Herkunftssuche

Adoptierte haben das berechtigte Interesse, ihre biologischen Wurzeln zu kennen. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1989 hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bestätigt, auch Adoptierte haben ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung.


Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte ist ein Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung. Bei der Entwicklung der eigenen Individualität geht es vor allem darum, sich selbst zu verstehen und anzunehmen. Dieser Prozess er­reicht in der Pubertät seinen Höhepunkt.

Bei Adoptierten erweitert sich die Identitätsfindung um die Auseinandersetzung mit den leiblichen Eltern und deren Motivation zur Adoptionsfreigabe. Im Mittelpunkt stehen dabei die Suche nach den eigenen biologischen Wurzeln und die Ver­ar­bei­tung der schmerzlichen und kränkenden Erfahrung, weggegeben oder verlassen worden zu sein.

Diese Suche ist häufig mit Angst und Verunsicherung verbunden.

In dieser Phase brauchen Adoptierte eine verständnisvolle Begleitung und Unter­stüt­zung durch die Adoptiveltern. Auch die Adoptionsvermittlungsstelle beim Ju­gend­amt oder Träger der freien Jugendhilfe stehen Adoptierten für eine Be­ra­tung und Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft und der kon­kreten Suche nach den leiblichen Eltern zur Verfügung. Hilfreich kann auch der Kontakt zu anderen Adoptierten sein, die auf Bundesebene eine Interessensvertretung ge­grün­det haben (www. bundesarbeitsgemeinschaft-adoptierte.de).

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem grundlegenden Urteil vom 31. Januar 1989 festgestellt, dass auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 i.V.m. Art. 1 Grundgesetz) auch Adoptierte ein Recht auf Kenntnis der ei­ge­nen Ab­stam­mung haben. Vor diesem Hintergrund dürfen Adoptierten Erkenntnisse der staat­lichen Organe über die Ab­stam­mung nicht vorenthalten werden.

Adoptierte können sich bei ihrer Suche nach weiteren Informationen oder der kon­kre­ten Suche der leiblichen Eltern an die Adoptionsvermittlungsstelle des örtlichen Jugend­amts oder freien Trägers wenden, die die Adoption durchgeführt hat. Bei Vermittlungen aus dem Ausland ist die zuständige Auslands­ver­mitt­lungsstelle ebenfalls Ansprechpartner.

Wenn Adoptierte das 16. Lebensjahr vollendet haben, haben sie ein Recht auf Akten­ein­sicht in die Vermittlungsakte, soweit sie deren Herkunft und Lebens­ge­schichte betrifft. Die Akteneinsicht erfolgt unter Anleitung einer Fachkraft der Adoptions­ver­mitt­lungs­stelle. Die Datenschutzbelange und Persönlichkeitsrechte anderer genannter Personen müssen beachtet werden. Die Weitergabe von Daten - z. B. eines mut­maß­li­chen Vaters, dessen Vaterschaft nicht festgestellt wurde - sind nur zulässig, wenn seine Einwilligung vorliegt oder das Recht auf Kenntnis der Abstammung im konkreten Einzelfall höher zu bewerten ist als das Interesse des Betroffenen an der Geheim­hal­tung. Von der Fachkraft ist eine entsprechende Güterabwägung vorzunehmen (§ 9b Abs.2 AdVermiG).

Seit 26.11.2015 ist gesetzlich vorgeschrieben, Aufzeichnungen und Unterlagen über jede einzelne Vermittlung über den Zeitraum von 100 Jahren ab Geburtsdatum des Kindes aufzubewahren. Danach sind die Akten zu vernichten (§ 9b Abs.1 AdVermiG).

Ab Vollendung des 16. Lebensjahrs kann der Adoptierte ohne Zustimmung der Adoptiveltern Einsicht in das Geburtenbuch beim Standesamt nehmen (§ 61 Abs.2 PStG).

Bei Adoptionen, die vor 1977 durchgeführt wurden, war in manchen Fällen keine Adoptionsvermittlungsstelle beteiligt. Die Adoption erfolgte damals meist durch einen notariellen Vertrag, der vom Amtsgericht bestätigt wurde. Eine Nachfrage beim damals zuständigen Gericht kann möglicherweise bei der Suche nach Informationen weiterführen.

Aufgaben des Landesjugendamts

Die zentrale Adoptionsstelle unterstützt die Fachkräfte der Adoptions­ver­mitt­lungs­stellen in allen fachlichen und rechtlichen Fragestellungen bei Anfragen zu einer Herkunftssuche.

Seit 2002 ist die zentrale Adoptionsstelle auch internationale Auslands­ver­mitt­lungs­stelle und führt eigenständig Adoptionen aus dem Ausland durch. Die Ver­mitt­lungs­akten werden gemäß
§ 9b Abs. 1 AdVermiG im Landesjugendamt aufbewahrt.

Beim Landesjugendamt werden auch Adoptionsakten aufbewahrt, wenn eine bayerische Adoptions­ver­mitt­lungs­stelle aufgelöst wurde. Adoptierte können bezüglich dieser Akten einen Antrag auf Akteneinsicht beim Landesjugendamt stellen.

Fachbeiträge und Publikationen

Weitere empfohlene Veröffentlichungen

Breitinger, Eric: Vertraute Fremdheit. Adoptierte erzählen, Berlin 2011

Wiemann, Irmela: Wie viel Wahrheit braucht mein Kind?, Hamburg 2011

Carini, Marco: Muttersuche. Adoptivkinder und Mütter erzählen, Berlin 2010

Swientek, Christine: Adoptierte auf der Suche, Freiburg 2001

Dean, Amy E.: Wo ist die Frau, die mich geboren hat?, München 1995