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I N F O

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chen vehement den Schuldigen. Hier treffen sie bei

vielen kommunalen Einrichtungen oft auf Strukturen

die wenig erfahren sind im Umgang mit Boulevard-

Methoden von Recherche und Nachrichtenaufberei-

tung. Diese Unsicherheit führt schnell dazu dass aus

einer Sachkrise eine Kommunikationskrise wird. Heißt:

Nicht was passiert ist steht mehr im Vordergrund

sondern wie eine Institution reagiert hat.

Gibt es klassische Fehler in der Krise?

Der Klassiker ist es die eigene Verantwortlichkeit von

vornherein zu leugnen die Schuld anderen zuzuschie-

ben sich tot zu stellen oder immer nur scheibchen-

weise das zuzugeben was einem nachgewiesen wird.

Gerade diese Salami-Taktik bedient die Mechanismen

des Boulevard-Journalismus Tag für Tag aufs Neue

Unwahrheiten und Skandale zutage zu fördern und

diese dem Jugendamt anzulasten. So wird die Un-

glaubwürdigkeit der Institution immer deutlicher: Wie

soll jemand der so reagiert das Wohl der Kinder im

Griff haben?

Wieso ist es so schwierig, im Krisenfall die Kontrolle

zu behalten?

Vielleicht weil die Ereignisse sich überstürzen Ihnen

bis dato völlig unbekannte TV-Journalisten und die Po-

litik enormen Druck ausüben Sie aber nur lückenhafte

Informationen haben mangelnde personelle Ressour-

cen Konflikte innerhalb und außerhalb des Jugendam-

tes? Vielleicht weil plötzlich nicht mehr Fach-Kriterien

sondern die emotionale Laiensicht das Bild bestimmt?

Oder weil Sie an den Datenschutz gebunden sind die-

ser aber Boulevard-Medien und empörten Facebook-

Nutzern vollkommen egal ist? Diese zudem deutlich in

der Überzahl sind und das zu jeder Uhrzeit und am

Wochenende.

Das klingt nach einer enormen Belastung, wie kann

ein Jugendamt dem vorbeugen?

Die Hauptschwierigkeit liegt oft in der Organisation.

So ist häufig ungeklärt wer die Sprecher-Rolle über-

nimmt: der medienerfahrene aber kinderschutzuner-

fahrene Pressesprecher? Die kinderschutzerfahrene

Jugendamtsleitung ohne Routine im Umgang mit

Journalisten? Oder doch lieber gleich der Landrat

oder (Ober)Bürgermeister weil er am Ende sowieso

seine eigene Kommunikationsstrategie verfolgt? Oder

– wie leider oft – alle drei gleichzeitig mit widersprüch-

lichen Botschaften? Dies muss vorher klar sein und

nicht ad hoc geklärt werden wenn die Kameras be-

reits laufen.

Herr Wellmann, ist es denn möglich, sich auf einen Kri-

senfall vorzubereiten?

Der wichtigste Punkt ist Krisenprävention: Beobach-

tung kritischer Themen in den Medien der Einsatz für

einen nachhaltig guten Ruf des Jugendamts und der

selbstkritische Umgang mit potenziellen Schwachstel-

len durch Etablierung einer offenen Fehlerkultur.

Zudem sollte jedes Jugendamt einen Krisenplan

haben der festlegt wer im Falle des Falles zu einem

Krisenstab zusammenkommt. Dort sollte sich die rich-

tige Kombination finden aus Fachlichkeit Kommunika-

tionskompetenz und politischer Verantwortung um die

Krise erfolgreich zu managen. Der Krisenplan regelt

auch welche Abläufe einzuhalten sind.

Sie haben im Auftrag der BAG Landesjugendämter be-

reits eine ganze Reihe von Krisenplanspielen durchge-

führt. Warum halten Sie diese für besonders geeignet?

Alle Theorie ist grau. Hier aber wird das Jugendamt

einen Tag lang mit dem Ernstfall konfrontiert: Hartnä-

ckige Journalisten aufdringliche Fernsehreporter ent-

rüstete Bürger empörte Politiker – alles prasselt

zeitgleich sehr real auf das Jugendamt ein. Erst in die-

ser authentischen Simulation eines Krisenfalles im ei-

genen Jugendamt erleben die Teilnehmer wie der

Krisenstab zusammenspielt welche Schwierigkeiten

sich in dem Jugendamt konkret ergeben ob jeder sei-

ner Rolle gewachsen ist und wie die Mitarbeiter auf die

Krisensituation reagieren.

Sie haben nun schon öfter von Krisenstab und Krisen-

raum gesprochen, was muss man sich darunter vor-

stellen?

Nun ja ein Krisenraum ist so etwas wie ein Lagezen-

trum im Krisenfall. Er sollte die gesamte Infrastruktur

aufweisen die es für die erfolgreiche Krisenkommuni-

kation braucht: Telefon Internet Computer Fax Ko-

pierer Drucker Scanner Flipchart um nur einiges zu

nennen. Hier wird die Situation geklärt zentrale Infor-

mationen recherchiert die Akte aufbereitet und die

Sprachregelung für ein einheitliches Auftreten nach

innen und außen festgelegt.

Gehen denn auch alle Anrufe im Krisenraum ein?

Das sollte man tunlichst vermeiden wenn man die Ar-

beitsfähigkeit des Krisenstabes erhalten will. Wichtig

ist gerade bei Missbrauchsfällen ein Bürgertelefon.

Dies kann zum einen ohne Stress und Zeitdruck auf die

MITTEILUNGSBLATT

01-201