Grundsätze für die Anerkennung von Trägern der freien Ju­gendhilfe nach
§ 75 SGB VIII

der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden vom
7. September 2016

1. Vorbemerkungen

1.1. Funktion der Anerkennung

Gemäß § 75 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Ju­gendhilfe (SGB VIII) können juristische Personen und Personenvereinigungen als Träger der freien Ju­gendhilfe anerkannt werden. Ausweislich der Regierungsbegründung zu § 75 SGB VIII soll „die Anerkennung nicht mehr als Fördervoraussetzung dienen, son­dern Be­deutung für die (institutionelle) Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe erhalten. Neben der Verfassungsgewähr spielt daher der Gedanke der Kontinuität eine wesentliche Rolle“ (vgl. BT-Drs, 11/5948/1989).

Die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII gewährt daher nunmehr

  • Vorschlagsrechte für Jugendhilfe- und Landesjugendhilfeausschüsse (§ 71 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 4 Satz 1 SGB VIII) sowie
  • Rechte auf Beteiligung und Zusammenarbeit (z. B. §§ 4 Abs. 2, 76 Abs.1, 78, 80 Abs.3 SGB VIII).

Nach Inkrafttreten des SGB VIII ist für eine Förderung die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Ebenso wenig kann aus der einmal ausgesprochenen Anerkennung ein Rechtsanspruch auf Förderung ab­geleitet werden. Etwas anderes gilt nur für die auf Dauer angelegte Förderung, diese setzt `in der Regel` eine Anerkennung voraus (§ 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).

Die Rechtswirkungen der Anerkennung reichen weit über die bloße Feststellung der „Förderungswürdigkeit“ hinaus. Nicht jede geförderte Gruppe oder Initiative soll aus der Tatsache einer (vielleicht einmaligen) Förderung das Recht herleiten können, Vorschläge für den Jugendhilfeausschuss bzw. den Landesjugendhilfeausschuss machen zu dürfen oder etwa an einer Jugendhilfeplanung beteiligt zu werden. Viel­mehr ist - neben anderen Bedingungen - von einem anzuerkennenden Träger dar­zulegen, dass aufgrund seiner fachlichen und personellen Voraussetzungen er­wartet werden kann, dass er „einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande“ ist (vgl. § 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).

Bereits kraft Gesetzes sind gemäß § 75 Abs. 3 SGB VIII anerkannt:

  • Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie
  • die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege.

Dies gilt nicht für die ihnen angehörenden Jugendverbände und Jugendgruppen.

Entsprechende Regelungen sind in den Ausführungsgesetzen der Länder für die auf Landesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege ge­trof­fen worden.

1.2. Träger der freien Jugendhilfe

Das SGB VIII hat bewusst auf eine Definition des Begriffs "Träger der freien Ju­gend­hilfe" verzichtet, um die Vielfalt der Erscheinungsformen der freien Ju­gend­hilfe nicht unnötigerweise zu beschränken. Als Träger der freien Jugendhilfe sind dem­nach alle Rechtssubjekte anzusehen, die Leistungen der Jugendhilfe er­brin­gen, soweit sie nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind oder sonst als öffentliche Kör­per­schaf­ten Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe wahrnehmen (z. B. §§ 82, 85 Abs. 5, 69 Abs. 5 SGB VIII). Grundsätze für die Anerkennung von Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII

Neben den im Gesetz ausdrücklich genannten Kategorien von Trägern der freien Jugendhilfe, nämlich den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (§ 75 Abs. 3 SGB VIII) sowie den Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend (§§ 11 Abs. 2 Satz 1, 12 SGB VIII) können daher auch andere juristische Personen (wie z. B. der eingetragene Verein, die GmbH oder eine Stiftung) oder Personenvereinigungen (wie der nicht eingetragene Verein oder die Gesellschaft bürgerlichen Rechts) Träger der freien Jugendhilfe sein.

2. Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 75 Abs.1 SGB VIII

2.1. Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII)

2.1.1. Der anzuerkennende Träger muss selbst auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig sein, d. h. selbst Leistungen erbringen, die unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe beitragen. Nicht ausreichend wäre es, wenn ein Trä­ger sich nur darauf beschränken würde, bestimmte kinder- und jugendpolitische For­de­run­gen gegenüber Politik und Öffentlichkeit oder gegenüber der Praxis der Jugendhilfe zu vertreten. Als Leistungen, die mittelbar der Jugendhilfe dienen, kom­men nur solche in Betracht, die speziell auf die pädagogischen Ziele des SGB VIII ausgerichtet sind, nicht etwa nur auf die Schaffung äußerer Rah­men­be­din­gun­gen (z. B. Bereitstellung von Räumen) sowie auf die Vermittlung fachspezifischer Kenntnisse oder auf eine reine Leistungsförderung.

2.1.2. Als Träger der freien Jugendhilfe können nur solche Träger an­er­kannt wer­den, die sich nicht auf die Vermittlung einzelner Kenntnisse und Fähigkeiten be­schrän­ken, sondern die Entwicklung junger Menschen zu einer eigen­ver­ant­wort­lichen und ge­mein­schafts­fähigen Persönlichkeit zum Ziel haben (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII).

2.1.3. Durch den Verweis auf § 1 SGB VIII wird deutlich, dass das gesamte Ziel-, Adressaten- und Aufgabenspektrum des SGB VIII als mögliche Betätigungsform in Frage kommt. Daher ist eine Anerkennung auch dann zulässig, wenn sich die Tätigkeit des freien Trägers nur auf einen bestimmten Teilbereich der Jugendhilfe erstreckt.

2.1.4. Außerdem müssen Träger der freien Jugendhilfe nicht ausschließlich oder überwiegend Aufgaben der Jugendhilfe erfüllen. Die Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe muss aber sowohl

  • nach der Satzung bzw. nach dem Gesellschaftsvertrag als auch
  • in der praktischen Arbeit

als ein genügend gewichtiger, von anderen Aufgaben abgegrenzter Schwerpunkt erscheinen.

Im Anerkennungsbescheid sollte in diesen Fällen zum Ausdruck kommen, auf welche vom Träger wahrgenommenen Aufgaben der Jugendhilfe sich die An­er­ken­nung bezieht.

2.1.5. Nicht anerkannt werden können Träger, die außerhalb der Jugendhilfe lie­gen­de Ziele ver­fol­gen, selbst wenn sie mit ihren Angeboten zum Teil auch junge Men­schen ansprechen. Deshalb sind z. B. nicht als Träger der freien Jugendhilfe anzusehen:

  • Vereinigungen, die ihre Angebote ohne jugendspezifische Zielsetzung sowohl an Erwachsene wie an Jugendliche richten oder kommerzielle Zwecke ver­folgen,
  • Träger der Erwachsenenbildung, sofern sie nicht auch Aufgaben der Ju­gend­hil­fe (z. B. Familienbildung) wahrnehmen,
  • Vereinigungen, die außerhalb der Aufgaben der Jugendhilfe liegende all­ge­meine Aufklärung und Information anbieten,
  • Träger deren Tätigkeit sich auf eine unterrichtsunterstützende sozial­päda­go­gische Förderung oder auf außerhalb der Jugendhilfe liegende Ziele im Bildungsraum der Schule und Hochschule konzentriert (z.B. Schülergruppen und Schülerverbände sowie Studentenvereinigungen),
  • Jugendpresseverbände, soweit sie überwiegend auf die Schule ausgerichtet sind,
  • Jugendorganisationen politischer Parteien sowie Jugendorganisationen , die mit politischen Parteien verbunden sind,
  • Vereinigungen, die überwiegend der Lehre und Verbreitung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft dienen.

2.2. Verfolgung gemeinnütziger Ziele (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII)

Voraussetzung der Anerkennung ist, dass der Träger gemeinnützige Ziele verfolgt. Obwohl darunter "nicht die Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts ver­stan­den" wird (vgl. BT-Drs. 11/6748/1990), sprechen verfahrensökonomische Gründe dafür, die Verfolgung gemeinnütziger Ziele dann anzunehmen, wenn der Träger von der zuständigen Steuerbehörde (zumindest vorläufig) als gemeinnützig erkannt worden ist.

Fehlt eine steuerrechtliche Gemeinnützigkeitserklärung, muss geprüft werden, ob die vom Träger gemachten Angaben die Annahme rechtfertigen, der Träger verfolge gemeinnützige Ziele. Die von der Abgabenordnung (A0) in den Vorschriften über "steuerbegünstigte Zwecke" (§§ 51 - 68) entwickelten Prüfmaßstäbe sind in diesen Fällen sinngemäß anzuwenden.

Daraus ergibt sich insbesondere:

  • Die Tätigkeit des Trägers darf nicht nur einem geschlossenen Kreis von Mit­glie­dern oder anderer begünstigter Personen zugutekommen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO).
  • Die Tätigkeit darf nicht in erster Linie auf eigenwirtschaftliche Zwecke (Ge­win­ner­zie­lung) ausgerichtet sein. Insbesondere dürfen den Mitgliedern Ge­winn­an­teile weder in offener noch in verdeckter Form, z. B. durch unverhältnismäßig hohe Vergütung, zufließen (§ 55 Abs. 1 AO).
  • Die wesentlichen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit müssen aus dem Organisationsstatut ersichtlich sein (§ 59, 60 AO). Um ihre Einhaltung zu ge­währ­lei­sten, muss im Or­ga­ni­sa­tions­sta­tut auch eine ausreichende in­ner­ver­band­liche Rechnungsprüfung und eine Rechenschaftspflicht ge­gen­über den Mitgliedern vorgesehen sein. Die tatsächliche Geschäftsführung muss diesen Bestimmungen entsprechen (§ 63 Abs. 1 AO). Dazu gehört u. a. dass über Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt werden.
  • Bei Auflösung des Trägers darf das Vermögen nur für gemeinnützige Zwecke verwendet werden bzw. anderen gemeinnützigen Trägern für gemeinnützige Zwecke übertragen werden ( § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO).

2.3. Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Fachlichkeit des Träger (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII)

Eine Anerkennung darf nur ausgesprochen werden, wenn der Träger aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lässt, dass er einen nicht un­we­sent­lichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten im­stan­de ist (vgl. § 75 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) und von ihm eine maßgebende Be­tei­li­gung an der Jugendhilfeplanung und anderen Formen der Zusammenarbeit erwartet wer­den kann.

Für die Beurteilung des Kriteriums "nicht un­we­sent­licher Beitrag" kommt es dem­nach darauf an, die Leistung des betreffenden Trägers in quantitativer und qua­li­ta­ti­ver Hinsicht zu bewerten und mit dem Gesamtumfang der be­darfs­not­wen­digen und bereits vorhandenen Jugendhilfeleistungen im jeweiligen Arbeitsfeld in Vergleich zu setzen. Je nach Größe und sonstigen Verhältnissen des (Jugend-Grundsätze für die Anerkennung von Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII /Landesjugend-) Amtsbezirks, in dem der Träger tätig ist, ergeben sich daraus unterschiedliche Be­ur­teilungs­maßstäbe. Nicht jeder Träger, der auf örtlicher Ebene wesentliche Bei­trä­ge leistet, kann deshalb schon beanspruchen, auch auf über­ört­licher Ebene anerkannt und etwa an der Jugendhilfeplanung beteiligt zu werden.

Ungeachtet der Frage der quantitativen Gewichtung (die sich allenfalls in lan­des­recht­lichen Ausführungsbestimmungen näher konkretisieren lässt) können zur Be­ur­tei­lung der Leistungsfähigkeit des Trägers jedenfalls folgende Kriterien her­an­ge­zogen werden:

  • Art und Umfang der durchgeführten Maßnahmen,
  • Zahl der Mitglieder bzw. Teilnehmer und Teilnehmerinnen,
  • Zahl und Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,
  • Zusammenarbeit mit dem (Landes-) Jugendamt und anderen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe,
  • Solidität der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Verhältnisse.

Eine sichere Beurteilung dieser Kriterien ist in der Regel erst möglich, wenn der freie Träger über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr kontinuierlich tätig gewesen ist.

2.4. Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII)

2.4.1. Schließlich wird vom Träger die Gewähr für eine den Zielen des Grund­ge­setzes förderliche Arbeit verlangt. Die Verfassungsrechtsprechung hat es bislang vermieden, die "Ziele des Grundgesetzes" enumerativ aufzuzählen. Im Kernbereich bedeuten sie jedoch die spezifisch liberalen und demokratischen Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung, also das, was für eine freiheitliche Demokratie wesensnotwendig ist. Das Bundesverfassungsgericht beschreibt sie als eine Gewalt und Willkür ausschließende "rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit", zu deren grundlegenden Prinzipien mindestens zu rechnen sind "die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die freie Volks­sou­ve­räni­tät, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetz­mäßig­keit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit aller politischen Parteien mit dem Recht auf ver­fas­sungs­mäßige Bildung und Ausübung einer Opposition" (BVerfGE 2, 12 f.).

Die Erfüllung von Aufgaben der Jugendhilfe im Sinne eines umfassenden Er­zie­hungs­auf­trages, wodurch junge Menschen befähigt werden, ihre Anlagen und Fähig­kei­ten zu entwickeln, ihre Persönlichkeit zu entfalten, die Würde des Men­schen zu achten und ihre Pflichten gegenüber den Mitmenschen in Familie, Ge­sell­schaft und Staat zu erfüllen, bietet in der Regel Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit.

2.4.2. Träger, die Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen und sich dabei in be­son­de­rem Maße der politischen Bildung von jungen Menschen widmen, müssen dar­über hinaus in ihrer Arbeit das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass die freiheitliche Demokratie in der Prägung durch das Grundgesetz ein ver­tei­di­gungs­wertes und zu erhaltendes Gut ist, an dessen Gestaltung und Verwirklichung zu arbeiten Aufgabe aller Bürger sein muss.

Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Ver­hält­nis­sen, auch Kritik an Staatsorganen und bestehenden Gesetzen, nicht aus, solange und soweit die freiheitliche demokratische Grundordnung und die un­ver­än­der­ba­ren Grundsätze der Verfassungsordnung nicht in Frage gestellt Grundsätze für die Anerkennung von Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII werden [vgl. BVerfGE 39, 334 (347 f.), BVerw-GE 47, 330 (343), BVerwGE 55, 232 (237 ff.)1].

2.4.3. Eine Versagung der Anerkennung ist gerechtfertigt, wenn der Träger sich nur nach der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag zu den Grundprinzipien der Ver­fas­sung bekennt, in der praktischen Arbeit dagegen verfassungsfeindliche Ziele verfolgt (z. B. Missachtung der Menschenrechte, des Rechts auf Leben und der Ent­fal­tung der Persönlichkeit, der Volkssouveränität oder Gewaltenteilung) oder gar die Durchsetzung seiner Ziele mit Gewalt oder durch Begehung strafbarer Handlungen betreibt. Auch die Anknüpfung an mit der Verfassung unvereinbare Traditionen, z. B. in Namen, Symbolik oder Sprache, kann eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit ausschließen.

3. Besonderheiten bei der Anerkennung von Jugend­ver­bän­den und Jugendgruppen (§ 12 Abs. 1 und 2 SGB VIII) als Träger der freien Jugendhilfe

An Jugendverbände und Jugendgruppen stellt das SGB VIII besondere begriffliche Anforderungen (§ 12 Abs. 2) und knüpft daran besondere Rechtsfolgen (§§ 12 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 2). Deshalb ist es notwendig, im Anerkennungsbescheid ggf. eine Feststellung darüber zu treffen, ob es sich bei dem Träger um einen Jugendverband oder eine Jugendgruppe handelt.

Jugendverbände und Jugendgruppen sind Zusammenschlüsse, in denen Jugend­arbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mit­ver­ant­wortet wird. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegt und in der Regel auf die ei­ge­nen Mit­glie­der ausgerichtet; sie kann sich aber auch an Nichtmitglieder wenden. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und In­te­res­sen junger Menschen zum Ausdruck gebracht (§ 12 Abs. 2 SGB VIII).

Bei der Anerkennung eines Jugendverbandes bzw. einer Jugendgruppe als Träger der freien Jugendhilfe sind daher folgende Besonderheiten zu beachten:

3.1. Die Tätigkeit des Jugendverbandes bzw. der Jugendgruppe muss eigen­ver­ant­wort­lich (§ 12 Abs. 1 SGB VIII) und selbstorganisiert (§ 12 Abs. 2 S. 1 SGB VIII) sein; ist der Jugendverband bzw. die Jugendgruppe in eine Er­wach­se­nen­or­ga­ni­sa­tion eingegliedert, muss daher die Eigenständigkeit im Verhältnis zur Er­wach­se­nen­or­ga­ni­sa­tion gewährleistet sein. Dies wird insbesondere belegt durch:

  • Gewährleistung des Rechts auf Selbstorganisation und Selbstgestaltung in der Satzung des Erwachsenenverbandes,
  • Eigene Jugendordnung oder -satzung
  • Selbstgewählte Organe
  • Demokratische Willensbildung und demokratischer Organisationsaufbau innerhalb des Jugendverbandes bzw. der Jugendgruppe,
  • eigenverantwortliche Verfügung über die für die Jugendarbeit bereitgestellten Mittel.

3.2. In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird die Jugendarbeit ge­mein­schaft­lich gestaltet und mitverantwortet (§ 12 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Dies setzt voraus, dass im Organisationsstatut Regelungen getroffen werden, die eine in­ner­ver­band­liche Willensbildung und eine Organisationsstruktur nach de­mo­kra­ti­schen Grund­sät­zen gewährleisten. Grundsätzlich müssen alle Mitglieder entsprechend ihrem Alter, mindestens aber ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, an der inner­ver­band­lichen Willensbildung beteiligt werden.

Es ist ein Wesensmerkmal demokratisch strukturierter Organisationen, Ver­ant­wor­tung zu teilen und an gewählte Vertreter zu delegieren, diese Delegation aber wiederum von dem Vertrauen aller Mitglieder abhängig zu machen mit der Folge, dass die Übertragung eines Amtes oder einer Funktion widerrufen Grund­sät­ze für die Anerkennung von Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII und der gewählte Vertreter zur Rechenschaft gezogen werden kann.

3.3. Die Arbeit der Jugendverbände und Jugendgruppen muss auf Dauer angelegt sein (§ 12 Abs. 2 S. 2 SGB VIII). Dieses Merkmal unterscheidet sich u. a. von pro­jekt­be­zo­ge­nen Jugendinitiativen, die sich nach Beendigung wieder auflösen. Ein Jugendverband bzw. eine Jugendgruppe zeichnet sich daher durch eine hinreichend feste Organisationsstruktur aus, die die Einheit und Kontinuität des Verbandes un­ab­hän­gig vom Wechsel seiner Mitglieder gewährleistet. Eine bestimmte Rechts­form ist nicht notwendig; das Merkmal der Dauerhaftigkeit ist allerdings bei Vorliegen einer festen Organisationsstruktur (z. B. wenn der Verband die Rechtsform eines eingetragenen Vereins gewählt hat) regelmäßig zu bejahen.

3.4. Die Arbeit eines Jugendverbandes bzw. einer Jugendgruppe ist in der Regel auf die eigenen Mitglieder ausgerichtet, kann sich aber auch an Nichtmitglieder wenden (§ 12 Abs. 2 S. 2 SGB VIII). Durch diese bewusst offene Formulierung wird klar­ge­stellt, dass sowohl innerverbandliche als auch offene Angebotsformen in Frage kommen.

4. Verfahrensfragen

4.1. Landesregelungen

Insbesondere die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist durch Landesrecht zu regeln.

4.2. Besonderheiten bei der Anerkennung von Landesverbänden, Dach­ver­bän­den und Arbeitsgemeinschaften

4.2.1. Bei freien Trägern mit rechtlich unselbständigen Untergliederungen erstreckt sich die Anerkennung in der Regel auch auf ihre Untergliederungen.

4.2.2. Bei freien Trägern mit rechtlich selbständigen Mitgliedsorganisationen oder Untergliederungen kann das Anerkennungsverfahren, sofern dies beantragt wird, auch auf die Mitgliedsorganisationen und Untergliederungen ausgedehnt werden. Dabei muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit die An­er­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen auch bei den Mitgliedsorganisationen und Untergliederungen erfüllt sind.

4.2.3. Der Anerkennungsbescheid muss eindeutig erkennen lassen, ob und in wel­chem Umfang sich die Anerkennung auf Untergliederungen und Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tionen erstreckt.

4.2.4. Für später hinzukommende rechtlich selbständige Mitgliederorganisationen gilt Nr. 4.2.2.

4.3. Räumlicher Wirkungskreis der Anerkennung

Die von der zuständigen Behörde ausgesprochene Anerkennung kann im An­er­ken­nungs­be­scheid auf das Gebiet eines oder mehrerer örtlicher oder überörtlicher Träger beschränkt werden. In diesem Fall oder wenn aus anderen Gründen ein besonderes rechtliches Interesse besteht, bleibt es dem freien Träger un­be­nom­men, auch bei anderen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eine Anerkennung zu beantragen.

4.4. Widerruf der Anerkennung

Die Anerkennung ist zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für die Anerkennung nach § 75 Abs. 1 SGB VIII weggefallen sind.

4.5. Anerkennung von Bundesorganisationen

Bei der Anerkennung von Bundesorganisationen ist zu unterscheiden: Handelt es sich um einen Träger, der zwar bundesweit wirkt, aber keine regionalen Unter­glie­de­run­gen aufweist, so gilt Nr. 4.3 Satz 1. Handelt es sich dagegen um eine Dach­or­ga­ni­sation eines gegliederten Verbandes, so sollte sich die Anerkennung der Bun­des­or­ga­ni­sation durch das Sitzland in der Grundsätze für die Anerkennung von Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII Regel nur auf die Gliederung auf Bun­des­ebene beziehen.

4.6. Länderumfrage

Sowohl für den Fall der Anerkennung eines über das Gebiet eines Landes hinaus wirkenden freien Trägers als auch bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sich in ähnlicher Weise oder in anderen Fällen auch in anderen Ländern stellen können, ist eine Umfrage bei den Obersten Landesjugendbehörden durchzuführen. Wenn ein oder mehrere Bundesländer der Anerkennung widersprechen, sind diese vom räumlichen Geltungsbereich gemäß 4.3. auszunehmen.

4.7. Antragsunterlagen

4.7.1. Der Antrag soll folgende Angaben enthalten:

  • den vollständigen satzungsmäßigen Namen laut Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag;
  • die postalische Anschrift und Telefon (ggf. der Geschäftsstelle);
  • eine ausführliche Darstellung der Ziele, Aufgaben und der Organisationsform;
  • Namen, Alter, Beruf und Anschrift der Mitglieder des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung;
  • Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter;
  • Zahl der örtlichen Gruppen (bei Landesverbänden);
  • Zahl der Mitglieder zum Zeitpunkt der Antragstellung;
  • Höhe des monatlichen bzw. jährlichen Mitgliedsbeitrages;
  • Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Bereich der Jugendhilfe;
  • Angaben zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII und zur Sicherstellung der persönlichen Eignung des Personals (haupt- und ehrenamtlich) nach § 72a SGB VIII;
  • Angaben zur Zusammenarbeit mit anderen Trägern im Bereich der Jugendhilfe.

4.7.2. Dem Antrag soll beigefügt werden:

  • die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag und ggf. die Geschäftsordnung sowie bei Trägern, die Teil einer Gesamtorganisation sind, die Satzung der Gesamtorganisation;
  • Bescheinigung des Finanzamtes über die Gemeinnützigkeit nach der AO;
  • ein Sachbericht über die Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe innerhalb des letzten Jahres vor Antragstellung;
  • das Präventions- und Schutzkonzept des Trägers, u.a. Selbstverpflichtungserklärungen und/oder Vereinbarungen mit dem Jugendamt zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII und zur Sicherstellung von persönlich geeignetem Personal (haupt- und ehrenamtlich) nach § 72a SGB VIII;
  • ein Exemplar der letzten Ausgabe aller Publikationen des Antragstellers;
  • bei eingetragenen Vereinen: Auszug aus dem Vereinsregister; Träger, die nicht als Vereine organisiert sind, haben entsprechende Unterlagen vorzulegen
  • bei Landesverbänden: ein Verzeichnis der dem Landesverband angehörenden Untergliederungen mit deren Anschrift
  • bei Landesverbänden: ein Verzeichnis der dem Landesverband angehörenden Untergliederungen mit deren Anschrift.

5. Schlussbestimmung

Die vorstehenden Grundsätze treten an die Stelle der am 14. April 1994 von der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden beschlossenen Grund­sätze für die öffentliche Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe nach
§ 75 SGB VIII.