährdung zu erkennen und (ggf. mit Unterstützung bzw. geeigneten Hilfen) abzuwenden? • Welche Maßnahmen zur Abwendung der Gefährdung sind notwendig und geeignet? • Wie und in welchen Zeitfenstern erfolgt die Kontrolle zur Wirksamkeit der Maßnahmen? Abbildung 1: Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte. Bild: Abbildung 1: Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte. ZBFS-BLJA zunächst mit dem Minderjährigen und dessen Erziehungsberechtigten zu erörtern und ggf. auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken. Erst wenn die Abwendung einer

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