Mitteilungsblatt_04_2023

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 30 D. h. sie tragen rechtlich die Verantwortung für die Unversehrtheit der betreffenden Kinder bzw. Jugendlichen. Die Garantenstellung besteht solange, wie die fallzuständigen Fachkräfte diese Position/Funktion im Jugendamt ausüben. Die Garantenstellung kann demzufolge weder intern (an Vorgesetzte), noch extern (an freie Träger) abgegeben werden, solange die Fachkraft für die Kinder/Jugendlichen bzw. die Familie aufgrund der organisatorischen Zuordnung fallzuständig ist. Die aus der Garantenstellung resultierenden Garantenpflichten sind jedoch vom Einzelfall abhängig. Beispielsweise hat bei Einsatz eines freien Trägers die ASD-Fachkraft die Pflicht, den Träger sorgfältig auszuwählen und im Rahmen einer engmaschigen Fallsteuerung und Hilfeplanung zu begleiten. Die Voraussetzungen einer strafrechtlichen Verantwortung von Fachkräften, die eine Garantenstellung haben, sind sehr komplex und einzelfallbezogen. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass eine strafrechtliche Verantwortung der fallverantwortlichen Fachkräfte des ASD für Schädigungen von Kindern bzw. Jugendlichen regelhaft nur in Betracht kommt, wenn: • einzelne Schritte der gesetzlichen Vorgaben nach §§ 8a, 42 SGB VIII und dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) trotz festgestellter Erforderlichkeit nicht umgesetzt werden, • es hierdurch zu einer Schädigung des betreffenden Kindes bzw. Jugendlichen kommt, • mit der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der Eintritt der Schädigung sicher hätte verhindert werden können (Kausalität) und • die fallzuständige Fachkraft ein Verschulden trifft, d. h. diese vorsätzlich oder fahrlässig handelt.2 Erfüllen die fallverantwortlichen Mitarbeitenden des ASD die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten, trifft sie im Regelfall kein Verschulden, d. h. eine Strafbarkeit scheidet aus. Zu diesen Sorgfaltspflichten zählen z. B.: • die lückenlose und umfassende Dokumentation der im ASD-Team gewonnenen fachlichen Einschätzung, der erforderlichen Handlungsschritte, der Maßnahmen, die unternommen wurden, um die Handlungsschritte umzusetzen sowie ggf. der Gründe für deren Nichtumsetzung, • die Ausschöpfung aller der ASD-Fachkraft in ihrer Funktion zulässigerweise zur Verfügung stehendenden Möglichkeiten bzw. Mittel, um eine erforderliche Inobhutnahme um- bzw. durchzusetzen, • die unverzügliche und umfassende Einbindung der zuständigen Leitung im Hinblick auf die Gründe, die der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen nach §§ 8a, 42 SGB VIII entgegenstehen, • die lückenlose, zeitnahe Kommunikation mit der Leitung im Hinblick auf (neue) Aspekte, die in Zusammenhang mit einer Gefährdung des Kindeswohls stehen, • die nachvollziehbare Dokumentation aller Handlungsschritte und (Dienst-) Anweisungen der Leitung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Überlastungsanzeige allein die Fachkraft nicht von der Pflicht zur Aufgabenerfüllung befreit. Die Verpflichtung zu größtmöglicher Sorgfalt in der auszuübenden Tätigkeit bleibt bestehen. Die Vorgesetzten bzw. Arbeitgebenden sind aufgrund der ihnen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, vorhandenen Missständen entgegenzuwirken, die verhindern, dass eine Fachkraft die ihr zugeordneten Fälle gemäß den (sozial-)pädagogischen und rechtlich angezeigten Standards bewältigen kann. Garantenstellung von Leitungskräften – Gesamt- und Planungsverantwortung Eine Garantenstellung ergibt sich in Verbindung mit dem jeweiligen Aufgabenbereich jedoch nicht nur für einzelne fallverantwortliche Fachkräfte im ASD, sondern auch für die administrativ verantwortlichen Leitungskräfte. Sorgfaltswidriges Handeln von verantwortlichen Leitungskräften besteht zum einen, wenn sie ihnen mögliche, zulässige Entscheidungen bzw. Handlungen zum Schutz der Kinder bzw. Jugendlichen unterlassen haben. Zum anderen aber auch, wenn sie in ihrer Leitungsrolle anderen Aufgaben, die sich aus der Gesamtverantwortung des Jugendamtes (gem. § 79 SGB VIII) ergeben, nicht hinreichend nachgekommen sind. Zu den Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe3 zählen u. a. ausreichende personelle Kapazitäten von ASD-Fachkräften zu planen und diese I N F O 2 Fahrlässig handelt, wer die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt, d. h. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. 3 Im Rahmen der kommunalen Selbstverantwortung ist innerhalb der Organisation des Jugendamtes festzulegen, welche Aufgaben von welchen Personen zu übernehmen sind bzw. welche Funktionen mit welchen Verantwortlichkeiten einhergehen.

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