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I N F O

MITTEILUNGSBLATT

03-2018

1. Übernahme örtlicher Zuständigkeiten

nach § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII auch für

den Bereich der Leistungsgewährung

Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme unbe-

gleiteter ausländischer Minderjähriger richtet sich im

Regelfall gemäß § 88a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nach der

Zuweisungsentscheidung des Landesbeauftragten des

Freistaates Bayern für die Aufnahme und Verteilung

ausländischer Flüchtlinge als zuständiger Landesbe-

hörde (LABEA). Nach § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII kann

die örtliche Zuständigkeit aus Gründen des Kindes-

wohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von

vergleichbarem Gewicht im gegenseitigen Einverneh-

men der beteiligten Jugendämter auch von einem

nach § 88a Abs. 2 SGB VIII eigentlich örtlich unzustän-

digen Träger übernommen werden.

Es ist derzeit fachlich noch nicht endgültig geklärt, ob

die – bereits bisher in Bayern favorisierte – Möglichkeit

der Übernahme örtlicher Zuständigkeiten auf Vereinba-

rungsbasis auch für den Bereich der Leistungsgewäh-

rung nach § 88a Abs. 3 SGB VIII gelten kann oder aber

wegen seiner gesetzessystematischen Platzierung bei

den Regelungen zur Inobhutnahme für den Bereich der

Gewährung von Leistungen nicht anwendbar ist.

Daher besteht derzeit vor allem bei Vereinbarungen zur

Zuständigkeitsübernahme über die Grenzen einzelner

Bundesländer hinweg die Gefahr, dass dem überneh-

menden Jugendamt eine Kostenerstattung nach § 89d

SGB VIII mit der Begründung verweigert werden

könnte, die entstandenen Kosten seien nicht im Rah-

men der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung im Sinne

des § 89f Abs. 1 SGB VIII angefallen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend-

und Familienbehörden (AGJF) hält es für angezeigt, die

für den Bereich der Inobhutnahme mögliche Zustän-

digkeitsübernahme auf den Leistungsbereich nach

§ 88a Abs. 3 SGB VIII auszudehnen und forderte das

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

AU S D E R A R B E I T S G R U P P E K O S T E N UND Z U S T ÄND I G K E I T S F R AG E N

BE TREUUNG UNBEGL E I T E T ER

MI NDER J ÄHR I GER

Jugend mit Beschluss vom 22./23.03.2018 auf, bei

nächster Gelegenheit auf eine entsprechende Ergän-

zung des § 88a Abs. 3 SGB VIII hinzuwirken.

2. Zulässigkeit der Ablehnung von Kostener-

stattungsanträgen bei fehlendem Asylantrag

nach § 42 Abs. 5 SGB VIII

Mit Art. 3 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der

Ausreisepflicht vom 20.07.2017 (BGBl. I, S. 2785)

wurde dem § 42 Abs. 2 SGB VIII mit Wirkung vom

29.07.2017 ein neuer Satz 5 angefügt. Diese Neurege-

lung verpflichtet Jugendämter in allen Fällen, in denen

anzunehmen ist, dass ein Kind oder Jugendlicher inter-

nationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Asyl-

gesetz benötigt, unverzüglich einen Asylantrag zu

stellen und sie dabei zu beteiligen.

Die derzeit in Fachkreisen nicht abgeschlossene Dis-

kussion, in welchem zeitlichen Verhältnis die verpflich-

tende Stellung eines Asylantrags durch das Jugend-

amt als Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII zu

einer ebenfalls gemäß § 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII ver-

pflichtenden unverzüglichen Veranlassung zur Bestel-

lung eines Vormunds für ausländische Kinder oder

Jugendliche steht, wurde in diesem Kontext nicht the-

matisiert.

Kontrovers diskutiert wurde, ob Hilfemaßnahmen au-

tomatisch bereits deshalb nicht den Vorschriften des

Gesetzes im Sinne des § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ent-

sprechen, weil ein Asylantrag gemäß § 42 Abs. 2 Satz 5

SGB VIII nicht oder nicht unverzüglich gestellt wurde

und damit eine Kostenerstattung nach § 89d Abs. 1

SGB VIII durch den Staat ausscheidet.

Eine Kostenerstattung wird nach überwiegender Auf-

fassung wohl in Fällen verweigert werden, in denen

nicht nachweisbar dokumentiert wurde, dass eine Prü-

fung zum Vorliegen eines internationalen Schutzbe-

dürfnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG statt-

gefunden hat.