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I N F O

Unsicherheit bestand darüber, wie die Vorstellungen

des Gesetzgebers zu Art und Umfang der Beteiligung

von Kindern oder Jugendlichen im Sinne des § 42 Abs.

2 Satz 5, 2. Halbsatz SGB VIII in der Praxis sicherge-

stellt werden können.

3. Beschluss des OLG Hamm 4 UF 31.17 vom

13.06.2017 zur Auswahl des Vormunds für

unbegleitete ausländische Minderjährige

Das OLG Hamm setzt mit seinem Beschluss zu den

Auswahlkriterien bei der Bestellung eines Vormunds

für einen begleitet eingereisten ausländischen Minder-

jährigen unter anderem die neuere Rechtsprechung

des BVerfG um (z.B. Beschluss vom 07.04.2014, Az. 1

BvR 3121/13), die besagt, dass im Falle des Ruhens

oder des Entzugs der elterlichen Sorge die Unterbrin-

gung bei Verwandten als weniger belastende Maß-

nahme gegenüber einer vollstationären Unterbringung

in Betracht kommen kann.

Als wesentliche Voraussetzung dafür sieht es das

BVerfG an, dass die Unterbringung bei Verwandten zur

Abwendung einer Kindeswohlgefährdung ebenso ge-

eignet ist. Eine Heimunterbringung diene in diesen Fäl-

len nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der

Maßnahme.

Bei der Auswahl des Vormunds sind nach Auffassung

des Gerichts unter dieser Prämisse neben den Neigun-

gen des Kindes auch der mutmaßliche Wille der Eltern

und verwandtschaftliche Beziehungen zu berücksichti-

gen.

Ist der eindeutige Wunsch der Eltern aus der Vorlage

von Urkunden bei der Einreise erkennbar, dass ein mit

eingereistes Familienmitglied Vormund des Minderjäh-

rigen sein soll, ist dieser trotz fehlender deutscher

Sprachkenntnisse und fehlender Kenntnisse des deut-

schen Rechtssystems vorrangig zum Vormund zu be-

stellen, wenn keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte

dafür bestehen, dass das Familienmitglied zur Führung

der Vormundschaft nicht geeignet ist.

4. Beschluss des OLG Koblenz 13 UF 44.17

vom 14.03.2017 zu Inhalten und Umfang der

Altersfeststellung bei unbegleiteten auslän-

dischen Minderjährigen

Zu Art und Umfang der Aufgabe der Altersfeststellung

nach § 42f SGB VIII sind bereits einige gerichtliche Ent-

scheidungen ergangen, die teilweise das Verfahren der

qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42f Abs. 1

SGB VIII durch die Jugendämter grundsätzlich in Frage

gestellt hatten und deshalb ärztliche Untersuchungen

zur Altersbestimmung nach Absatz 2 der Vorschrift fa-

vorisierten, wenngleich auch die derzeit verfügbaren

medizinischen Methoden nur Näherungswerte errei-

chen können.

In der überwiegenden Anzahl der Grenzfälle zur Voll-

jährigkeit waren Restzweifel verblieben, die die Ju-

gendhilfe vielfach entweder zwangen, von Minder-

jährigkeit und damit Jugendhilfezuständigkeit auszuge-

hen oder aber grundsätzlich ärztliche Untersuchungen

zur Altersbestimmung zu veranlassen.

Mit dem OLG Koblenz hat ein Gericht im Rahmen der

Altersfeststellung erstmals deutlich darauf hingewie-

sen, dass zwar bei relevanten Zweifeln an der Volljäh-

rigkeit im Sinne der bestehenden Rechtsprechung des

BGH grundsätzlich zugunsten eines Betroffenen von

dessen Minderjährigkeit auszugehen sei, dennoch

seien aber gewichtige Anhaltspunkte für die Volljährig-

keit mit in die Betrachtungen einzubeziehen.

So könne trotz verbleibender Zweifel von der Volljäh-

rigkeit ausgegangen werden, wenn gewichtige An-

haltspunkte in Kombination mit unrichtigen, wider-

sprüchlichen oder gar widerlegten Behauptungen des

Betroffenen für die Volljährigkeit sprechen oder aber

der Betroffene die Aspekte nicht hinreichend plausibel

dargelegt hat, aus denen sich seine Minderjährigkeit

ergeben soll.

Ein Betroffener, der das Feststellen des Ruhens der el-

terlichen Sorge und Bestellung eines Vormunds für

sich reklamiere, sei insoweit gehalten, die Tatsachen

seiner Minderjährigkeit näher darzulegen. Liege ein

ausreichend substantiierter, nachvollziehbarer und wi-

derspruchsfreier Vortrag des Betroffenen nicht vor,

seien gerichtlich keine weiteren Ermittlungen zur Fest-

stellung seiner Minderjährigkeit angezeigt.

Liegen bereits während der qualifizierten Inaugen-

scheinnahme durch das Jugendamt widersprüchliche

oder nicht nachvollziehbare Vorträge des Betroffenen

und damit gewichtige Anhaltspunkte für die Volljährig-

keit vor, könnte der Beschluss analog als Argumentati-

onshilfe dienen.

MITTEILUNGSBLATT

03-2018