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der erzieherischen Situation des Kindes die bestmögliche Förderung zu finden und umzuset-
zen. Die Gestaltung der Verfahrensvorschriften im SGB VIII, hier insbesondere das Hilfeplan-
verfahren, räumt den Beteiligten eine privilegierte Mitwirkung an der Ausgestaltung ihrer
Förderung ein, und auch an diesem Punkt sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten er-
hebliche Fortschritte zu beobachten. Neben der Ausgestaltung der Hilfe zur Erziehung lässt
sich dies auch in ganz beachtlicher Weise an der Ausgestaltung des Kinderschutzauftrags
(§ 8a SGB VIII) nachvollziehen.
Diese – für sich betrachtet – erfolgreiche Fokussierung auf den Einzelfall hat allerdings auch
zu einer gewissen Entpolitisierung der Jugendhilfe geführt, wie die kurze Replik auf die ge-
sellschaftspolitischen Ansprüche der „Vor-SGB VIII-Zeit“ zeigt.
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Diese Entwicklung korrespondiert mit einer gleichzeitigen Schwächung der Fachpolitik zu-
gunsten einer tagespolitischen event-Politik. Es ist mittlerweile sehr schwer geworden, aus
fachlicher Sicht überhaupt Anknüpfungspunkte im politischen Betrieb zu finden, wenn die
Themen nicht auf ein gewisses – medial vermitteltes – Erregungsniveau treffen.
Wenn über eine Wiedergewinnung der politischen Aspekte der Kinder- und Jugendhilfe
nachgedacht werden soll, so gelingt dies am ehesten unter der Voraussetzung, dass Kinder-
und Jugendhilfe ein sozialpolitisches Ereignis ist, nicht ein bildungspolitisches Ereignis. Damit
gerät auch vorrangig die sozialpolitische Nachbarschaft der Kinder- und Jugendhilfe in das
Blickfeld, im Weiteren die sozialpolitische Verantwortung für die jungen Menschen und ihre
Familien. Dies soll am Beispiel der Sozialraumorientierung näher erläutert werden.
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Johannes Münder kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er die Phasen des Reformprozesses des SGB VIII als eine
erste Phase „einer breiten und grundsätzlichen Diskussion“, als eine zweite Phase – nach dem Scheitern eines ersten Ge-
setzentwurfs – als Phase der „Zermürbung“ und schließlich die letzte Phase, die zum heutigen SGB VIII führte, als eine Phase
der „Verrechtlichung der Sozialpädagogik“ bezeichnet. Zitiert nach Wabnitz, a.a.O., Seite 33.