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3 Das SGB VIII und neue Herausforderungen

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Die Praxis der Jugendämter ist spätestens seit dem Jahr 2015 weitgehend von der Problema-

tik der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge überlagert. Für viele Jugendämter, die regi-

onal grenznah liegen, wie zum Beispiel in Südbayern, oder die für ihre Regionen eine zentra-

le Erstaufnahmefunktion wahrnehmen, hat die Belastung mit dem zahlenmäßigen Anstieg

die Obergrenze längst überschritten. 2013 lag die Zahl der Inobhuthutnahmen unbegleiteter

minderjähriger Flüchtlinge bei rund 5.600, sie hat sich im Jahre 2014 auf rund 10.400 fast

verdoppelt

31

. Für das Jahr 2015 rechnet der Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige

Flüchtlinge e.V. mit weiteren 30.000 Jugendlichen. „Damit dürften sich mehr als 45.000 un-

begleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland befinden, von denen die meisten einen

Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe haben, hinzu kommen weitere 6.500 junge Volljäh-

rige, die gegenwärtig Leistungen der Jugendhilfe erhalten.“

32

Zum Vergleich: 2011 betrug die

Gesamtzahl aller Inobhutnahmen der Jugendämter rund 38.500 Fälle.

33

Angesichts der aktuellen Situation hat das Parlament im Eilverfahren das „Gesetz zur Ver-

besserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugend-

licher“ beschlossen. Das Inkrafttreten dieser Regelungen war ursprünglich zum 01.01.2016

geplant und wurde dann kurzfristig auf den 01.11.2015 vorgezogen.

34

„Die Einführung einer

gesetzlichen bundesweiten Aufnahmepflicht der Länder ermöglicht eine am Kindeswohl und

dem besonderen Schutzbedürfnis unbegleitet einreisender ausländischer Kinder und Jugend-

licher ausgerichtete Versorgung in Deutschland; Maßstab hierfür ist ein landesinternes und

bundesweites Verteilungsverfahren, das sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendli-

chen orientiert. Am Primat der Kinder- und Jugendhilfe beziehungsweise an der Primärzu-

ständigkeit des Jugendamtes für Erstversorgung, Unterbringung, Clearingverfahren sowie an

der Inobhutnahme anschließende Hilfeleistungen für unbegleitete ausländische Minderjäh-

rige wird festgehalten“.

35

Die Gesetzesbegründung klingt angesichts der tatsächlichen praktischen Möglichkeiten ziem-

lich vollmundig. Die gesetzlichen Regelungen selbst sind rein technischer Natur. Sie regeln

insbesondere die Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auf die Länder

und Kommunen und beziehen sich hinsichtlich der weiteren Jugendhilfeleistungen nur global

31

Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. (Hg.): Inobhutnahmen von unbegleiteten Minderjährigen

im Jahr 2014. Auswertung der Erhebung des Bundesfachverband UMF. Berlin: August 2015.

32

Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.: Über 45.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in

Deutschland. Pressemitteilung vom 22.11.2015.

(http://www.b-umf.de/images/pm_bumf_45000_2015.pdf)

.

33

Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- & Jugendhilfestatistik – AKJ

Stat

(Hg): KOM

DAT

– Kommentierte Daten der Kinder & Ju-

gendhilfe, 15. Jahrgang, September 2012, Heft 2/2012, Seite 10.

34

Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher vom 28.

Oktober 2015. BGBl 2015 Teil I Nr. 42 vom 30. Oktober 2015, Seite 1802 ff.

35

Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Be-

treuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Bundestagsdrucksache 18/5921 vom 07.09.2015, Seite 2.