Erfahrungsbericht aus dem Amt für Jugend und Familie in Bad Tölz - Wolfrathausen

Der Aufgabenbereich des Sozialen Außendienstes beinhaltet beim Amt für Jugend und Familie in Bad Tölz - Wolfratshausen u. a. die Trennungs- und Scheidungsberatung sowie die Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren. Auch unabhängig von der Kindschaftsrechtsreform haben wir aufgrund unserer Aufgaben Kontakt mit Familien in Trennungs- und Scheidungssituationen.
Während sich die Erwachsenen Unterstützung und Hilfe mittels Beratungsstellen und Rechtsanwälten holen können, gehen die Kinder in bezug auf Gehör und Verständnis oft leer aus. Aus diesen sich ständig wiederholenden, ähnlichen Familiensituationen wuchs bei uns die Idee, eine Selbsthilfegruppe für Kinder zu gründen, um diese zu stärken und ihnen Solidarität mit anderen Kindern zu ermöglichen, die eine ähnliche Situation aufgrund der Trennung und Scheidung der Eltern erleben.
Die Idee wurde 1996 geboren. Nach internen Absprachen und der Suche nach Mitstreitern ging es frisch ans Werk. Zunächst besuchten zwei Kollegen/Kolleginnen zwei verschiedene Fortbildungen zur Gruppenarbeit mit Kindern aus Trennungs- und Scheidungsfamilien. Danach wurde eine Konzeption erstellt. Diese wurde nach fünf abgeschlossenen Kindergruppen nochmals überarbeitet.
Parallel zur Konzeptarbeit wurde in Fundfunk und Presse die Öffentlichkeit informiert. Einzelne Eltern wurden auf unser Angebot angesprochen. Beratungsstellen und Therapeuten im Landkreis wurden informiert - auch hinsichtlich einer Zusammenarbeit.

Rahmenbedingungen

Vor Beginn der Kindergruppe wurden Vorgespräche geführt. Die Eltern und die Kinder wurden über die Gruppe informiert. Sie konnten sich ein Bild über den Ablauf und den Inhalt machen und im Gegenzug konnten wir die Kinder kennen lernen. Nach den Vorgesprächen hatten sowohl Eltern als auch Kinder die Möglichkeit, sich über die Teilnahme zu entscheiden. Eine Rückmeldung wurde von ihnen in den nächsten Tagen erwartet.
Wir konnten für uns feststellen, dass es sehr wichtig ist, die Arbeit im Trennungs- und Scheidungsverfahren von der Durchführung der Kindergruppen sorgfältig zu trennen. Dementsprechend wird in der Regel darauf geachtet, dass die Gruppenleitung nicht gleichzeitig mit den Kindern in der Trennungs- und Scheidungsberatung zu tun hat.
In den Vorgesprächen ist unbedingt mit den Eltern zu besprechen, ob die Kinder Therapien besuchen. Von Kindern mit stark dissozialem Verhalten ist dringend abzuraten, da das von uns ausgearbeitete Gruppenprogramm für solche Kinder nicht geeignet ist.

Ausschlusskriterien können sein:

  • Kinder in laufenden Therapien,
  • Kinder mit bereits bekannten, massiven Verhaltensauffälligkeiten,
  • fehlende Motivation bei Kind und/oder Eltern.

Es werden Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren aufgenommen. jüngere Kinder tun sich zum Teil schwer durchzuhalten, dem Inhalt folgen und leben oftmals noch in einer phantasiegeprägten Welt. Die obere Altersgrenze stellt der Beginn der Pubertät dar.
Es wird versucht, die Gruppen gemischtgeschlechtlich zu besetzen.
Die Aufnahme von Geschwistern haben wir nach und nach vermieden, da diese oftmals in Konkurrenz zueinander standen und das einzelne Kind zuwenig zur Geltung kam.
Die ideale Gruppengröße beläuft sich auf sechs bis neun Kinder unter der Leitung einer Sozialpädagogin und eines Sozialpädagogen. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, die Leitung gemischtgeschlechtlich zusammenzustellen, damit die Kinder einen Mann und eine Frau erleben können.
Zu Beginn dieses Projekts trafen sich die Kinder zwölfmal für eineinhalb Stunden einmal in der Woche. Wir stellten fest, dass die Kinder längerer Zeit brauchten, um sich einzufinden, wohlzufühlen und ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Der Abschied stand somit zu schnell bevor. Deshalb erweiterten wir auf fünfzehn Treffen für jeweils eineinhalb Stunden.

Die Gruppenstunden finden bei uns in einem großen Besprechungsraum mit möglichst wenig äußeren Anreizen statt. Auf dies ist besonders zu achten, da die Kinder durch Spielmaterial oder ähnliches sehr leicht abgelenkt werden und sie teilweise sogar diese Ablenkung suchen, wenn an wunde Punkte gestoßen wird. Ein Raum, der möglichst anspruchslos ist, ist am besten geeignet.

An Aufwendungen fallen Kosten für Getränke, etwas Lebensmittel, Bastel- und Malmaterial, Bücher und das Abschlussfest an. 20,- DM für jedes Kind werden von den Eltern erbeten. Die Kindergruppen tragen sich somit selbst. Ausgaben und Einnahmen halten sich die Waage. Kosten für Raumbenutzung und Arbeitszeit werden vom Etat des Amts für Jugend und Familie übernommen.

Programm

Jede Gruppenstunde wurde vorher einzeln vorbereitet. Hierbei wurde von uns ein Thema ausgesucht und überlegt, mit welcher Methode es bearbeitet werden kann und wie es die derzeitige Gruppensituation erfordert. Im Anschluss an die einzelnen Gruppenstunden erfolgte stets eine Auswertung, die wiederum für die Gestaltung der nächsten Stunde als Vorbereitung diente. Die einzelnen Gruppenvorbereitungen konnten zum Großteil umgesetzt werden. Manche Teile mussten wegen Zeitmangels verschoben oder wegen der derzeitig herrschenden Gruppendynamik umgeändert werden.
Für ein gutes Miteinander werden zu Beginn die Regeln festgelegt. Diese lauteten zum Beispiel: andere ausreden lassen, zuhören, sich abmelden, falls man nicht kommen kann, nicht zuhause petzen, Verschwiegenheit der Leitung gegenüber den Eltern, die Freiheit des einzelnen Kindes, zuhause etwas von sich zu erzählen, Pünktlichkeit.
Die Feinstruktur der einzelnen Gruppenstunden gab den Kindern Halt und Orientierung. Nach einem Anfangsritual als Begrüßung, dem Spiel "Gordischer Knoten" und den meist nach der fünften Einheit eingesetzten Befindlichkeitskärtchen konnte die Gruppenarbeit beginnen. Die Methode der Befindlichkeitskarten, wonach die Kinder der Reihe nach kurz über ihre derzeitige Befindlichkeit und Situation sprechen konnten, bewährte sich. Dies eignete sich vor allem als Überleitung zur nächsten Arbeitseinheit. Die Kinder wurden dadurch angehalten, über sich und ihre Gefühle zu reflektieren und sie den anderen mitzuteilen. Auf diese Weise erlangten sie in der Benennung ihrer Gefühle im Laufe der Zeit eine große Sicherheit.
Nach dem Anfangsritual erfolgte die Durchführung eines bestimmten Themas wie z. B. Bearbeitung von Konflikten. Die Themenschwerpunkte waren außerdem: Gruppenregeln definieren, Gruppennamen finden, Gefühle erfahren, benennen und auch scheidungsbezogene Gefühle auszudrücken, Konflikte benennen und Lösungen suchen, Träume und Wünsche erarbeiten und versuchen, diese in die Realität umzusetzen sowie Abschied von erfüllten Wünschen nehmen.
Die Pausen waren ein wichtiger Bestandteil des Gruppenablaufs. Hier konnten sich ungezwungene Gespräche entwickeln, die zu größerer Vertrautheit beitrugen.
Trotz aller Vorbereitung muss stets auf die Gruppendynamik geachtet werden. Die Kinder brauchen oft viel Zeit für Malen und Basteln. Jedoch sollten die Zeiten für Spiel und Inhalt ausgeglichen sein.

Am besten ist, man erarbeitet Inhalte spielerisch. Die Methodenvielfalt reichte von der Begleitung durch eine "Anna-Geschichte", Malen, Erzählen, Buch vorlesen, Basteln, Bewegen, Pantomime, Rollenspielen, Expertenrunden, Vertrauensspielen, Meditationen, Collagen, Verbrennung von nichterfüllten Wünschen, Feiern, Befindlichkeitskärtchen bis hin zu Verkleidungsspielen, Gespräche im Stuhlkreis, Wahrnehmungsübungen und Videoarbeiten.
Die Kinder sprechen auf die unterschiedlichen Methoden sehr gut an. Es ist jedoch dabei wichtig zu beachten, gewissen Methoden zu wiederholen, damit die Kinder Sicherheit darin erlangen.

Umsetzung

Im großen und ganzen wurden in den fünfzehn Einheiten die typischen Gruppenphasen durchlaufen.
In den ersten beiden Einheiten fand die Orientierungsphase statt. Die Kinder lernten sich kennen und fanden schnell Vertrauen zueinander, da sie nämlich eines gemeinsam hatten: Die Eltern wohnen nicht mehr zusammen.
Es folgte die Machtkampfphase. Am Anfang waren die Gruppen oft ziemlich chaotisch. Das heißt, einige Kinder versuchten zu stören, um vom Thema abzulenken, andere, um Aufmerksamkeit zu erhalten oder auch im Hintergrund zu bleiben, so als wenn sie gar nicht richtig zur Gruppe gehörten. Andere wiederum waren richtige kleine "Professoren", die immer ihren "Senf dazugeben" mussten.

Im Anschluss an die Orientierungsphase versuchten die Kinder oft, vom Thema Trennung und Scheidung abzulenken, das von uns erstellte Programm zu verändern oder dieses gar zu boykottieren und mit Rückzug auf dieses Thema zu reagieren. Es musste somit immer wieder mit ihnen zusammengeklärt werden, warum sie in der Kindergruppe sind. Durch das Thematisieren, das Ausdrücken der Gefühle der Kinder und das Setzen klarer Grenzen konnten die Kinder in dieser Phase aufgefangen werden.
In der Phase der Verfestigung und der Differenzierung konnte mit den Kindern gut gearbeitet werden. Bei uns entstand der Eindruck, dass diese Kinder etwas länger brauchten, um sich zu öffnen und sich auf die Thematik einzulassen. Die Kinder bauten in dieser Phase Kontakte auf, die zum Teil zu Freundschaften führten. Beim Verhalten der Kinder war zu beobachten, dass sie sich gegenseitig wertschätzten und solidarisch unterstützten. Aus einigen Äußerungen war herauszuhören, dass ihr Selbstwertgefühl und ihre Eigensicherheit gestärkt wurden. Zunehmend wurde mehr Körperkontakt aufgenommen und zugelassen. Erst ab dieser Zeit wurden fehlende Kinder vermisst. Die nach und nach entstandenen freundschaftlichen Kontakte führten nie zu einer Cliquenbildung oder zu Außenseitern. Es war auffallend, dass die Kinder sehr gerecht waren und Naschereien, welche manchmal von zuhause mitgebracht wurden, überaus gerecht unter allen Kindern aufgeteilt wurden. Es wurde jedes Kind mit seinen "Eigenarten" von den anderen Kindern und der Leistung akzeptiert.

Schließlich brach die Trennungsphase an und es galt, langsam Abschied zu nehmen, Die Kinder ließen sich nur widerwillig auf den Abschied ein; z. B. mussten die Kinder des öfteren darauf hingewiesen werden, dass ein Abschiedsfest geplant werden müsse. Auf Hinweise von Seiten der Leitung sind die Kinder oftmals überhaupt nicht eingegangen und haben es schlichtweg ignoriert.

Als die Kindergruppe nun doch zu Ende ging, sagten einige Kinder immer wieder, dass sie es nun überhaupt nicht einsehen, nicht mehr kommen zu können. Es wurde der Eindruck gewonnen, dass den Kindern der endgültige Abschied am letzten Tag sehr schwer fiel. Die Kinder waren sich einig, dass man die Kindergruppe weiterempfehlen könne, aber nur für Kinder, deren Eltern geschieden bzw. getrennt leben.

In der vorletzten Gruppenstunde wurde mit den Kindern zusammen die Kindergruppe ausgewertet. Die Kinder erinnerten sich in der Regel an die vielen Spiele, Methoden und Themen. Vor allem nahmen sie mit nach Hause, dass sie nicht schuld an der Scheidung sind, dass sie ihren Gefühlen trauen dürfen und auch Worte dafür finden, diese auszudrücken und auch Mut haben dies zu tun. Einstimmig berichteten die Kinder, dass Sie nun mehr über Trennung und Scheidung wissen. Sie waren beruhigt, dass es ihnen allen gleich geht und sie nicht alleine sind. Es hat ihnen gut getan, sich untereinander auszutauschen und miteinander sehr viel Spaß zu haben.
Von den Eltern erfuhren wir, dass die Kinder zum Teil zuhause freier über die Trennung und Scheidung erzählten und nach einem Gruppenbesuch sowohl gut gelaunt, ausgelassen, aber auch nachdenklich gestimmt waren.
Im Laufe der Monate wurden bei den Kindern Veränderungen bemerkt. Hierzu einige Beschreibungen zu einzelnen Kindern Namen zum Schutz der Kinder geändert):

  • Daniela spricht öfters über Trennung und Scheidung, hat jedoch nach wie vor Versöhnungswünsche und gleichzeitig Angst. Sie konnte ihre Gefühle äußern und damit andere anstoßen, sich ebenfalls zu äußern, Nach anfänglichen Schwierigkeiten integrierte sie sich gut in die Gruppe und suchte häufig Kontakt zu der Leitung. Von zuhause erschien das Kind oft traurig, bedrückt und belastet. Sie sucht nach Anerkennung, albert gerne herum und genießt es, beachtet zu werden Der Streit der Eltern ist für sie sehr schlimm, sie ist enttäuscht, ihr Vertrauen ist tief erschüttert. Sie beklagt, dass sie nur bei der Mutter ist, da diese sie braucht, damit sie sich nichts antut.
  • Veronika sieht in der Trennung eine naheliegende Möglichkeit, Problemen aus dem Weg zu gehen. Das Bild über ihren anfangs so positiv geschilderten Vater veränderte sich zunehmend. Zeitweise wirkte sie sehr erwachsen und übernahm eine Mutterrolle für die anderen Kindern. Sie konnte sich aufgrund ihres Intellekts gut ausdrücken, doch zeigte sich her mehr auch ein Hang zur Einsamkeit.
  • Siegfried, welcher am Anfang sehr verängstigt und eingeschüchtert war, konnte sich zwar gut ausdrücken, doch erst nach dem zweiten Drittel der Gruppensitzungen taute er auf und gab sich oftmals ausgelassen und lustig. Dieser äußerte u. a.: Die Kinder schauen ja gar nicht wie Scheidungskinder aus, nur mir sieht man es an.
  • Oliver zeigte sich anfangs sehr altklug und wusste immer alles besser. Durch seine recht guten Beiträge konnte er jedoch oft Anstoß für die anderen Kinder geben und hatte in dieser Beziehung eine Führungsrolle. Oliver war stets überkorrekt und hatte einen ziemlich übertriebenen und ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er war stets rational und konnte auch aus diesem Grund ziemlich gute Beiträge liefern. Im Laufe der Zeit wurde Oliver immer lockerer und er genoss es auf einmal zu spielen und herumzualbern. Er brachte oft Süßigkeiten mit in die Gruppe. Den "Professor" legte er immer mehr und mehr ab, so dass er am Schluss verschwunden war. Man merkte ihm an, dass er gerne kam, da er oft pfeifend den Flur entlang marschierte. Beim Thema Scheidung war er oftmals sehr ernst, aber er konnte auch sagen, was ihm zuhause nicht passte.
  • Thomas, ein ruhiger Junge, sprach nicht gerne über das Thema Scheidung und vermittelte den Eindruck, dass er sein Familienleben eher geheimhalten möchte. Um war es sehr unangenehm, dass seine Schwester Sabine berichtete, dass der geliebte Vater alkoholkrank sei, Thomas ist von seiner Art her eher jemand, der aus der Reserve gelockt werden musste, der aber trotzdem stets bei der Sache war,
  • Sabine war sehr offen und konnte auch z, B, von einem bösen Traum erzählen, der gemeinsam mit der Gruppe aufgearbeitet wurde. Sie hat Mut gefunden, über ein Tabu zu sprechen, nämlich, dass ihr Vater Alkoholkrank ist und sie nicht weiß, wie sie mit ihm umgehen soll.
  • Simon war sehr selbstbewusst für sein Alter, ein richtiger kleiner Lausbub. Simon hatte für sein Alter ziemlich gute Ansichten, er sagte z. B., dass er es traurig fide, das sich die Eltern immer nur um die Kinder streiten würden.Au8erdern stellte er fest, dass beide Eltern schuld an der Scheidung haben, Anfangs wollte er nicht so gerne in die Gruppe, sondern lieber mit seinen Freuden spielen, was sich im Laufe der Zeit allerdings ändert. Falls ihm das Thema zu unangenehm wurde, lenkte er gerne ab oder lie8 sich gerne ablenken. Zunehmend hole er sich seine Zuwendung durch Erfolg und nicht mehr durch störendes Verhalten.
  • Sarah konnte als ruhiges und zurückhaltendes Mädchen beschrieben werden. Sie hatte am Anfang sogar Angst, die Hand zu reichen. Nach und nach beteiligte sie sich am Gruppengeschehen. Sarah konnte den anderen Kindern nicht erzählen, dass sie in einer Pflegefamilie lebt und ihre Eltern vor kurzem geschieden wurden. Sie beschwerte sich sogar, dass jede Stunde etwas Neues wäre. Einmal berichtete sie, dass sie sich einsam fühlt, doch dies wurde sofort besser, als sie merkte, dass es den anderen Kinder auch so geht. Nach und nach konnte sie sich stärker in die Gruppe einbringen, taute langsam auf und wurde lebhafter.

Elternabende

Insgesamt wurden für eine Kindergruppe drei Elternabende abgehalten. Die Elternabende dauerten 1 ½ Stunden. Aufgrund zahlreicher Termine, welche die Eltern wahrnehmen mussten, reduzierten wir von ursprünglich vier auf drei Elternabende. Es wurden beide Elternteile eingeladen. Im Mittelpunkt der Elternabende stand eine Rückmeldung aus den Kindergruppen, Fragen zu klären und mit den Eltern daran zu arbeiten, Verständnis für die Situation der Kinder zu erarbeiten. Zentrales Thema der Elternabende war wiederholt die gemeinsame elterliche Verantwortung.

Anhand eines einschlägigen Videos, indem die Kindergruppenarbeit dargestellt wird, zeigten wir den Eltern unter dem Aspekt Trennung Scheidung Perspektiven bzw. Alternativen zum Umgang mit den Kindern auf.
Bereits in den Vorgesprächen wiesen wir auf die Wichtigkeit hin, an den Elternabenden verbindlich teilzunehmen. Leider mussten wir feststellen, dass manche Elternteile dieses Unterstützungsangebot nicht regelmäßig in Arispruch nahmen Dies fährten wir darauf zurück, dass diese Elternteile noch zu sehr emotional miteinander verstrickt waren und daher die Präsenz des jeweils anderen bei den Treffen nicht aushalten konnten.

An den ersten Elternabenden zeigten sich die Eltern zurückhaltend und waren sich fremd. Mit der Zeit merkten sie, dass sie alle die gleiche Situation der Trennung und Scheidung erlebten. Zunehmend traten sie in Austausch und Diskussion.

Für die Leitung war es wichtig, bei den Eltern behutsam vorzugehen, damit diese nicht unnötig mit Schuldgefühlen belastet wurden, wenn sie erfahren, wie Kinder Trennung und Scheidung erleben.
Am Ende der Kindergruppe und auch der Elternabende wurde gemeinsam die Kindergruppe ausgewertet und den Eltern auch dementsprechend in Einzelgesprächen Rückmeldung über ihre Kinder gegeben. Sowohl von den Eltern als auch von den Kindern erhielten wir durchwegs positive Rückmeldungen.

Ausblick

Uns haben die jeweiligen Gruppen viel Spaß gemacht. Wir konnten einige Erfolgserlebnisse "verbuchen" und somit die sonst so belastende und von direktem Erfolg nicht gerade gekrönte Trennungs- und Scheidungsberatung um einen angenehmen Teil bereichern.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Form der Prävention weitergeführt werden kam. Angesichts des besonderen Stellenwertes, den die Kinder im neuen Kindschaftsrechtsreformgesetz zugesprochen bekommen haben, sollten derartige Programme künftig vermehrt Beachtung finden. Dazu muss einerseits die Notwendigkeit solcher Projekte bei den Fachleuten noch deutlicher erkannt werden, andererseits müssen die personellen und finanziellen Voraussetzungen hierfür geschaffen werden und längerfristig gesichert sein.

Überblick über die Grobstruktur der Gruppenarbeit

     
Kennen-
lernen
1./2. Sitzung: "Wir lernen uns kennen und werden eine Gruppe"
- Interessensklärung
- Gruppenname
- Gruppenregeln
 
Information 3. Sitzung "Was passiert eigentlich bei einer Trennung oder Scheidung?
- eigene/fremde Geschichte
- Aufklärung/Enttabuisierung
- Stärkung: "Wir vertreiben das Scheidungsmonster!"
Gefühle 4./5. Sitzung: "Welche Gefühle löst eine Trennung oder Scheidung aus?"
- Gefühle und Befindlichkeiten erfahren und benennen
- Gefühlsskalen / -karten
  6. Sitzung Sitzung: "Wie ich mich heute in meiner Trennungs- und Scheidungsfamilie fühle..."
- Gefühle ausdrücken
- Gefühle im Zusammenhang mit der Trennung bzw. Scheidung
  7. Sitzung "Gefühle und Konflikte"
- Konflikte und Lösungsmöglichkeiten
- Rollenspiel
  8. Sitzung "Umgang mit Ärger und Wut"
- Wie sich Ärger und Wut anfühlen
- verschiedene Übungen und Spiele
Wünsche 9. Sitzung: "Ich wünsche mir ..."
- Meine Familie der Zukunft/Mein größter Wunsch
- kreative Umsetzung
  10./11. Sitzung: "Wir nehmen Abschied"
- Erfüllbare/nicht erfüllbare Wünsche
Verabschiedung von nicht erfüllbaren Wünschen
Kompetenz-erweiterung 12. Sitzung "Wie können sich Wünsche erfüllen und Probleme lösen lassen?"
- Lösungsstrategien entwickeln
- Lösungsumsetzung und Wunschverwirklichung
  13. Sitzung: "Scheidungsexpertenrunde"
- Frage- und Antwortspiel zur Auswertung der Kindergruppe
Selbstwert 14. Sitzung Ich bin eine wertvolle Person" und Hinführung zum Abschied
- gegenseitige Rückmeldung der Kinder untereinander
- gemeinsame Planung
Abschied 15. Sitzung: "Wir nehmen Abschied voneinander"
- besonderer Treff (Fest/Feier, Besuch außerhalb o. ä.)
- Spiele/Geschichten zum Thema Abschied/Neubeginn
- Verabschiedung

Ulrike Zuchtriegel

aus: Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 1/1999