

15
tern entscheidend beeinflussen. Dies gilt in besonderer Weise für Entscheidungen im Bereich
der Stadtentwicklung, der Arbeitsmarktpolitik und der Wohnungspolitik …“
29
.
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB VIII war diese Aufgabenstellung noch durchaus
präsent, wurde sie doch im 8. Jugendbericht ausdrücklich als „Einmischungsstrategie“ her-
ausgehoben.
30
In der Aufgabenbeschreibung der Jugendhilfeausschüsse klingt dieser sozial-
politische Aspekt noch nach, wenn es heißt: „Der Jugendhilfeausschuss befasst sich mit allen
Angelegenheiten der Jugendhilfe, insbesondere 1. der Erörterung aktueller Problemlagen
junger Menschen und ihrer Familien …“ (§ 71 Abs.2 SGB VIII), wird aber dann doch nur auf
die jugendhilfeinternen Bedarfe hin konkretisiert (so auch in § 80 SGB VIII, Jugendhilfepla-
nung). Praktisch war „Einmischung“ mit den Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe immer
schwer darstellbar und ist dann schließlich auch verflacht. Dies ändert nichts an der Brisanz
dieses Ansatzes, wie folgendes Beispiel wenigstens andeuten kann:
Wenn in einem konkreten Einzelfall eine desolate Wohnungssituation einer Familie eine der
Ursachen für den erzieherischen Bedarf darstellt, müsste Jugendhilfe eigentlich in der Lage
sein, eine angemessene Wohnung bereitzustellen. Wenn das Jugendamt mit dem kommuna-
len Wohnungsamt gut vernetzt ist, gelingt das vielleicht. Wenn nicht, dann eben nicht. Selbst
eine finanzielle Unterstützung der Wohnungssuche liegt nicht mehr im Bereich der Jugend-
hilfe. Im besten Fall wird dann eine erzieherische Hilfe, vorzugsweise eine Sozialpädagogi-
sche Familienhilfe, gewährt – als Ersatzlösung zur Kompensation des Wohnungsmangels,
denn irgendwie halten „wir“ die Familie schon über Wasser, auch wenn die Aktion eigentlich
völlig inadäquat ist. An diesem Beispiel kann aber auch angedeutet werden, wo Lösungen
gefunden werden müssten. Eine Lösungsmöglichkeit im Rahmen der heute gelegentlich ver-
folgten Konzepte des Sozialraumbudgets wäre, den für den Sozialraum zuständigen freien
Träger zu verpflichten, in einem solchen Fall geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Eine andere Alternative wäre, die sozialpolitische Kompetenz des Jugendamts so weit auszu-
dehnen, dass es das kommunale Wohnungsamt zur Bereitstellung des Wohnraums verpflich-
ten könnte. Oder dass wenigstens die Anmeldungen eines Jugendamts zum Wohnraumbe-
darf eine maßgebliche Planungsgröße für die kommunale Wohnungsbaupolitik darstellt. Von
beiden Alternativen sind wir nicht nur praktisch, sondern schon gedanklich weit entfernt,
und mit dem heutigen Verständnis, Sozialraumbudgets jugendhilfebezogen, d.h. mit sehr
eingeschränkter Reichweite auf freie Träger zu verteilen, hat dies alles nichts zu tun. Das
müsste die Jugendhilfe aber nicht daran hindern, solche Überlegungen nach 25 Jahren SGB
VIII (wieder) in die Diskussion zu bringen.
29
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder-
und Jugendhilfegesetz — KJHG). Bundestagsdrucksache 11/5948 vom 01.12.89, Seite 47.
30
8. Jugendbericht 1990. Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugend-
hilfe - Achter Jugendbericht - . Stellungnahme der Bundesregierung zum Achten Jugendbericht. Bundestagsdrucksache
11/6576 vom 06.03.1990.