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I N F O

Im Rahmen der Mitwirkung gemäß § 50 SGB VIII zählt

es zu den Aufgaben des Jugendamts, das Familienge-

richt über angebotene und erbrachte Leistungen zu in-

formieren, erzieherische und soziale Gesichtspunkte in

der Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen einzu-

bringen und auf weitere Hilfsmöglichkeiten – auch

über die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe hinaus

– hinzuweisen (vgl. ZBFS – Bayerisches Landesjugend-

amt, Arbeitshilfe Beratungs- und Mitwirkungsaufgaben

der Kinder- und Jugendhilfe im Kontext von Trennung

und Scheidung nach §§ 17, 18, 50 SGB VIII, 2016, S. 27).

Ziel der Mitwirkung des Jugendamtes in Verfahren zur

Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen bzw.

Unterbringungen ist insbesondere die Gewährleistung

des Kindeswohls im Kontext des Freiheitsentzugs

sowie das Bestreben, den Eingriff in die Persönlich-

keitsrechte des Kindes bzw. Jugendlichen so gering

wie möglich zu halten.

Die Ausgestaltung der Mitwirkung gemäß § 50 SGB

VIII erfolgt nach Aufforderung durch das Familienge-

richt immer im pflichtgemäßen Ermessen des zustän-

digen Jugendamtes.

Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen für Kinder und

Jugendliche mit Behinderung kann hierbei insbeson-

dere die Beratung der Eltern bzw. Personensorgebe-

rechtigten bei eventuell bestehenden Konflikten hin-

sichtlich geplanter freiheitsentziehender Maßnahmen

und Möglichkeiten zur Vermeidung einen inhaltlichen

Schwerpunkt bilden.

Entschließt sich das Jugendamt im Rahmen seiner Mit-

wirkung am familiengerichtlichen Verfahren zu einer

Stellungnahme, so sollte diese insbesondere Aussagen

zu folgenden Aspekten aus (sozial-)pädagogischer

Sicht treffen:

• Ausmaß der Selbst- bzw. Fremdgefährdung des

Kindes bzw. des Jugendlichen,

• Hilfe- und Schutzbedarfe im Zuge der Selbst- bzw.

Fremdgefährdung des Kindes bzw. Jugendlichen,

Eignung und Bedarfsgerechtigkeit der freiheitsent-

ziehenden Maßnahme bzw. Unterbringung,

• Begründung, warum der Gefahr nicht auf andere

Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfe,

begegnet werden kann (vgl. § 1631b Abs. 1 S. 2

BGB) und / oder Benennung von Möglichkeiten zur

Vermeidung der freiheitsentziehenden Maßnahme

bzw. Unterbringung,

• Verhältnismäßigkeit der freiheitsentziehenden

Maßnahme bzw. Unterbringung; als verhältnis-

mäßig gilt eine Maßnahme bzw. Unterbringung,

wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt, geeignet,

erforderlich und angemessen ist,

• Dauer der Erforderlichkeit der freiheitsentziehenden

Maßnahme bzw. Unterbringung.

Die Stellungnahme enthält – wie auch in anderen Ver-

fahren gemäß § 50 SGB VIII – eine auf eigene Erkennt-

nisse gestützte Einschätzung zu den geplanten Maß-

nahmen.

Bezüglich Aspekten, die durch die Kinder- und Jugend-

hilfe nicht beantwortet werden können, empfiehlt sich

der Verweis auf die zuständigen Stellen bzw. auf fach-

lich versierte Institutionen und Personen (z. B. betreu-

ende Einrichtung der Eingliederungshilfe, spezialisier-

ter Verfahrensbeistand).

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Mitwir-

kung des Jugendamts im familiengerichtlichen Verfah-

ren zur Genehmigung freiheitsentziehender Maßnah-

men und Unterbringungen und den damit verbunde-

nen Anforderungen an das Jugendamt empfiehlt sich

stets die direkte Kontaktaufnahme und Abstimmung

mit dem jeweils zuständigen Familiengericht.

In Verfahren zur Genehmigung freiheitsentziehender

Unterbringung oder freiheitsentziehender Maßnahmen

bei einem Kind und Jugendlichen ist die Bestellung

eines Verfahrensbeistandes durch das Familiengericht

seit 15.11.2017 verpflichtend (vgl. § 317 FamFG), um in

diesen besonders grundrechtsrelevanten Bereichen

eine bessere Interessenvertretung sicherzustellen. Im

Kontext freiheitsentziehender Maßnahmen ist der Ein-

satz spezialisierter Verfahrensbeistände besonders hilf-

reich, da diese über eine Kombination aus pflegefach-

lichem Wissen zu Möglichkeiten der Vermeidung und

einem gehobenen juristischen Informationsstand über

die rechtlichen Kriterien zu diesem Thema verfügen

(vgl. Werdenfelser Weg

2

).

Im Rahmen der Kooperation mit den Familiengerichten

und Verfahrensbeiständen bietet sich für das Jugend

2

Der Werdenfelser Weg setzt sich dafür ein, dass in einer Region,

in der er zur Anwendung kommt, die gesetzlich vorgesehenen

Schutzmechanismen greifen, um vermeidbare Freiheitsbeschrän-

kungen konsequent zu unterbinden, und bezüglich verbleibender

Risiken gemeinsam verantwortungsvolle Einzelfallentscheidungen

zu fördern. Siehe auch

http://werdenfelser-weg-original.de

MITTEILUNGSBLATT

03-2018