Table of Contents Table of Contents
Previous Page  21 / 27 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 21 / 27 Next Page
Page Background

19

Es ist kein Zufall, dass in den ostdeutschen Kommunen immer wieder rechtsradikale, frem-

denfeindliche Gruppierungen das kulturelle Leben in einer Gemeinde dominieren. Sie beset-

zen sozusagen den Platz, den eine bis heute nicht ausreichend vorhandene öffentliche und

demokratische Struktur der Jugendarbeit und der Jugendkultur freimachen. „In den ostdeut-

schen Bundesländern war und ist noch immer eine strukturell andere Ausgangslage festzu-

stellen. Unter einem nicht unerheblichen Teil von Jugendlichen haben hier subkulturelle An-

gebote wie rechtsextreme Musik, Skinheadkonzerte, szenetypisches Outfit und expressive

Gewalterlebnisse eine hohe Attraktivität. … Beobachtungen von Experten zeigen …, dass

man es gerade in Dörfern und in den für die ländlichen Gebiete Ostdeutschlands typischen

Kleinstädten mit einer dominanten Jugendkultur zu tun hat ... Darüber hinaus sind die Rah-

menbedingungen für die Jugendarbeit im Allgemeinen und die soziale Arbeit mit rechtsext-

rem orientierten Jugendlichen im Besonderen in den ostdeutschen Bundesländern nicht mit

denen in Westdeutschland zu vergleichen. In den ostdeutschen Bundesländern fehlt es im-

mer noch an gut ausgestatteten Jugendeinrichtungen und vor allem an qualifiziertem Perso-

nal … Von einem gewissen Maß an Fachlichkeit und Kontinuität in der Jugendarbeit kann

deshalb vielerorts nicht ausgegangen werden …“

38

Dabei besteht auf den ersten Blick in den ostdeutschen Ländern eine eher überdurchschnitt-

liche Versorgung mit Einrichtungen und Personal der Jugendarbeit. Auf den genaueren zwei-

ten Blick hin sieht die Situation aber ganz anders aus. Die Ausgaben der Länder und Gemein-

den für die Kinder-und Jugendarbeit sind in Ostdeutschland – mit Ausnahme Brandenburgs –

von 2000-2013 um 20 bis 40 Prozent gesunken. In drei Bundesländern, Mecklenburg-

Vorpommern, Sachsen und Thüringen, wurde das Personal in den Jugendämtern reduziert.

Die ostdeutschen Landesjugendämter wurden in den vergangenen 15 Jahren Zug um Zug als

eigenständige Fachbehörden aufgelöst und mit einer Rumpfausstattung in die obersten Lan-

desjugendbehörden integriert. Damit entfiel eine wesentliche Funktion der Landesjugend-

ämter gerade in den Ländern, in denen ein besonders hoher Entwicklungsbedarf besteht,

nämlich für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in fachlicher Hinsicht und mit

entsprechender Unterstützung (Planung, Fortbildung) zu sorgen. Dementsprechend findet

ein großer Teil der wichtigen kulturellen und sozialen Aktivitäten im Bereich der Jugendar-

beit in zeitlich befristeten Modellprojekten (des Bundes) statt, deren Ansätze und Ergebnisse

interessant sein mögen, die aber wegen mangelnder zeitlicher und regionaler Nachhaltigkeit

eben nicht automatisch dazu führen, dass eine bestandskräftige soziokulturelle Grundstruk-

tur der Jugendarbeit entsteht. Die Berichte hierzu sind eindeutig

39

. Es wird also an der Zeit

sein, dass die verantwortlichen politischen Entscheidungskräfte in den Ländern und Kommu-

nen in Ostdeutschland endlich die Kraft finden, eine wenigstens annähernd ausreichende

Grundstruktur einer demokratisch orientierten Jugendkultur, der Jugendsozialarbeit, der

offene Jugendarbeit usw. herzustellen. Dann wird sich auch das peinliche Problem einer

38

Lynen von Berg, Heinz: Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus – eine Frage politischer Konjunkturen? Zur

Notwendigkeit einer kritischen fachwissenschaftlichen Debatte. In: Deutsche Jugend 11/2005, Seite 467-476.

39

Vgl. hierzu auch die Berichte der Stiftung Demokratische Jugend

: http://www.jugendstiftung.org/