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eventuell unterentwickelten Aufnahmebereitschaft in der ostdeutschen Bevölkerung von
selber erledigen. Hier stellt sich eine echte Gestaltungsaufgabe.
Inklusion oder die „große Lösung“
Ein wichtiges fachpolitisches Projekt stellt die Zusammenführung der Eingliederungshilfe für
seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII mit den Eingliederungshilfen
für körperlich und geistig behinderte nach §§ 53 ff. SGB XII dar, und zwar unter dem Dach
der Kinder- und Jugendhilfe, in Fachkreisen als die „große Lösung“ diskutiert, derzeit auf-
grund der aktuellen Herausforderungen etwas in den Hintergrund getreten, aber natürlich
nicht aufgehoben. Der 13. Kinder- und Jugendbericht (2009), der sich mit der Gesundheit der
jungen Generation und ihrer Förderung befasste, hatte die Diskussion um eine solche Rege-
lung wieder angestoßen, wohl auch mitbefördert durch die UN-Konvention zum Schutz der
Rechte von Menschen mit Behinderungen von 2008, welche die Thematik unter den Leitbe-
griff der Inklusion stellt. In ihrer Stellungnahme zu diesem Bericht hatte die Bundesregierung
erstmals eine Option für die Zusammenfassung aller Eingliederungshilfen unter dem Dach
der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt.
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Die aktuellen gesetzgeberischen Absichten intendieren eine umfassende Neuordnung des
Vierten Abschnitts des SGB VIII in einem neuen Kapitel, das den Anspruch der Kinder und
Jugendlichen auf Leistungen zur Teilhabe durch Förderung ihrer Erziehung und Entwicklung
beschreibt, unter Aufgabe der Trennung zwischen Hilfen zur Erziehung und Hilfen zur Ein-
gliederung. In der Kinder- und Jugendhilfe hat sich zwar in den vergangenen Jahren als
„herrschende Meinung“ durchaus eine breite Zustimmung zu dieser sogenannten großen
Lösung herausgebildet. Es muss aber heute doch die Frage aufgeworfen werden, ob eine
derart umfassende Neuordnung des Leistungskatalogs den Jugendämtern in der gegenwärti-
gen Überbeanspruchung durch die Integrationsaufgabe für die unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlinge sinnvollerweise zugemutet werden kann.
Davon abgesehen müssten zu dieser „großen Lösung“ mindestens die folgenden Punkte ge-
klärt werden, und zwar vor einer gesetzgeberischen Entscheidung:
1.
Es ist dringend erforderlich, die künftige „Architektur“ der Kinder- und Jugendhilfe insge-
samt ins Auge zu fassen. Mit Übernahme der Zuständigkeit für die körperlich und geistig
behinderten Kinder und Jugendlichen wird die sozialpädagogische Ausrichtung der Ju-
gendhilfe in einem schwer abschätzbaren Umfang um einen medizinisch-
therapeutischen Bereich erweitert, mit allen Konsequenzen auch personeller Art (ähnlich
der Hereinnahme medizinisch-psychotherapeutischer Aspekte im Gefolge des § 35a SGB
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13. Kinder- und Jugendbericht 2009: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder-
und Jugendhilfe in Deutschland – Dreizehnter Kinder- und Jugendbericht – und Stellungnahme der Bundesregierung. Bun-
destagsdrucksache 16/12860 vom 30.04.2009.