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Im Mittelpunkt der Stiftung, auch im Mittelpunkt der
heutigen Veranstaltung, stehen also Erfahrungen von
Leid und Unrecht, stehen Missstände in den damaligen
stationären Einrichtungen. Es gab viel zu viele dieser
Missstände. Und es ist gut, dass wir heute und in Zu-
kunft darüber sprechen.
Es wäre aber ein Fehler, wenn wir einen Generalver-
dacht gegen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
gegen alle Einrichtungen damals daraus folgern wür-
den. Es gab auch damals gelungene Hilfen, Betreuun-
gen und Behandlungen.
Viele Beschäftigte haben sich gut um Kinder und Ju-
gendliche gekümmert, haben Fortschritte angestoßen.
Ob es damals zu gelungenen Hilfen gekommen ist
oder zu Missständen, lag natürlich nicht alleine an Per-
sonen. Es gab strukturelle, historische und auch gesell-
schaftliche Gründe für Missstände.
Ich zitiere einen Satz, den ich einmal aufgeschrieben
habe: Die Feststellung, dass es auch gelungene Hilfen
gab, soll und darf das weitreichende Leid und Unrecht,
das vielen Kindern und Jugendlichen in den Einrich-
tungen widerfahren ist, nicht relativieren oder gar in
Frage stellen.
Zurück zur Stiftung: Sie möchte ihre grundlegenden
Ziele erreichen, indem sie vor allem vier Dinge tut:
1 Sie möchte Leid und Unrecht öffentlich benennen
und anerkennen. Der heutige Tag hier in München
ist das beste Beispiel für eine solche Maßnahme!
2 Sie möchte die Geschehnisse damals in den Ein-
richtungen wissenschaftlich aufarbeiten und die
Ergebnisse der Öffentlichkeit vorstellen. Die Stif-
tung hat im letzten Jahr eine große wissenschaft-
liche Studie in Auftrag gegeben. Die Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler werden drei Jahre
forschen, es wird Zwischenberichte geben und
dann einen großen Abschlussbericht.
3 Den betroffenen Damen und Herren werden Ge-
sprächs- und Beratungsangebote gemacht. Dafür
wurden in allen Bundesländern Anlauf- und Be-
ratungsstellen eingerichtet. Die Gespräche in den
Anlaufstellen sollen soweit als möglich die Erfah-
rungen der Betroffenen in den Einrichtungen indivi-
duell anerkennen.
4 Und schließlich gewährt die Stiftung Betroffenen
finanzielle Leistungen. (Die Voraussetzungen dafür
sind die eben genannte Unterbringung, die Erfah-
rung von Leid und / oder Unrecht, und dass sich
diese Erfahrung heute noch belastend auswirkt.
Die Stiftung nennt das eine Folgewirkung.)
Finanzielle Leistungen
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gewährt die Stif-
tung eine Anerkennungs- und Unterstützungsleistung
in Höhe von 9.000 Euro.
Wenn Betroffene damals im Jugendalter in oder für die
Einrichtung arbeiten mussten, und für diese Arbeit
keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden
sind, wird eine zusätzliche finanzielle Leistung ge-
währt, die sog. Rentenersatzleistung in Höhe von 3.000
Euro (bei einer Dauer der Arbeit von unter 2 Jahren)
bzw. 5.000 Euro (bei einer Dauer von über 2 Jahren.
Die finanziellen Leistungen sollen also zum einen er-
lebtes Leid und Unrecht anerkennen und zum anderen
Betroffenen helfen, mit Folgewirkungen besser leben
zu können. Die Leistungen sind auch ein Symbol, ein
Zeichen, dass sich Staat und Kirchen kümmern, dass
sie die Notwendigkeit sehen, etwas zu tun. Die Leistun-
gen sind keine Entschädigung und kein Versuch einer
(vollständigen) Wiedergutmachung. Der Stiftung ist
bewusst, dass die Erfahrungen der Betroffenen nicht
ungeschehen gemacht werden können.
Wichtig ist: Diese finanziellen Leistungen sollen nicht
auf Sozialleistungen angerechnet werden, und sie wer-
den als Pauschalen zur selbstbestimmten Verwendung
ausgezahlt. Damit fällt das doch sehr bürokratische Ab-
wicklungsverfahren, das es im Fonds Heimerziehung
gegeben hat, komplett weg.
Ich betone das auch deshalb, da wir gehört haben,
dass einige Betroffene und auch gesetzliche Betreue-
rinnen und Betreuer solche bürokratischen Verfahren
befürchtet haben und sich vorerst noch nicht an die
Stiftung und ihre Anlaufstellen gewandt haben.
Errichter und Laufzeit
Die Stiftung wurde errichtet von Bund, den Ländern
und den beiden großen Kirchen (und ihren Wohlfahrts-
verbänden). Das Vermögen der Stiftung beträgt knapp
300 Mio. Euro, die Laufzeit der Stiftung soll 5 Jahre be-
tragen. Betroffene müssen sich allerdings bis zum
31.12.19 bei den Anlaufstellen melden, wenn sie finan-
zielle Leistungen der Stiftung erhalten möchten. Es
MITTEILUNGSBLATT
03-2018