Mitteilungsblatt_04_2023

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 7 T H EMA Ausrichtung gemeint. Hierfür müssen nicht nur die im nächsten Abschnitt näher betrachteten Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und deren Eltern berücksichtigt werden, sondern auch die strategischen Ziele der Jugendhilfeplanung. Diese können zum einen aus den Vorgaben des SGB VIII und zum anderen aus den örtlich definierten (strategischen) Zielen der Jugendhilfeplanung abgeleitet werden. Im Bereich der Kindertagesstätten- und Ganztagsplanung wird in den Austauschformaten des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt immer wieder deutlich, dass z. B. die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit (drohender) Behinderung in den Planungen oft keine Rolle spielen. Dies ist unvereinbar mit dem in § 80 Absatz 2 SGB VIII definierten Auftrag, Einrichtungen und Dienste so zu planen, dass junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte junge Menschen mit jungen Menschen ohne Behinderung gemeinsam unter Berücksichtigung spezifischer Bedarfslagen gefördert werden. Aus dem Leitbild Inklusion können zudem natürlich noch weitere Planungsziele abgeleitet werden. Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zur Beteiligung Die Befragungsergebnisse liefern an mehreren Stellen Hinweise darauf, dass Planungen teils zum „Selbstzweck“ werden. Das heißt, dass Planungen zwar durchgeführt werden, aber zu keinerlei Veränderung in der Jugendhilfelandschaft führen. Die Gründe hierfür können sehr unterschiedlich sein: Zum einen zeigt der Austausch mit Fachkräften, dass Planungen teils nach der quantitativen Datenerhebung und gegebenenfalls Interpretation durch die Fachkraft enden. Zum anderen scheint oft die Legitimation für Planungsprozesse zu fehlen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die fehlende Beteiligung des Jugendhilfeausschusses als auch – so zeigen die Befragungsergebnisse – im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Einbezug der Betroffenen und der Schnittstellen. Jugendhilfeplanung mit der reinen Erhebung und ggf. Teilinterpretation quantitativer Daten gleichzusetzten, steht im Widerspruch zu der in der Fachwelt weitgehend einheitlich vertretenen Haltung, dass die Bedarfsermittlung im Rahmen der Jugendhilfeplanung ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen verschiedenen Anliegen und Interessen ist, die transparent gemacht werden müssen. Bedarfsgerechtigkeit erfordert, die Adressatensicht in ausreichender Art und Weise im Planungsprozess zu berücksichtigen. Hierzu werden Beteiligungsprozesse zur Bedarfsermittlung benötigt. Gemäß der gesetzlichen (Planungs-) Grundlagen sind sowohl die Betroffenen selbst, als auch die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe frühzeitig zu beteiligen. Dies beinhaltet auch Netzwerkarbeit und umfassende Interaktionsprozesse. Erst das Ergebnis dieser Aushandlungsprozesse liefert die Grundlage für konsensfähige Handlungsempfehlungen. Die Befragungsergebnisse zeigen ein heterogenes Bild hinsichtlich der Beteiligung an Jugendhilfeplanungsprozessen: Insbesondere Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten werden aus Sicht der Planungsfachkräfte vielerorts als nicht ausreichend erachtet. Am häufigsten werden Fachkräften aus den Jugendämtern ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten bescheinigt. Sowohl bei Fachkräften aus dem Jugendamt als auch bei pädagogischen Fachkräften freier Träger ist davon auszugehen, dass diese als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren indirekt die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten in den Planungsprozess einbringen und damit eine mittelbare Beteiligung von Adressatinnen und Adressaten erfolgt. Auch wenn Oettler/Pudelko einen Beteiligungsprozess, in dem über Adressatinnen und Adressaten lediglich aus Sicht von Expertinnen und Experten gesprochen wird, als unzureichend bewerten (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 171f.) müssen hier Planungsressourcen und Erfolgsaussichten in Bezug gesetzt werden. Nichtsdestotrotz: Gut 70 % der Planungsfachkräfte stimmen (teilweise) der Aussage zu, dass im Hinblick auf Beteiligung eine Diskrepanz zwischen dem fachlichen und gesetzlichen Anspruch besteht. Oettler/Pudelko formulieren zum Thema Beteiligung/ Partizipation in der bundesweiten Erhebung „einen Auftrag an die Wissenschaft, Beteiligungsprozesse in der Praxis zu evaluieren und dabei nicht nur gelingende Faktoren herauszuarbeiten, sondern auch zu untersuchen, aus welchen Gründen Beteiligung scheitert“ (Oettler/ Pudelko 2023: 175).

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