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4 Rangverhältnis Vereinsvormundschaft vor Amtsvormundschaft bei unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen
Der zivilrechtlich geregelte Vorrang der Einzelvormundschaft sowohl vor Amts- als
auch vor Vereinsvormundschaft ist in der Praxis unwidersprochen.
Vor- oder Nachrang der Vereinsvormundschaft gegenüber der Amtsvormundschaft
wird aber fachlich kontrovers diskutiert.
In vielen Familiengerichtsbezirken hatte sich die gerichtliche Praxis etabliert, Mitar-
beiter von Vormundschaftsvereinen einzeln zu bestellen, um Vereinen damit einen
Vergütungsanspruch aus der Justizkasse zu sichern.
Diese – allerdings nicht unwidersprochene – Praxis konfrontiert die Justiz vor dem
Hintergrund der ständig steigenden Vormundschaftszahlen vor allem für unbeglei-
tete minderjährige Flüchtlinge korrespondierend mit steigenden Aufwendungen der
Gerichtskassen.
Daher sind Familiengerichte nach Rückmeldungen der Praxis vereinzelt dazu überge-
gangen, aus Gründen der Kosteneinsparung bei der Justiz grundsätzlich keine Vor-
mundschaftsvereine mehr zu Vormündern zu bestellen, sondern ausschließlich
Amtsvormünder und bringen damit betroffene Jugendämter angesichts der gesetzli-
chen Obergrenze des § 55 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII einerseits und der Ressourcen-
knappheit andererseits zwangsläufig in Organisationsnot.
Es bestand zwar Konsens, dass die an dieser Stelle allein aus Kostengründen geän-
derte Bestellungspraxis keinesfalls zielführend sein kann, gleichzeitig bleiben die Ein-
flussmöglichkeiten der Jugendämter an dieser Stelle auf Grund der richterlichen
Unabhängigkeit jedoch äußerst begrenzt.
Dennoch wurde es für sinnvoll erachtet, die zuständigen Familienrichter in geeigne-
ter Weise zu informieren, welche möglichen Konsequenzen diese Bestellungspraxis
einerseits für die Fallzahlen in der Amtsvormundschaft und andererseits für die ver-
trauensvolle, die öffentliche Jugendhilfe in nicht unerheblichem Umfang entlastende
Zusammenarbeit mit den Vormundschaftsvereinen haben könnte.
5 Zuständigkeitsbestimmung bei abgängigen unbegleiteten Minderjährigen
Als Ergebnis einer gemeinsamen Dienstbesprechung vom 16.07.2015 empfehlen das
StMAS, die Heimaufsichten bei den Regierungen sowie das ZBFS – Bayerisches Lan-
desjugendamt den Jugendämtern bei in Obhut genommenen abgängigen unbeglei-
teten Minderjährigen folgendes Vorgehen:
Nach 24 Stunden sollte zunächst eine Vermisstenmeldung bei der örtlich zuständi-
gen Polizeibehörde erfolgen. Nach 48 Stunden sollte die Inobhutnahme formell be-
endet werden.
Sofern der Minderjährige innerhalb von 48 Stunden wieder aufgefunden wird, bleibt
das bisher für die Inobhutnahme zuständige Jugendamt auch weiterhin zuständig.
Wird der Zeitraum von 48 Stunden überschritten, wird eine Wiederaufnahme durch
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BLJA Mitteilungsblatt 1/16