Anforderungsprofil für Fachkräfte im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamts

Ergebnisse der Befassung auf der 17. gesamt­bayer­ischen Jugendamtsleitungstagung


Einführung

Der fachliche Schwerpunkt der diesjährigen gesamtbayerischen Jugend­amts­lei­tungs­tagung in Weiden vom 09. bis 11. Mai beschäftigte sich mit dem Thema: „Anforderungsprofil der Fachkräfte in Jugendämtern vor dem Hintergrund der Bachelorstudiengänge Soziale Arbeit“.

In der Vorbereitung der Tagung wurde von einer Arbeitsgruppe des Landes­ju­gend­amts ein Diskussionspapier erarbeitet, das die notwendigen Kenntnisse und Fähig­kei­ten der Fachkräfte des Allgemeinen / Kommunalen Sozialdienstes bzw. der Be­zirks­sozial­arbeit1 beschreiben sollte. Der Vorschlag zu diesem An­for­de­rungs­pro­fil  (Worddatei - pdf-Datei) wurde auf der Jugendamtsleitungstagung von den Teil­neh­me­rin­nen und Teilnehmern geprüft, erweitert und präzisiert und anschließend in die Diskussion mit den Hochschulen über das Qualifikationsniveau der  Studien­ab­gän­ger eingebracht.

Der folgende Artikel beschreibt den aktuellen Zwischenstand der Befassung.

Wie ist das vorliegende Anforderungsprofil für Fachkräfte im ASD des Jugendamts entstanden?

Ein Anforderungsprofil fasst personenunabhängig zusammen, über welche Merk­ma­le (Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten, etc.) eine Fachkraft auf dieser Position in welchem Ausmaß verfügen muss, um ihre Rolle, ihre Funk­tio­nen und Aufgaben erfolgreich erfüllen zu können. Dabei werden sowohl aktuelle und zukünftige, als auch interne und externe Anforderungen an das Arbeitsgebiet berücksichtigt.

Um das Anforderungsprofil für Fachkräfte des ASD’s im Jugendamt zu entwickeln, bestimmte die vorbereitende Arbeitsgruppe des Landesjugendamts den Auftrag, die Ziele und die Aufgaben des Arbeitsfeldes ASD, sowie die vorherrschenden Ar­beits­be­din­gun­gen (z. B. kognitive, psychische, soziale, körperliche Belastungen). Im Anschluss daran wurden die für eine erfolgreiche Zielerreichung und Be­wäl­ti­gung der Aufgaben notwendigen Kompetenzen der Fachkräfte des ASD’s im Jugendamt beschrieben. In diesem Prozess hat sich die Arbeitsgruppe des Landesjugendamts orientiert an den korrelierenden gesetzlichen Vorgaben (z. B. dem SGB VIII) bzw. den Empfehlungen von Fachbehörden, die Auskunft geben über die geforderten Berufsausbildungen und Kompetenzen von Fachkräften (z. B. Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII des Landes­ju­gend­hil­fe­aus­schusses).
Darüber hinaus wurden relevante Diskussions- und Positionspapiere einschlägiger Arbeitsgemeinschaften2,  forschungsergebnisse aus Untersuchungen3, die sich mit den Aufgabenprofilen und  Qualifikationsanforderungen im Arbeitsfeld Jugendamt beschäftigen, einbezogen und (ehemalige)  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ASD’s zu ihren Erfahrungen befragt.

Der so entwickelte Vorschlag eines Anforderungsprofils wurde auf der gesamt­baye­ri­schen Jugendamtsleitungstagung von den bayerischen Jugend­amts­lei­tungen ge­gen­ge­prüft. Zu diesem Zweck untersuchten die Jugendamtsleitungen besonders herausfordernde Si­tua­tio­nen, mit denen ASD-Fachkräfte im Rahmen ihrer Auf­gaben­er­fül­lung konfrontiert werden, dahingehend, mit welchen Verhaltensweisen diese Situationen mutmaßlich erfolgreich gemeistert werden können. Aus diesen Verhaltensbeschreibungen wurden wiederum die Kenntnisse, Fähigkeiten und Hal­tun­gen abgeleitet, über die eine Fachkraft verfügen muss, um diese Be­wäl­ti­gungs­stra­te­gien durchführen zu können.

Wie ist das vorliegende Anforderungsprofil der Fachkräfte des ASD’s auf­ge­baut?

Mittels der beiden geschilderten Vorgehensweisen ist ein Anforderungsprofil für die Fachkräfte im ASD des Jugendamts entstanden, das sich in vier Kom­pe­tenz­be­reiche untergliedert:

  1. Fach- und Sachkompetenz: als Fähigkeit und Bereitschaft, berufliches Fachwissen, Theorien und Handlungswissen für die selbständige und qualifizierte Bearbeitung von Aufgaben- und Problemstellungen zu nutzen.
  2. Methodenkompetenz: als Fähigkeit und Bereitschaft, systematisch spezifische berufliche Arbeitsweisen und -konzepte zu nutzen.
  3. Soziale Kompetenz: als Fähigkeit und Bereitschaft, zielorientiert mit anderen zusammen zu arbeiten, die Interessen und sozialen Situationen der anderen zu erfassen, sich mit ihnen auseinander zu setzen und zu verständigen und so die Arbeits- und Lebenswelt mitzugestalten.
  4. Persönliche Kompetenz bzw. Selbstkompetenz: die Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Leben selbstverantwortlich im jeweiligen sozialen, kulturellen und beruflichen Kontext zu gestalten, das eigene Handeln im sozialen Kontext zu reflektieren und die eigene Handlungsfähigkeit zu erweitern.

Die Zuordnung der Einzelkompetenzen zu den vier Kompetenzbereichen ist ins­besondere bei den Kategorien Methoden- und Sozialkompetenz nicht immer ganz trennscharf gelungen. Dies erscheint jedoch duldbar, da die oberste Priorität bei der Entwicklung des Anforderungsprofils eine möglichst vollständige Darstellung der Kom­pe­ten­zen war und nicht deren definitorisch eindeutige Zuordnung zu dem Ord­nungs­kri­te­rium „Kompetenzbereiche“. Zur besseren Handhabbarkeit des An­for­de­rungs­profils wurde bei der Beschreibung der Kompetenzen ein mittleres Ab­strak­tions­niveau gewählt. Ein zu hohes Abstraktionsniveau birgt die Gefahr, mit
All­ge­mein­plätzen an Aussagekraft zu verlieren; ein detaillierteres Anforderungsprofil wirkte durch die Menge an Items zu unübersichtlich4.

Zugunsten der Übersichtlichkeit erstrecken sich auch dort, wo nicht explizit genannt, die geforderten Kompetenzen sowohl auf die internen als auch die externen Arbeitsbezüge.

Bei der Aufzählung der Kompetenzbereiche und auch in der Reihung der Einzel­kom­petenzen innerhalb der vier Kompetenzbereiche wurde keine bewusste Rang­ordnung vorgenommen, da kein für alle bayerischen Jugendämter allgemein gül­ti­ges Sortierkriterium festlegbar war. Die Reihenfolge der Items ist somit zufällig.
Zur Orientierung wurde darüber hinaus eine grobe Zuordnung der Kompetenzen zu den  zentralen Aufgabengebieten des ASD, der (einzel-)fallbezogenen Hilfe und der strukturbezogenen Arbeit (mitunter auch „fallunabhängige Arbeit“ genannt), ver­sucht, die ebenfalls nicht absolut trennscharf ist.

Eine weitere Besonderheit des vorliegenden Anforderungsprofils ist, dass jede Einzelkompetenz mit einem Ausprägungsgrad versehen werden kann. Es werden die so genannten Kompetenzstufen (1) Wissen, (2) Verstehen, (3) Anwenden vorgeschlagen. Sie ermöglichen ein Anforderungsprofil, dessen Anspruch an die Kompetenzausprägung der Fachkraft mit deren Verweildauer auf der Position steigt5. Während bspw. Berufsanfänger nach ihrem Studium, „nur“ Grundkenntnisse (= 1 Wissen) über die Organisation und den Auftrag des Jugendamts, insbesondere des ASD haben werden, sollte die Fachkraft nach ihrer Einarbeitung diese Kenntnisse in ihrer täglichen Arbeit auch einsetzen können (= 3 Anwenden).

Gleichzeitig kann es bei einigen Einzelkompetenzen sein, dass selbst die erfahrene Fachkraft im ASD nicht die dritte Stufe (= Anwendung) erreichen muss, um ihre Auf­gaben erfolgreich bewältigen zu können. Dies hängt zum einen von der kon­zep­tio­nel­len Ausrichtung des jeweiligen ASD’s ab (z. B. klassische Fallverteilung versus Sozialraumkonzept) bzw. davon, welche Leistungen der Jugendhilfe in Spe­zial­dien­sten (z. B. Trennung und Scheidung) organisiert sind. So ist diese Zuordnung von Kompetenzstufen zu Einzelkompetenzen von jedem Jugendamt or­ga­ni­sa­tions­spe­zi­fisch selbst vorzunehmen.

Und jetzt? – Wie geht’s weiter?

Mit dem Erscheinen des Anforderungsprofils für Fachkräfte im ASD eines Ju­gend­amts in diesem Mitteilungsblatt verbindet das Landesjugendamt die Bitte an alle Jugendämter, diese Handreichung auf ihre Praxistauglichkeit hin kritisch zu prüfen. Nicht nur für den Diskurs mit den ausbildenden Hochschulen kann das An­for­de­rungs­pro­fil hilfreich sein, sondern auch bei der Erstellung von Stel­len­aus­schrei­bungen, bei der Personalauswahl, der Personalentwicklung und anderen Per­so­nal­ma­na­ge­mentprozessen im Jugendamt.

Um dieser vielfältigen Nutzbarkeit entgegen zu kommen, kann das An­for­de­rungs­pro­fil hier als Word-Dokument abgerufen werden. So ist es möglich, das Profil den Gegebenheiten vor Ort  anzupassen, mit Verhaltensmarkern für Auswahlverfahren zu hinterlegen, den Qualifikationsprofilen von  Stelleninhaberinnen und -inhabern gegenüberzustellen, um Personalentwicklungsmaßnahmen zu fundieren und vieles mehr.

Die Arbeitsgruppe im Landesjugendamt nimmt gerne Erfahrungsberichte unter annette.reiners@zbfs.bayern.de entgegen und Anregungen auf, an welchen Punkten Verbesserungen und Ergänzungen für einen bayernweiten Einsatz erforderlich erscheinen.

Darüber hinaus ist ein Fachforum für Führungskräfte zum Thema „An­for­de­rungs­ge­rech­te und kompetenzorientierte Personalentwicklung im Jugendamt“ geplant, in dessen Rahmen der Ansatz des Anforderungsprofils (Worddatei - pdf-Datei) und die Erfahrungen damit im Rahmen von Einarbeitungs- und anderen Per­so­nal­ent­wick­lungsinstrumenten ausgetauscht werden können.

Im Jahresbericht des Bayerischen Landesjugendamts für das Jahr 2011 wird für interessierte Leserinnen und Leser ein ausführlicher Bericht über den Er­stel­lungs­pro­zess des Anforderungsprofils, die  Anwendungsmöglichkeiten und die Erfahrungsberichte erscheinen.

Quellenangaben:

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (2010): Diskussionspapier ASD – mehr als Kinderschutz! Ziele, Aufgaben, Methoden und Orientierung im Hinblick auf die Kinder- und Jugendhilfe.

Beher,K.; Gragert, N. (2004): Aufgabenprofile und Qualifikationsanforderungen in den Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe. Abschlussbericht – Band 1. Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut, Universität Dortmund.

Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst/Kommunaler Sozialer Dienst – BAG ASD/KSD (2011): Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD/KSD.

Klug, P. + Partner: Anforderungsprofil http://klug-md.de/Wissen/Anforderungsprofil.htm abgerufen am 12.11.2011.

Kreissl, T. (2011): Die Anforderungsanalyse als Voraussetzung einer zielgerichteten Personalentwicklung. Grin Verlag.

ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (2006): Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII. Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 15.03.2006.

Annette Reiners

1 folgend in diesem Artikel wird der besseren Lesbarkeit halber für Allgemeinen / Kommunalen Sozialdienst/Bezirkssozialarbeit nur noch die Abkürzung „ASD“ verwendet.
2 z. B. Diskussionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ): ASD – mehr als Kinderschutz! oder das Rahmenprofil der BAG ASD/KSD: Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD / KSD
3 vgl. Beher,K.; Gragert, N. (2006)
4 Ein hohes Abstraktionsniveau wäre z. B. die Kompetenz „Kom­mu­ni­ka­tions­fähig­keit“, ein niedriges Abstraktionsniveau wäre z. B. „Gehörtes in eigenen Worten wiedergeben können“, „nonverbale Zeichen der Aufmerksamkeit einsetzen können“, etc. Auf einem mittleren Abstraktionsniveau könnte man die „Beratungs- und Gesprächsführungskompetenz“, die „Fähigkeit sich klar und sicher in Wort und Schrift formulieren zu können“, etc. verorten.)
5 Hierbei ist natürlich nicht die Verweildauer an sich ausschlaggebend, sondern die Praxiserfahrung, die im Laufe der Zeit zunimmt, sowie die gezielte Per­so­nal­ent­wick­lung der Fachkraft.

aus: ZBFS Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 6/2011