Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge

1. Rahmenbedingungen

In den Jahren zwischen 1949 und 1975 gab es in den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Bayern und auf dem ganzen Bundesgebiet viele Missstände und dadurch verursachtes Leid und Unrecht.

Die damaligen Missstände wurden durch verschiedene Faktoren begünstigt, die aber das einzelne Handeln von Täterinnen und Tätern nicht rechtfertigen.

Zum einen war die damalige pädagogische Vorstellungen in der Nachkriegszeit noch stark autoritär und prägte den pädagogischen Alltag mit Härte und Zwang. Zum anderen gab es noch keinen ausreichenden rechtlichen Rahmen der für den Schutz der Minderjährigen in der Kinder- und Jugendfürsorge sorgte. Zudem waren die materiellen Ausstattungen der Heime oftmals sehr schlecht. Das Heimpersonal war nicht pädagogisch geschult und meist überfordert. Finanzielle Mittel zur Verbesserung wurden nicht gestellt. Das gesellschaftliche Verständnis von Heimerziehung orientierte sich an religiös-moralischen, medizinisch-psychiatrischen und kriminologischen Bildern, was zur Stigmatisierung der Heimkinder führte.

2. Leid und Unrecht im Heimalltag

Der Heimalltag war geprägt von Vernachlässigung, psychischer und physischer Gewalt und/oder sexuellen Gewalterfahrungen.

Mit Vernachlässigung auf körperlicher, erzieherischer, emotionaler und kognitiver Ebene wurde den Kindern Zuwendung und Fürsorge vorenthalten. Somit sind grundlegende menschliche Bedürfnisse nicht ausreichend gestillt worden.

Die emotionale Misshandlung führte wiederum durch spezifische beabsichtige Verhaltensweisen des Heimpersonals zu Abwertung und Demütigungen der Kinder. Als Beispiele sind hier Beschämungen der Kinder vor der Gruppe oder Ausgrenzungen aus der Gruppe zu nennen.

Die physische Gewalt ging häufig mit der emotionalen Gewalt einher und trug zu einem Grundgefühl von Angst bei den Kindern bei. Neben Ohrfeigen, Schlägen bis zur blauen Flecken und Essenszwang gab es auch das Ruhigstellen mit Medikamenten.

Die meisten Bewältigungsstrategien der Kinder von damals mündeten in Anpassung, Rückzug und Resignation oder im aggressiven Verhalten und Weglaufen.

3. Folgen

Die Folgen dieser systematischen Gewalterfahrungen sind für die ehemaligen Heimkinder aus der Jugendhilfe vielfältig und meist auch als Erwachsene noch spürbar. Neben der mangelnden (Schul-)Ausbildung, die zu ungenügenden Bildungschancen und materiellen Beeinträchtigungen führte, sind chronische Krankheiten, Depressionen, posttraumische Belastungsstörungen bis hin zu Suizid mögliche Folgen, mit denen die Betroffenen im Alltag zu kämpfen haben.

 

Quellen:

  • Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2010). Runder Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren. Abschlussbericht. Eigenverlag.
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – BMFSFJ (2019). Abschlussbericht der Lenkungsausschüsse der Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ und „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“. Eigenverlag.
  • Caspari, P., Dill H., Hackenschmied G. & Straus F. (2020). Ausgeliefert und verdrängt – Heimkindheiten zwischen 1945 und 1975 und die Auswirkungen auf die Lebensführung Betroffener. Springer Verlag.