Junge Menschen ernst nehmen! - Der Weg zum Landesheimrat

Bayern hat seit dem 18. Juli 2013 einen Landesheimrat! Damit leistet Bayern einen bedeutenden Beitrag zu mehr Demokratie in der Heimerziehung. Die Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen der Erziehungshilfe haben nun eine eigene Interessensvertretung. Ein Sprachrohr, das sich für die Verwirklichung ihrer Rechte einsetzt und auf eine wirkungsvolle und gelebte Beteiligung in den stationären Jugendhilfeeinrichtungen hinwirkt. Dies war ein dringend notwendiger Entwicklungsschritt, angesichts der Tatsache, dass organisierte Interessensvertretungen von Kindern und Jugendlichen in anderen Bereichen bereits seit vielen Jahren existieren – man denke beispielsweise an die Landesschüler/innenvertretung oder die Vielzahl an Jugendverbänden auf Landesebene.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Etappen auf dem Weg zum Landesheimrat Bayern, dem nach Hessen bundesweit zweiten Gremium dieser Art, skizziert werden.

1. Bisherige Befassungen des Bayerischen Landesjugendamts mit dem Thema Partizipation in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern

Die Verwaltung des Bayerischen Landesjugendamts widmet sich seit 2003 kontinuierlich der Einführung und Fortentwicklung partizipativer Strukturen in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern:

Die PartHe–Studie

Das Bayerische Landesjugendamt befasste sich in der im Jahre 2004 veröffentlichten explorativen PartHe–Studie (Partizipation in der Heimerziehung) intensiv mit den formalen Strukturen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in ausgewählten Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe in Bayern (Babic/Legenmayer 2004). Landesweit wurden hierbei zehn Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 34 SGB VIII hinsichtlich der dortigen Möglichkeiten zur Partizipation von jungen Menschen in Form einer qualitativen Befragung untersucht. Dabei ging es zum einen um die Feststellung, ob und in welcher Form Beteiligung in den Einrichtungen stattfindet, zum anderen darum, wie diese Partizipationsprozesse von den damit befassten Personengruppen bewertet werden.
Das Ergebnis der Studie zeigte, dass ernst genommene Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen nur dann funktioniert, wenn die jungen Menschen kontinuierlich fachliche Begleitung und Beratung erfahren. Weiterhin ist eine regelmäßige Beratung und Fortbildung nicht nur für die gewählten Kinder und Jugendlichen, sondern auch für die Heimratsberaterinnen und Heimratsberater notwendig. Maßgeblich für ernsthafte und gelingende Partizipation ist das Vorhandensein eines demokratischen Handlungsspielraums für die Kinder, Jugendlichen und pädagogischen Fachkräfte. Nur wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst Beteiligung erfahren, sind sie in der Lage, den Alltag mit den jungen Menschen nach den Prinzipien der Beteiligung zu gestalten. Eine grundsätzliche Voraussetzung ist demnach, dass Leitungen Partizipation wertschätzen und gezielt fördern.

Die Ergebnisse der PartHe Studie deuteten insgesamt darauf hin, dass in den Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe in Bayern zum Zeitpunkt der Befragung ein großer Entwicklungsbedarf für Partizipationsstrukturen, die jungen Menschen umfassende und effektive Möglichkeiten der Beteiligung bieten, bestand.

Ergebnisse einer Vollerhebung des Deutschen Jugendinstituts (DJI)

Im Rahmen des Projekts „Jugendhilfe und sozialer Wandel – Leistungen und Strukturen“ am Deutschen Jugendinstitut werden regelmäßig bundesweit Fragebogenerhebungen bei stationären und teilstationären Jugendhilfeeinrichtungen durchgeführt. Ein Schwerpunkt dieser Studie liegt in der Analyse pädagogischer Haltungen und Konzepte. Die Beteiligungsrechte der Adressatinnen und Adressaten haben dabei einen besonderen Stellenwert.

Mit dem Bayerischen Landesjugendamt wurde vereinbart, im Jahr 2004 als Ergänzung zu dieser Studie eine Vollerhebung zu formalisierten und institutionalisierten Beteiligungsformen in den Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Bayern durchzuführen (Pluto et al. 2004). Mittels einer quantitativen Befragung wurden von 302 Einrichtungen Daten dazu erhoben, ob und welche Mitbestimmungsgremien in den Einrichtungen vorhanden sind, wie sich diese zusammensetzen, ob die Mitglieder Schulungen für ihre Aufgaben erhalten und wie solche Gremien von den damit befassten Personen eingeschätzt werden.
Die Auswertung der Vollerhebung durch das Deutsche Jugendinstitut ergab, dass nur etwa die Hälfte der befragten Einrichtungen ein Mitbestimmungsgremium und lediglich vier Prozent Mitbestimmungsgremien sowohl auf Gruppenebene als auch auf Einrichtungsebene hatten. Lediglich elf Prozent der Einrichtungen hatten ein Gremium, das von den Kindern und Jugendlichen selbst gewählt wurde und dessen Mitglieder auch eine Schulung erhalten hatten.
Die Ergebnisse der Vollerhebung des Deutschen Jugendinstituts zeigten ein erhebliches Defizit an ernsthaften Beteiligungsstrukturen in den Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Bayern und bestätigten damit die PartHe–Studie.

In den folgenden Jahren veranstaltete das Bayerische Landesjugendamt mehrere Fachveranstaltungen rund um das Thema „Partizipation in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe“.

Evaluation der Fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII

Zur Evaluation der im Jahr 2003 durch den Landesjugendhilfeausschuss verabschiedeten Fachlichen Empfehlungen zur Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII startete das Bayerische Landesjugendamt 2010 eine quantitative Befragung der Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern. In diesem Zusammenhang wurden 110 Einrichtungen unter anderem auch zu den Partizipationsmöglichkeiten junger Menschen in den Einrichtungen befragt.
Im Vergleich zu den vorgestellten Ergebnissen der beiden Befragungen aus dem Jahr 2004 wurde hier nun eine Entwicklung hin zu mehr Beteiligung von jungen Menschen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern deutlich: Mit knapp 93 Prozent war der Gruppenabend die am weitesten verbreitete Beteiligungsform in den befragten Einrichtungen, gefolgt vom Gruppensprecher (51 Prozent) und der Kinder-/Jugendkonferenz bzw. Vollversammlung (50 Prozent). Ein Heimrat einschließlich Heimratsbetreuung war nur in etwa jeder fünften Einrichtung etabliert. Aber rund drei Viertel der Einrichtungen gaben an, dass eine regelmäßige Beteiligung der jungen Menschen in der Gestaltung des Gruppenalltags stattfindet. Weiterhin bestätigte rund die Hälfte der befragten Einrichtungen über ein beschriebenes Beschwerdemanagement zu verfügen, das den betreuten jungen Menschen bei Aufnahme verbindlich bekannt gemacht wird.

 

Mit den Abschlussberichten der Runden Tische „Sexueller Kindesmissbrauch“ und „Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren“ wurde das Thema Partizipation in der stationären Jugendhilfe in einen neuen Fokus gerückt, es gewann an Brisanz und hatte nun auch gesetzlich einen besonderen Stellenwert erhalten. Mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes zum 1. Januar 2012 ist es gemäß § 45 SGB VIII  Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für stationäre Einrichtung der Jugendhilfe, dass geeignete Verfahren der Beteiligung sowie Möglichkeiten der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden. Ziel dieser Verfahren ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen sowie die Sicherung deren Rechte.

 

2. Beschluss des  des Landesjugendhilfeausschusses

Im März 2010 beschloss der Landesjugendhilfeausschuss in Bayern die Entwicklung und Implementierung einer landesweiten, nachhaltigen und begleiteten Struktur für die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe einschließlich eines beschriebenen Beschwerdemanagements (LJHA 2010). Zur Entwicklung dieses Konzepts wurde der Ad-hoc-Ausschuss „Partizipation in der stationären Jugendhilfe“ vom Landesjugendhilfeausschuss eingesetzt. Der Ad-hoc-Ausschuss entschied, die Erfahrungen und Ideen von Mädchen und Jungen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben, in seine Beratungen konkret mit einzubeziehen. Das war der Startschuss für IPSHEIM, der Initiative PartizipationsStrukturen in der HEIMerziehung. Die Ergebnisse und Erfahrungen der IPSHEIM-Tagungen flossen maßgeblich in den Abschlussbericht des Ad-hoc-Ausschusses „Partizipation in der stationären Jugendhilfe“ und die zugehörigen Handreichungen ein, welche vom Landesjugendhilfeausschuss im Juli 2012 beschlossen wurden (LJHA 2012). 

3. Das Konzept des Landesheimrats Bayern

Der Landesheimrat Bayern ist ein selbst organisiertes Gremium, das sich für die Wahrnehmung der Rechte und die Vertretung der Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern einsetzt (Ad-hoc-Ausschuss des Landesjugendhilfeausschusses „Partizipation in der stationären Jugendhilfe“ 2012). Das vorrangige Ziel des Landesheimrats ist es, auf eine möglichst wirkungsvolle, gelebte Beteiligung in stationären Jugendhilfeeinrichtungen hinzuwirken.

Der Landesheimrat trägt durch seine Arbeit auf Landesebene dazu bei, dass die Belange junger Menschen in stationären Einrichtungen artikuliert werden und setzt sich dafür ein, die Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in den stationären Einrichtungen zu erweitern. Er ist als externes Gremium Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche aus Heimen und ermöglicht dabei die Beratung von jungen Menschen für junge Menschen. Weiterhin bündelt er die Interessen von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen und vertritt diese gegenüber dem Landesjugendhilfeausschuss, der Heimaufsicht und weiteren Akteuren, die für die Ausgestaltung stationärer Hilfen zur Erziehung Verantwortung tragen. Nicht zuletzt fördert er den Austausch und die Kooperation zwischen den Heimräten oder vergleichbaren Gremien in den Einrichtungen.

Der Landesheimrat besteht nach geändertem Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses im Jahr 2013 aus zwölf in geheimer Abstimmung gewählten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen aus Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern. Er wird jeweils für ein Jahr gewählt, die Wahl wird auf der landesweiten Partizipationstagung IPSHEIM durchgeführt. Alle Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen, die an der Tagung teilnehmen, sind wahlberechtigt und alle an der Tagung teilnehmenden jungen Menschen, deren Jugendhilfemaßnahme voraussichtlich noch mindestens ein Jahr andauert, können sich als Kandidatin oder Kandidat für die Wahl aufstellen lassen und sind damit wählbar. Nach der Wahl vergibt der Landesheimrat an seine Mitglieder zeitnah die Ämter der bzw. des 1. und 2. Vorsitzenden, der bzw. des 1. und 2. Schriftführerin bzw. Schriftführers, des Kassenwarts bzw. der Kassenwartin und der bzw. des Beauftragten für mediale Öffentlichkeitsarbeit.

Der Landesheimrat wird von vier Beraterinnen und Beratern – Fachkräften aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – und einer Geschäftsstelle im Bayerischen Landesjugendamt unterstützt und gefördert. Zudem wird ein beratendes Fachgremium gegründet werden, das den Landesheimrat bei Frage- und Problemstellungen unterstützt, die er nicht alleine bearbeiten kann. Dem beratenden Fachgremium sollen Vertreterinnen und Vertreter des Landesjugendhilfeausschusses angehören, auch um eine nachhaltige jugendpolitische Verankerung sicher zu stellen.

Die Projektfinanzierung erfolgt aus Haushaltsmitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration. Die Geschäftsstelle im Bayerischen Landesjugendamt verwaltet das Budget zur Unterstützung des Landesheimrats. Daraus verfügt der Landesheimrat selbst über eine Summe in Höhe von derzeit 5.000 € jährlich.
Unterstützt eine Beraterin oder ein Berater den Landesheimrat eine gesamte Legislaturperiode, wird deren Einrichtung 1.000 € jährlich als Aufwandsentschädigung erstattet.

4. Initiative PartizipationsStrukturen in der HEIMerziehung – IPSHEIM I bis III

IPSHEIM, die Initiative PartizipationsStrukturen in der HEIMerziehung, ist die landesweite Jahrestagung für Partizipation in der stationären Jugendhilfe in Bayern. Seit drei Jahren wird sie vom Bayerischen Landesjugendamt kurz vor den Sommerferien in der Jugendbildungsstätte Burg Hoheneck bei Ipsheim in Mittelfranken veranstaltet. Hier treffen sich ca. 80 Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und Fachkräfte aus stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Bayern, um vier Tage gemeinsam am Thema Beteiligung von jungen Menschen zu arbeiten. IPSHEIM fand erstmals im Jahr 2011 statt. Seit 2013 (IPSHEIM III) werden in diesem Rahmen auch jedes Jahr die Mitglieder des Landesheimrats Bayern gewählt.

Was passiert bei IPSHEIM?

Ein zentraler Aspekt von IPSHEIM ist der gegenseitige Austausch über Beteiligungsstrukturen in den Einrichtungen vor Ort. Junge Menschen und Fachkräfte diskutieren dabei unter anderem gemeinsam, wo Partizipation gut funktioniert, wo Beteiligung fehlt und was sich in Zukunft verändern sollte. In Workshops befassen sie sich mit den Kinderrechten und Best Practice Beispielen für Beteiligung, weiterhin stehen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus der Heimaufsicht, dem Jugendamt
und dem Ministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration für Informationen und Fragen zur Verfügung. Ein fester Bestandteil des Programms sind auch der Austausch und die Vernetzung mit dem Landesheimrat Hessen, der regelmäßig einige seiner Mitglieder zur Teilnahme an IPSHEIM entsendet und Bayern beim Aufbau der landesweiten Partizipationsstruktur als Vorbild diente.
Lag bei IPSHEIM I und II der inhaltliche Schwerpunkt auf der Diskussion von Möglichkeiten in Ausgestaltung und Aufbau der neuen landesweiten Partizipationsstruktur, so bildete bei IPSHEIM III im Jahr 2013 die Kandidatur der jungen Menschen für den Landesheimrat und der Fachkräfte für die Funktion als Beraterin oder Berater mit der anschließenden Wahl das Zentrum der Veranstaltung.
IPSHEIM ist stets durch eine sehr positive Stimmung, einen wertschätzenden Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhöhe gekennzeichnet und wird durch eine ausgeprägte Motivation, hohes Engagement und rege Beteiligung der jungen Menschen und der Fachkräfte geprägt.

5. Die Pilotgruppe für den Landesheimrat Bayern

Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum Landesheimrat Bayern war die Gründung einer Pilotgruppe am Ende von IPSHEIM II, die sich im Zeitraum November 2012 bis Mai 2013 vorrangig mit der Vorbereitung von IPSHEIM III und der Ur-Wahl des Landesheimrats Bayern befasste. Die konstante Arbeitsgruppe bestand aus zwölf Jugendlichen und elf Fachkräften.

Die Pilotgruppe erarbeitete folgende zentrale Ergebnisse:

  • eine vorläufige Satzung für den Landesheimrat Bayern,
  • eine Wahlordnung,
  • eine umfangreiche Ideensammlung zu den Themen Öffentlichkeitsarbeit und
    Vernetzung,
  • ein Anforderungsprofil für Kandidatinnen und Kandidaten für den Landesheimrat,
  • die Klärung des Fort- und Weiterbildungsbedarfs der jungen Menschen und der
    Fachkräfte in der Pilotgruppe,
  • die Gründung eines Wahlausschusses bestehend aus zwei Jugendlichen und zwei
    Fachkräften sowie
  • die Gründung einer Gruppe bestehend aus drei Jugendlichen und einer Fachkraft, die im Rahmen von IPSHEIM III über die Arbeit der Pilotgruppe berichtete.

Weiterhin führten die Erfahrungen in der Arbeit mit der Pilotgruppe im Jahr 2013 zu einer Anpassung des Konzepts für den Landesheimrat mit zugehörigem Beschluss durch den Landesjugendhilfeausschuss: Die Anzahl der Landesheimratsmitglieder wurde von sieben auf zwölf junge Menschen und die Anzahl der Beraterinnen und Berater von drei auf vier Fachkräfte erhöht.
Die Mitglieder der Pilotgruppe brachten sich mit großem Engagement bei der Umsetzung von IPSHEIM III ein. So wurde ein bedeutender Teil des Programms – von der Moderation, über die Durchführung von thematischen Workshops bis hin zur Gestaltung von Freizeitangeboten – von den jungen Menschen und den Fachkräften selbst gestaltet durchgeführt.
Die Pilotgruppe hat mit ihrer intensiven und konstruktiven Vorarbeit eine gute Basis für den Landesheimrat Bayern gelegt und dafür gesorgt, dass das neue Gremium seine Arbeit unter klaren Rahmenbedingungen starten kann.

6. Der Landesheimrat Bayern

Die erste Wahl des Landesheimrats Bayern am 18. Juli 2013 im Rahmen von IPSHEIM III war für alle Beteiligten ein Erlebnis und nicht nur für die jungen Menschen selbst spannend bis zum Schluss: Erst nachdem die unentschiedene Stichwahl zwischen drei Kandidatinnen und Kandidaten schließlich durch ein Losverfahren entschieden wurde, war es soweit:

Bayern hatte einen Landesheimrat!

Das Gremium setzt sich nach zwei Nachbesetzungen – unter anderem aus schulischen Gründen – in seiner ersten Amtsperiode (2013/2014) aus sechs Mädchen und sechs Jungen im Alter von elf bis 19 Jahren aus Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Oberbayern (1), Oberfranken (2), Mittelfranken (4), Unterfranken (2) und Schwaben (3) zusammen. Unter den Mitgliedern befinden sich zwei Mädchen und drei Jungen, die bereits in der Pilotgruppe aktiv waren. Begleitet wird der Landesheimrat von je zwei Beraterinnen und Beratern aus Einrichtungen aus Oberbayern (1), Mittelfranken (1) und Schwaben (2).
Bei der Konstituierung des Gremiums am 19. Juli 2013 waren neben vielen Wegbereitern und Begleitern auf dem Weg zum Landesheimrat Bayern auch hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Fachszene vertreten. Hermann Imhof, Mitglied des Bayerischen Landtags und Vorsitzender des Landesjugendhilfeausschusses, Ministerialdirektor Friedrich Seitz vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und Stefanie Krüger, Leiterin der Verwaltung des Bayerischen Landesjugendamts, begrüßten den Landesheimrat in seinem Amt und wünschten den Mitgliedern viel Erfolg für ihre wichtige Aufgabe.

Mittlerweile haben zwei Sitzungen des Landesheimrats stattgefunden und die Ämter für Vorsitz, Schriftführung, Kassenwartschaft und Öffentlichkeitsarbeit wurden vergeben. Als erster Vorsitzender wurde David Krieger, als zweite Vorsitzende Vanessa Rohmann gewählt.
Der Landesheimrat erstellte eine Agenda für die Amtsperiode 2013 / 2014. Um das Gremium bekannt zu machen, legten die Mitglieder den Schwerpunkt auf das Thema Öffentlichkeitsarbeit. Der Landesheimrat wird eine Internetseite einrichten und ein Logo entwerfen. Die stationären Jugendhilfeeinrichtungen in Bayern sollen durch persönliche Besuche der Landesheimratsmitglieder über das neue Gremium auf Landesebene informiert werden. Zudem werden auf Anfrage öffentliche Auftritte stattfinden. Inzwischen ist der Landesheimrat auch unter info@landesheimrat.bayern.de per E-Mail erreichbar und freut sich auf die Kontaktaufnahme von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen aus Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Bayern. Inhaltlich will sich der Landesheimrat zunächst mit den Rechten von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen in stationären Jugendhilfeeinrichtungen befassen und sich insbesondere des Themas „Wahrung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses“ annehmen.

Der Aufgabenspeicher des Landesheimrats ist prall gefüllt und enthält viele weitere Themen wie die Erstellung eines mehrsprachigen Rechtekatalogs, das Verfassen von Pressemitteilungen und die Gestaltung einer Informationsbroschüre über die Arbeit des Landesheimrats Bayern. Langfristig haben sich die jungen Menschen auch „das Bohren dicker Bretter“ vorgenommen und möchten sich mit finanziellen Aspekten, wie der „Heranziehung junger Menschen zu den Kosten stationärer Maßnahmen“ befassen.

7. Grundlegende Erfahrungen und Fazit

Ernst genommene Partizipation bringt Aushandlungsprozesse mit sich, die viel Zeit benötigen. Diese beinhalten auch die Herausforderung, unterschiedlichen Interessen, Wünschen und Anliegen sowohl innerhalb der eigenen (oft heterogenen) Gruppe als auch Anforderungen und Vorgaben von außen gerecht zu werden. Die Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen einer ernsthaften Beteiligung begleitet diese Prozesse beständig und stellt an alle Beteiligten hohe Anforderungen.
Gleichzeitig bleibt viel Raum für Kreativität und Lust am Ausprobieren: Viele Spielräume bestehen im Landesheimrat Bayern und hängen zu einem großen Teil von der Ausgestaltung durch die gewählten jungen Menschen ab. Eine Tätigkeit im Landesheimrat Bayern hält für junge Menschen die große Chance der aktiven Mitgestaltung und die Möglichkeit, sich selbst mit seinen individuellen Vorstellungen einzubringen, bereit.

Die Erfahrungen des Bayerischen Landesjugendamts mit IPSHEIM I bis III und der Arbeit mit der Pilotgruppe und dem neu gewählten Landesheimrat Bayern zeigen: Lässt man sich ernsthaft auf dieses Spannungsfeld ein, so wird man erste Früchte des Erfolgs schon bald ernten können!

Stefanie Zeh-Hauswald

aus: ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 1-3/2013