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tierten Elternteil konfrontiert. Dieser muss viele Dinge klären und kämpft mit seinen

eigenen Emotionen. Die Bedürfnisse des Kindes können dadurch auf der Strecke

bleiben.

Sind die Kinder bei der Inhaftierung anwesend, besteht die Gefahr, dass sich die Poli-

zei und Justiz zu Feindbildern der Kinder entwickeln. Eine normkonforme Entwick-

lung kann dadurch beeinträchtigt werden. Viele Rituale und Alltagssituationen

verändern sich. Der inhaftierte Elternteil ist bei bedeutenden Familienereignissen

(Geburtstagen, Weihnachten, Einschulung etc.) nicht mehr dabei. Aber Kinder brau-

chen eine verlässliche Beziehung zu den Eltern – hierfür ist die zuverlässige Anwe-

senheit der Eltern eine wichtige Grundlage.

Eine Inhaftierung hat natürlich Auswirkungen auf die Beziehung zum Inhaftierten. Die

Kinder möchten meist unbedingt Kontakt zum inhaftierten Elternteil haben. Sie

sehen ihn immer noch als „ihre Mama“ oder „ihren Papa“ an. Eine gute Beziehung

während der Haft aufrechtzuerhalten, ist jedoch sehr schwierig. Telefonanrufe sind

selten bis gar nicht möglich und Briefkontakte sind nicht immer der beste Weg, um

der kindlichen Spontaneität gerecht zu werden. Auch Besuche sind aufgrund der li-

mitierten Besuchszeiten und oftmals erheblichen Reisekosten nicht immer eine regel-

mäßige Alternative.

Soziale Auswirkungen

Die Haftsituation wird häufig zum Familiengeheimnis. Besonders Kindern fällt es

sehr schwer, sich in dem Geflecht aus Lügen und Ausreden zurechtzufinden. Das

Thema der Inhaftierung ist in unserer Gesellschaft überwiegend ein Tabu und mit

Berührungsängsten behaftet, geprägt von Vorurteilen und Unsicherheiten. Dies be-

kommen die Angehörigen von Inhaftierten teils deutlich zu spüren. Ausgrenzung in

Schule, Kindergarten oder Nachbarschaft sind die Folge.

Oftmals wissen Kinder auch gar nicht über die Inhaftierung Bescheid. Alternative Er-

klärungen über die Abwesenheit des Elternteils, wie ein Auslandsaufenthalt oder

Montagearbeiten, werden gesucht. Das ist selten empfehlenswert, denn Kinder spü-

ren, dass etwas nicht stimmt. Unsicherheit über den Verbleib des Elternteils macht

es für diese Kinder nur noch schwerer mit der Abwesenheit umzugehen. Erfahren sie

dann die Wahrheit, verlieren sie noch mehr das Vertrauen in die Eltern (vgl. ebd.).

Körperliche und psychosomatische Auswirkungen

Auch auf körperlicher Ebene lassen sich Auswirkungen der Inhaftierung auf Kinder

beobachten. Häufig kommt es zu Bauch- oder Kopfschmerzen. Insgesamt zeigt sich

eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten. Der Schlafrhythmus kann sich durch Ein-

oder Durchschlafprobleme verändern. Auch wurden zeitweilig Retardierung oder

Entwicklungsverzögerungen beobachtet (z. B. wieder auftretendes Bettnässen oder

Stottern). Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann es auch zu Drogen- oder Alko-

holmissbrauch und autoaggressivem Verhalten kommen (vgl. ebd.).

Psychische und emotionale Auswirkungen

Die Daten der COPING-Studie zeigen, dass Kinder von Inhaftierten in der deutschen

Stichprobe im Durchschnitt mehr psychische Probleme hatten als Kinder in einer ver-

gleichbaren Normstichprobe (vgl. ebd.). Durch die abrupte Trennung von einem El-

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BLJA Mitteilungsblatt 2/16