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Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend
„In der kleinen Welt, in welcher Kinder leben, gibt es nichts,
was so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, wie Ungerechtigkeit.“
Charles Dickens
Das Team der Beratungsstelle bietet allen Menschen mit Heimerfahrung aus
- der Kinder- und Jugendhilfe
- der Behindertenhilfe
- den psychiatrischen Einrichtungen und
- den ehemaligen Erholungs- und Kurheimen (Verschickungskindern)
und deren Angehörigen, sowie Fachkräften (psychosoziale) Beratung an.
Was wir anbieten:
An uns können sich grundsätzlich alle wenden, die über ihre Probleme, Erlebnisse und Ihre Vergangenheit in stationären Einrichtungen sprechen möchten:
- Wir beraten Sie ressourcenorientiert in einem geschützten Rahmen.
- Wir unterstützen Sie bei der Aktensuche und stehen Ihnen zur Seite, sich mit Ihrer Geschichte auseinanderzusetzen (Biografie-Arbeit) und dabei die Vergangenheit aufzuarbeiten.
- Wir vermitteln begleitend bei Bedarf an weiterführende Hilfen und Unterstützungsangeboten.
- Wir beraten kostenfrei, absolut vertraulich (Schweigepflicht) und auf Wunsch anonym.
- Wir beraten mit Hilfe von Assistenzleistungen, wie Gebärdendolmetscher (DGS, LBG).
- Wir wirken und gestalten an überindividuellen Aufarbeitungsprozessen mit.
- Bei uns gibt es keine finanziellen Leistungen. Wir informieren Sie gern über finanzielle Leistungen anderer Träger.
Zur Pressemeldung (14.02.2023).
So erreichen Sie uns:
Bei Fragen und zur Terminvereinbarung für ein Beratungsgespräch können Sie uns telefonisch oder per E-Mail erreichen. Die Beratungsgespräche finden nach Vereinbarung persönlich vor Ort, telefonisch oder per Videotelefonie statt. Aus gesundheitlichen Gründen, kann ein Hausbesuch vereinbart werden.
Unsere Telefonzeiten sind:
Montag: 10 - 12 Uhr
Dienstag: 08 - 10 Uhr
Mittwoch: 18 - 20 Uhr
Donnerstag: 14 - 16 Uhr
Freitag: 10 - 12 Uhr
ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt
Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend
Winzererstraße 9
80797 München
Tel.: 089 124793 2505
Fax: 089 124793 2029
E-Mail: bmh@zbfs.bayern.de
Vergangene Hilfesysteme
Die aktuelle Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend ist ausfolgenden Hilfesystemen hervorgegangen.
Fonds Heimerziehung
2006 reichten ehemalige Heimkinder eine Petition beim deutschen Bundestag ein. Nachdem sich der Petitionsausschuss mit der Thematik beschäftigt hatte, wurde die Einsetzung eines Runden Tisches beschlossen. Dieser empfahl die Einrichtung von regionalen Anlauf und Beratungsstellen (Mosser et. al 2018, S.7).
2012 errichteten Bund, die Länder und die Kirchen die Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" und "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990".
Die Fonds Heimerziehung halfen Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht waren und dort Leid und Unrecht erfahren haben. Die beiden Fonds Heimerziehung existierten von 2012 bis 2018. Die Anmeldefrist endete am 31.12.2014.
Individuelle Aufarbeitung
In den Beratungsstellen, die auf die Bundesländer verteilt waren, fanden persönliche Gespräche statt und sie waren für die Leistungsabwicklung bei den einzelnen Betroffenen zuständig. Am 01.01.2012 wurde unter der Trägerschaft des ZBFS – Bayerischen Landesjugendamtes die „Regionale Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern“ errichtet. In der Anlaufstelle arbeiteten bis zu zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Teilzeit und Vollzeit) „Der Schwerpunkt der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lag auf psychosozialer Beratungskompetenz. “ (ZBFS/BLJA 2018, S. 27)
Zusätzlich konnten die ehemaligen Heimkinder Sachleistungen in Höhe von 10 000 Euro erhalten. Die Sachleistungen sollten den Alltag der Betroffenen erleichtern und mussten in Bezug zu den Erfahrungen in den Heimen stehen. Darüber hinaus konnten Rentenersatzleistungen in unbegrenzter Höhe für sozialversicherungspflichte, geleistete Arbeit im Heim gewährt werden.
Über 3.000 Menschen nahmen mit der bayerischen Anlaufstelle Kontakt auf. Mit 2.610 Personen wurden Leistungen vereinbart. Davon sind 3.656 Vereinbarungen über Sachleistungen im Wert von 25.253.550,22 Euro und 1.389 Vereinbarungen über Rentenersatz im Wert von 9.257.100,00 Euro. Die Höhe der gesamten Auszahlungen in Bayern bis 31.07.2018 beträgt 34.510.650,22 Euro (ZBFS/BLJA 2018, S.25).
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufarbeitung
- Heimkinder zwischen 1949 und 1975 und die Beratungs- und Unterstützungsarbeit der bayerischen Anlaufstelle (im Rahmen des Fonds Heimerziehung) - Bericht der Evaluation (bayern.de)
- Ehemalige Heimkinder: "Aufarbeitung muss weitergehen" | BR24
- Die verlorene Kindheit der ehemaligen Heimkinder | BR24
- Aufarbeitung hält sich an kein Datum“ (rummelsberger-diakonie.de)
- Abschlussbericht Regionale Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern
Stiftung Anerkennung und Hilfe
Im Jahre 2017 errichteten die Länder, der Bund sowie die evangelische und katholische Kirche die Stiftung Anerkennung und Hilfe. Sie richtete sich an Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in der Zeit vom 23.05.1949 bis zum 31.12.1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. vom 07.10.1949 bis zum 02.10.1990 in der DDR in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe oder stationären psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren und dort Leid und Unrecht erlebt haben.
Die Anmeldefrist endete am 30. Juni 2021 und die Laufzeit wurde bis zum 31.12.2022 verlängert.
Individuelle Aufarbeitung
Die Beratungsstellen waren nach dem Wohnortprinzip auf die Bundesländer verteilt. Die bayerische Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe, beim ZBFS-BLJA nahm am 01. April 2017 ihre Arbeit auf.
Die Anmeldungen verliefen erst zögerlich. Ein Grund hierfür lag in der Erreichbarkeit der Betroffenen, die oft weiterhin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe leben. Diese waren von den Informationen ihrer Einrichtung und deren Unterstützung bei der Anmeldung abhängig.
Ab Januar 2018 verdoppelt sich die Zahl der Anmeldungen. Die Öffentlichkeitsarbeit zeigte ihre Wirkung. Betroffene selbst, deren rechtliche Betreuer und Betreuerinnen oder Einrichtungspersonal meldeten sich zunehmend in der Anlauf- und Beratungsstelle. Die größte Gruppe bildeten dabei Menschen mit Hörbehinderung. Durch Verbände, Vereine und Beratungsstellen sind sie in Bayern sehr gut vernetzt.
Eine weitere große Gruppe sind Menschen, die bis heute stationär in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben. Die Einrichtungen, die sich selbst mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, wiesen auf die Arbeit der Stiftung hin und vermittelten so zwischen der Anlaufstelle und den Betroffenen.
Aufgrund gestiegener Anmeldezahlen wurden 2019 und 2020 weitere Berater und Beraterinnen eingestellt. Um die vielen traumatischen Erlebnisse der Betroffenen sensibel aufzuarbeiten und behutsam unterstützen zu können, lag der Schwerpunkt hinsichtlich der Qualifikation der Beratungsfachkräfte in psychosozialer Beratungskompetenz.
Die Betroffenen konnten eine personenbezogene einmalige Geldpauschale von 9.000,00 Euro erhalten. Zusätzlich konnten bis zu 5.000,00 Euro ausbezahlt werden, wenn sie zwischen ihren 14. Lebensjahr und ihrer Volljährigkeit in den Einrichtungen arbeiteten, ohne dass dafür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
Bei der bayerischen Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe gab es 2.743 Anmeldungen. Für 2.309 Betroffene wurden finanzielle Leistungen beantragt. Insgesamt wurden in Bayern 25.581.400,00 Euro ausbezahlt (Stand 31.12.2022).
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufarbeitung
- Stiftung Anerkennung und Hilfe - Wissenschaftliche Aufarbeitung (stiftung-anerkennung-und-hilfe.de)
- Stiftung Anerkennung und Hilfe - Veranstaltungen (stiftung-anerkennung-und-hilfe.de)
- Stiftung Anerkennung und Hilfe: Wiedergutmachung für ein dunkles Kapitel? | Sehen statt Hören | BR Fernsehen | Fernsehen | BR.de
- Soziales - Berlin - Gut 1200 frühere Heimkinder erhalten Anerkennungsleistung - Bayern - SZ.de (sueddeutsche.de)
Bayerische Anlauf und Beratungsstelle für Ehemalige Heimkinder
Von 2018 bis Ende 2022 gab es die Bayerische Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder. Diese führte zum einen persönliche Beratungsgespräche mit ehemaligen Heimkindern, hatte aber auch das Ziel, die Arbeit des Betroffenen-Beirats zu begleiten und zu fördern. Zusammen mit ehemaligen Heimkindern wurden Themen in den Blick genommen, die zur gesellschaftlichen und überindividuellen Aufarbeitung des Leid und Unrechts im Heimkontext beitragen sollten.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Sensibilisierung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit bezüglich der Thematik Missbrauch im Heim.
Unter aktiver Teilhabe der ehemaligen Heimkinder ist in diesen Jahren das Kunstwerk „In the name of“ entstanden. Das Kunstwerk des Künstlers Bruno Wank wurde im Februar 2023 auf den öffentlichen Liegenschaften des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales aufgestellt.
Literaturverzeichnis:
Mosser, P., Dill, H., Hackenschmied, G. & Straus, F. (2018): Heimkindheiten zwischen 1949 und 1975 und die Beratungs- und Unterstützungsarbeit der bayerischen Anlaufstelle (im Rahmen des Fonds Heimerziehung). IPP-Arbeitspapiere Nr. 13. München: IPP.
Zentrum Bayern Familie und Soziales -ZBFS / Bayerisches Landesjugendamt – BLJA (2018): Abschlussbericht. Regionale Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern, München, Eigenverlag.
Kunstwerk "In the Name of" vor dem BLJA
Auf den Aufruf des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt zur Teilnahme am künstlerischen Wettbewerb "Heimkindheiten - Leid und Verantwortung?" haben sich insgesamt 47 Künstlerinnen, Künstler und Künstlergemeinschaften beworben.
Zur Abgabe eines Entwurfes in der zweiten nicht offenen Phase des Wettbewerbes, wurden sieben Künstlerinnen, Künstler und Künstlergemeinschaften eingeladen:
Herr Joscha Bender
Frau Catrin Bolt
Herr Ulrich Hakel
Frau Dagmar Korintenberg und Herr Wolf Kipper
Herr Lutz-Rainer Müller und Herr Stian Adlandsvik
Frau Patricia Pisani
Herr Bruno Wank
In der Jurysitzung am 01. Juli 2022 wurden folgende Platzierungen der Entwürfe festgelegt:
1. Herr Bruno Wank - "In the Name of"
2. Frau Catrin Bolt - "Heim Kinder Überraschung"
3. Herr Joscha Bender - "Was ist Heimat?"
Die Jury hat den Entwurf von Herrn Bruno Wank zur Realisierung vorgeschlagen. Herr Bruno Wank wurde vom Auslober mit der Umsetzung beauftragt.
Am Mittwoch, den 01.03.2023, wurde mit Spannung und Freude vor dem ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt in der Winzererstraße das Kunstwerk "In the name of" des bekannten Künstlers Bruno Wank aufgestellt.
Die Skulptur "In the Name of" des Künstlers Bruno Wank
Bild: Jagoda Hoppel/ZBFS-BLJA
Das Kunstwerk schafft einen Erinnerungsort für die Leid- und Unrechtserfahrungen der jungen Menschen von damals in den Einrichtungen der Jugendfürsorge, der Behindertenhilfe, aber auch der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Kur- und Erholungsheime. Es soll ein Gedenkort für alle von Leid und Unrecht betroffenen ehemaligen Heimkinder sein und gleichzeitig Mahnmal für die heutige Generation, damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt.
Die offizielle Einweihung fand am 12.05.2023 statt.
Hier geht es zur Pressemeldung des StMAS.
Weitere Hilfesysteme:
KINDERSCHUTZ München
Zur Aufarbeitung der Heimerziehung, Pflege und Adoption von Kindern und Jugendlichen ab 1945 hat die Landeshauptstadt München eine unabhängige Expert*innenkommission einberufen, die sich an alle Personen richtet, die von der Stadt München bzw. dem Jugendamt München in einem Heim und/oder in einer Pflege- und/oder Adoptivfamilie untergebracht wurden und dort Gewalt und/oder Missbrauch (wie z.B. psychische und physische Gewalt, Behördengewalt, sexueller Missbrauch, etc.) erfahren haben.
Anlaufstelle für Betroffene
Betroffene, die Ansprüche auf Soforthilfe und Anerkennungsleistungen stellen möchten, können sich an folgende Stelle wenden:
Anlaufstelle für Betroffene
E-Mail: anlaufstelle@kinderschutz.de
Telefon: 089 231716-9170
www.kinderschutz.de/anlaufstelle