Table of Contents Table of Contents
Previous Page  26 / 44 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 26 / 44 Next Page
Page Background

Info

Rechtsfragen zum Umgang mit minderjährigen

verheirateten Ausländern

Im Zuge der in den letzten Monaten erheblich gestiegenen Zugangszahlen von min-

derjährigen unbegleiteten Ausländern werden die Jugendämter vermehrt mit der Si-

tuation minderjähriger Verheirateter, zum Teil auch Schwangerer, konfrontiert.

Neben jugendhilferechtlichen Besonderheiten im Umgang mit diesem Personenkreis

stellen sich hier auch Rechtsfragen aus dem Eherecht (mit Bezügen zum Internatio-

nalen Privatrecht), dem Ausländerrecht sowie dem Strafrecht.

Der nachfolgende Beitrag basiert auf der Anfrage eines Jugendamtes und soll einen

Überblick über die wichtigsten Fragen zu diesem Thema geben.

1 Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen mit Minderjährigen

Grundsätzlich sind Eheschließungen, die im Ausland erfolgt sind, in Deutschland

unter folgenden Voraussetzungen anzuerkennen:

– Das Recht des ausländischen Staates, z. B. hinsichtlich der Ehemündigkeit, wurde

gewahrt (Art. 13 EGBGB),

– die Eheschließung kann durch eine gültige (ggf. legalisierte) ausländische öffent-

liche Urkunde über die Eheschließung nachgewiesen werden und

– es darf kein Verstoß gegen den sogenannten „ordre public“ (Art. 6 EGBGB) vor-

liegen: Wenn die ausländische Eheschließung mit wesentlichen Grundsätzen des

deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, ist diese in Deutschland nicht

anzuerkennen bzw. unwirksam.

Die Anerkennung der Gültigkeit der ausländischen Ehe obliegt den Familiengerichten

und erfolgt auf Antrag einer der Ehegatten bzw. des gesetzlichen Vertreters. Es

wurde z. B. gerichtlich entschieden, dass eine Ehe, bei der ein Ehegatte zum Zeit-

punkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, gegen

Art. 6 EGBGB verstößt und daher in Deutschland nicht anerkannt wird (vgl. z. B. AG

Offenbach, Urteil vom 30.10.2009, Az. 314 F 1132/09).

Die Beurteilung eines Verstoßes gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen

Rechts (vgl. Art. 6 EGBGB) kann jedoch nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der

Besonderheiten des ausländischen Rechts erfolgen.

Das deutsche Recht sieht vor, dass eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit, d. h.

erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, eingegangen werden soll (§ 1303 BGB).

Ist ein künftiger Ehegatte volljährig und hat der andere das 16. Lebensjahr vollendet,

kann das Familiengericht auf Antrag Befreiung erteilen. Diese wird aber nur erteilt,

wenn die Eheschließung das Wohl des Minderjährigen voraussichtlich nicht beein-

trächtigen würde, wobei hierzu das Jugendamt vor der Entscheidung anzuhören ist.

Das Gericht hat dabei auch zu prüfen, ob der Heiratswunsch dem eigenen inneren

Antrieb des noch minderjährigen künftigen Ehegatten entspringt, wodurch der ver-

fassungsrechtlich vorgesehene staatliche Schutz Minderjähriger und die Freiheit der

Willensentschließung besonders geschützt werden. Die Anwendbarkeit ausländi-

26

BLJA Mitteilungsblatt 1/16

Recht