Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit dient zur Abgrenzung der räumlichen Leistungsbereiche von Jugendämtern. Sie ermöglicht Behörden und Hilfesuchenden eine erste Orientierung, welcher Träger der öffentlichen Jugendhilfe berechtigt und verpflichtet ist, im Einzelfall Aufgaben der Jugendhilfe zu erfüllen.
Die komplexe Struktur der Jugendhilfe macht allerdings zahlreiche Spezialregelungen erforderlich und unterscheidet zwischen der örtlichen Zuständigkeit für Leistungen und für andere Aufgaben.
Weiter differenziert wird die örtliche Zuständigkeit nach der größtmöglichen Nähe zu den Adressatinnen und Adressaten von Leistungen und anderen Aufgaben.
Örtliche Zuständigkeit für Leistungen
Grundsätzlich knüpft die örtliche Zuständigkeit für Jugendhilfeleistungen für Kinder und Jugendliche an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern an (§ 86 Abs.1 SGB VIII).
Oftmals ist sie jedoch abweichend davon für Teil- oder Rumpffamilien zu beurteilen, in denen die Eltern in unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeitsbereichen wohnen. Hier ist der gewöhnliche Aufenthalt des nach § 86 SGB VIII maßgeblichen Elternteiles für die Bestimmung wichtig.
Bei bestimmten außergewöhnlichen familiären Lebenssituationen ist eine Anknüpfung an den Wohnort eines Elternteiles unter Umständen nicht möglich. In diesen Fällen wird auf den gewöhnlichen Aufenthalt oder den tatsächlichen Aufenthalt des leistungsberechtigten Kindes oder Jugendlichen abgestellt (§ 86 SGB VIII).
Primärer Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige ist deren gewöhnlicher oder tatsächlicher Aufenthalt vor Beginn der Leistung (§ 86a SGB VIII).
Die Zuständigkeit für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder richtet sich grundsätzlich nach dem gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor Beginn der Leistung (§ 86b SGB VIII).
Um im Falle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit (etwa wegen Umzug des Anspruchsberechtigten) einen Bruch in der Leistungsgewährung zu vermeiden, verpflichtet § 86c SGB VIII den bisherigen Träger solange zur Weitergewährung der Leistung, bis der nunmehr zuständige Träger die Leistung fortsetzt.
Auch bei ungeklärter örtlicher Zuständigkeit soll dem jeweiligen Leistungsberechtigten schnellstmöglich Hilfe gewährt werden. Deshalb ist der Träger am tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten im Interesse einer zeitnahen Gewährung von Leistungen bis zu einer endgültigen Klärung vorläufig zuständig (§ 86d SGB VIII).
Örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben
Im Interesse des Kindeswohls kann ein sofortiges Handeln ohne vorherige Prüfung anspruchsbegründender Tatsachen im Rahmen einer Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) nötig sein. Daher wird die örtliche Zuständigkeit für derartige Eilmaßnahmen hier an den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen angeknüpft (§ 87 SGB VIII).
Einrichtungen, die Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreuen wollen, benötigen für den Betrieb einer derartigen Einrichtung eine behördliche Erlaubnis (§ 45 Abs. 1 SGB VIII).
Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung oder selbständigen sonstigen Wohnform ist der jeweilige Standort dieser Einrichtung (§ 87a SGB VIII).
Jugendämter sind verpflichtet, in Verfahren vor den Familien-, Vormundschafts- oder Jugendgerichten (§§ 50, 52 SGB VIII) mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflichten knüpfen die örtliche Zuständigkeit an die Vorschriften über die Gewährung von Leistungen (§§ 86 Abs.1 bis 4 und 86a SGB VIII) entsprechend an (§ 87b SGB VIII).
In bestimmten Konstellationen übernimmt das Jugendamt direkt oder indirekt Verantwortung für die elterliche Sorge für minderjährige Kinder und übernimmt damit teilweise oder auch ganz Rechte und Pflichten, die im Regelfall den leiblichen Eltern zustehen. Dies führt zu Beistandschaften, Pflegschaften oder Vormundschaften (§ 87c SGB VIII). Die Regelungen des § 87c SGB VIII beziehen sich auf unterschiedliche Fallkonstellationen. Zum Teil bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendamts nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter, nach dem Geburtsort oder Aufenthaltsort der minderjährigen Person oder auf andere Anknüpfungspunkte in besonderen Konstellationen.
Jugendämter müssen den Familiengerichten Personen vorschlagen, die sich zur Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften eignen. Pflegerinnen bzw. Pfleger und Vormünder haben einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung (§ 87d SGB VIII). Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt der Vormundin/des Vormunds oder der Pflegerin/des Pflegers.
Abweichende Zuständigkeiten nach Landesrecht
Enthält das Bundesrecht keine konkreten Ausführungen zur Zuständigkeit, um etwa die Selbstverwaltungshoheit der Kommunen nicht anzutasten oder enthält es Ermächtigungsgrundlagen für die Landesgesetzgeber, so können Ausführungsgesetze ergänzende oder konkretisierende Vorschriften enthalten.
Das Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) präzisiert die Vorschriften des Jugendhilferechts in vielen Bereichen und regelt abweichende Zuständigkeiten für unterschiedliche Leistungsbereiche (Art. 42 AGSG).
Aufgaben des Landesjugendamts
Das ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt berät die bayerischen Jugendämter in allen streitigen Fragen zur Zuständigkeit für Leistungen und andere Aufgaben:
- Fragen zur sachlichen Zuständigkeit der Jugendämter und Kooperation mit anderen Sozialleistungsbereichen, vor allem im Bereich des Sozialgesetzbuches.
- Unterstützung in streitigen Fragen betreffend die Klärung der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben.