Berichte
Das Krisenplanspiel in seinen verschiedenen Phasen. Stufe 3
Kurz Zeit später rief ein besorgter Mitbürger an und erkundigte sich nach dem Kind.
Eine ASD-Mitarbeiterin nahm den Anruf souverän entgegen und konnte den Mann
beruhigen. Eine weitere ASD-Kollegin telefonierte zwischenzeitlich mit der Klinik, um
zu erfahren, wie es um das misshandelte Kind stand, eine dritte ASD-Kollegin recher-
chierte, wo sich das Geschwisterkind aufhielt, und die ASD-Leitung war in einer La-
gebesprechung mit dem Dezernenten und dem Jugendamtsleiter.
Der stellvertretende Pressesprecher wurde derweil ungeduldig und formulierte eine
Pressemeldung.
Dann klopfte es an der Tür. Eine Mitarbeiterin öffnete, sah einen Journalisten mit Ka-
mera und kreischte „Das Fernsehen ist da!“ und schlug die Tür wieder zu. Nach we-
nigen Momenten hatte sie sich wieder im Griff, öffnete die Tür erneut und bat den
Journalisten herein. Aber es war eigentlich nur dem beherzten Eingreifen der Presse-
sprecherin zu verdanken, dass die Situation nicht völlig aus dem Ruder lief. Sie ging
bestimmt auf den Journalisten zu, begrüßte ihn kurz und bat ihn, sie in einen ande-
ren Raum zu begleiten. Dort führte sie ein ruhiges, sachlich fundiertes Interview.
Im Krisenstab herrschte derweil immer noch hektisches Treiben. Man hatte den Ein-
druck, dass niemand so genau wusste, wie er oder sie reagieren sollte. Schließlich
gipfelte die Situation darin, dass der stellvertretende Pressesprecher das unentwegt
klingelnde Telefon abnahm und in den Hörer brüllte: „Hier ist nicht das Jugendamt!“
An dieser Stelle beendete Wellmann das Planspiel und versuchte, das Geschehen zu
ordnen: Es herrschte Chaos im Krisenstab. Eine Koordination war ebenso wenig er-
kennbar wie eine Leitung. Auch gab es keine Absprachen unter den einzelnen Abtei-
lungen. Die Technik funktionierte nicht. Der Dezernent war zu passiv bzw. entschei-
dungsunfähig. Der ASD war insgesamt überfordert und gab eine kollektive Überlas-
tungsanzeige ab.
14
BLJA Mitteilungsblatt 1/16