Struktur des Jugendmedienschutzes in Deutschland

Vortrag von Sebastian Gutknecht von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) im Rahmen der Ju­gend­schutztagung am 27./28.10.2015 in Nürnberg

I. Gesetzlicher Jugendmedienschutz

Der gesetzliche Jugendmedienschutzes in Deutschland ist weltweit nicht nur eines der strengsten, sondern auch der detailliertesten rechtlichen Systeme zur Fernhaltung problematischer Inhalte von Kinder und Jugendlichen. Der Beitrag zeigt in ver­ein­fach­ter Form die maßgeblichen Regelungen und Zuständigkeiten auf.

Eingriffsstufen zugunsten des Jugendschutzes

Jugendschutz hat Verfassungsrang, zur Wahrung eines effektiven und sachgerechten Jugendschutzes kann in andere Grundrechte wie Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit eingegriffen werden. Die bestehende Rechtslage sieht grob gesagt drei unter­schied­liche Eingriffsstufen zugunsten des Jugendschutzes vor:

  • allgemeine Inhaltsverbote: Diese stellen den stärksten Eingriff dar und gelten auch gegenüber Erwachsenen.
  • Verbote gegenüber Minderjährigen: Die zweite Stufe verbietet bestimmte Inhalte für Kinder und Jugendliche völlig und sieht weitreichende Verbreitungsverbote vor.
  • altersdifferenzierte Verbote: Die dritte und schwächste Stufe enthält Be­schrän­kun­gen für bestimmte Altersstufen.

Abgrenzung Trägermedien – Telemedien

Gesetzlich wird zwischen Träger- und Telemedien unterschieden. Trägermedien sind gemäß § 1 Abs. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) Medien mit Texten, Bildern oder Tö­nen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. Hier­unter fallen also z.B. DVDs, CDs und Bücher. Regelungen zu Trägermedien finden sich im Jugendschutzgesetz.

Telemedien hingegen sind elektronische Kommunikations- oder Informationsdienste, die nach dem Telemediengesetz übermittelt oder zugänglich gemacht werden. Hierunter fallen z.B. Fernsehen, Radio und Internet. Erforderlich ist, dass der Anbieter eigene oder fremde Inhalte für andere Nutzer bereithält. Rechtsgrundlage für den Jugendschutz in Telemedien ist vor allem der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten Sonderregelungen.

Stufe 1 – allgemeine Inhaltsverbote

§ 131 StGB

Umfasst sind hierdurch Darstellungen (unter „Schriften“ versteht das Gesetz auch digitale Abbildungen und Computerspiele) beispielsweise von extremen Kör­per­ver­letzungen, Kampfhandlungen oder sogar Tötungsszenen, die in der Art und Weise ihrer Schilderung diese Gewalttätigkeiten verharmlosen oder verherrlichen. Die Menschenwürde wird dabei auch verletzt, wenn das Leid oder die Schmerzen des Opfers zur Belustigung oder Unterhaltung gezeigt werden. Unter Strafe steht nicht nur die Darstellung solcher Gewalttaten gegen Menschen, sondern auch gegen „men­schen­ähn­liche Wesen“. Die Ergänzung wurde im Jahre 2003 bewusst eingefügt, um auch Computerspiele z.B. mit Magiern, Außerirdischen oder Monstern zu er­fas­sen. Verboten sind unter anderem die Verbreitung, die Publikation, die Herstellung und das Zugänglichmachen solcher Spiele an Minderjährige.

Der Tatbestand des § 131 StGB gliedert sich in zwei Teilbereiche auf: Zum einen geht es um die Darstellung der Gewalt, es müssen „grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten“ zu sehen sein, die sich „gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen“ richten. Allein die Darstellung solcher Gewalttaten reicht zu einer Strafbarkeit noch nicht aus, es geht zudem um die damit verbundene inhaltliche Aussage. Er­for­der­lich ist eine Schilderung der Gewalt „in einer Art, die die Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“. Eine Beschränkung auf die Darstellung der Handlung ohne Bezug auf die inhaltliche Aussage oder den dramaturgischen Zusammenhang hätte zur Folge, dass auch z.B. ins comichafte gehende „schwere Körperverletzungen“ nach Machart von „Tom und Jerry“ oder Computerspiele mit bekannten jugendaffinen Action- oder Fantasy-Themen wie „Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“, die effektvolle, aber für Jugendliche unproblematische Kampfszenen zwischen Held und Widersachern beinhalten, in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen fallen könnten.

Vergleichbare Inhaltsverbote finden sich in § 184 ff. StGB (Verbreitung porno­gra­phi­scher Schriften), § 130 Abs. 2 StGB (Verbreitung volksverhetzender Schriften) oder in §§ 86, 86a StGB (Verbreiten von Kennzeichen und Propagandamitteln ver­fas­sungs­wid­riger Organisationen).

§ 4 Abs. 1 JMStV

In Telemedien stellt § 4 Abs. 1 JMStV klar, welche Inhalte unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit unzulässig sind und nicht gezeigt werden dürfen. Dies gilt allerdings nur für Anbieter aus Deutschland.Hierzu zählen unter anderem Angebote, die

  • Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a StGB verwenden,
  • zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
  • grausame oder sonst unmenschliche Ge­walt­tä­tig­keiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalt­tä­tig­kei­ten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,
  • Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen oder die
  • pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen.

Stufe 2 – Verbote gegenüber Minderjährigen

Indizierte Medien

Soweit Träger- oder Telemedien jugendgefährdend sind, können sie von der Bun­des­prüf­stelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert und in die Liste jugend­ge­fähr­dender Medien aufgenommen werden. Im § 18 Abs. 1 JuSchG werden die maß­geb­lichen In­di­zie­rungs­gründe aufgezählt. Im Laufe der Jahre hat sich bei der BPjM hierzu eine detaillierte Spruchpraxis entwickelt, weitere Hinweise finden Sie auf der Web­site der Bundesprüfstelle. Zu beachten ist, dass aufgrund des ver­fas­sungs­recht­lich verankerten Zensurverbotes eine Indizierung vor der Veröffentlichung eines Mediums nicht möglich ist. Soweit ein Film oder ein Computerspiel bereits ein Alters­kenn­zei­chen der FSK oder USK erhalten hat, scheidet eine Indizierung aus.

Die BPjM wird in der Regel auf Antrag tätig, antragsberechtigt sind unter anderem das Bundesfamilienministerium, die obersten Landesjugendbehörden und die kommunalen Jugendämter. Die BPjM kann gemäß § 21 Abs. 4 JuSchG „von Amts“ wegen tätig wer­den, wenn eine als die genannten Behörden oder ein anerkannte Träger der freien Jugendhilfe eine Indizierung anregt. Gemäß § 18 Abs. 6 JuSchG können Telemedien in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen wer­den, wenn die Kom­mis­sion für Ju­gend­me­dien­schutz als zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Ju­gend­medienschutz die Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien beantragt hat.

Die Liste der indizierten Trägermedien ist grundsätzlich öffentlich und wird im Bun­des­an­zeiger sowie in den amtlichen Mitteilungen der Bundesprüfstelle (in den Zeitschriften „BPjM-Aktuell“ und „Jugendmedienschutz-Report“) veröffentlicht. Nicht öffentlich sind die Liste der indizierten Tele­medien sowie der Trägermedien, die lediglich durch Tele­medien verbreitet werden oder bei denen anzunehmen ist, dass ihre Be­kannt­ma­chung der Wah­rung des Jugend­schutzes schaden würde.

Rechtsfolge der Indizierung von Trägermedien

Eine Indizierung von Trägermedien hat zur Folge, dass weitreichende Ver­triebs­be­schränkungen greifen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche nicht mit den jugendgefährdenden Inhalten konfrontiert werden.

Indizierte Trägermedien dürfen unter anderem gemäß § 15 Abs. 1 JuSchG nicht

  • einem Kind oder einer jugendlichen Person angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden,
  • an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, ausgestellt, angeschlagen, vorgeführt oder sonst zugänglich gemacht werden,
  • außerhalb von Geschäftsräumen angeboten werden, also z. B. nicht auf Trödelmärkten,
  • im Versandhandel angeboten oder überlassen werden,
  • in Videotheken angeboten werden, es sei denn, dass das Ladengeschäft für Kinder und Jugendliche nicht zu betreten ist und von außen nicht einsehbar ist.

Ein Verstoß gegen diese Verbreitungsverbote ist strafbar.

Schwer jugendgefährdende Trägermedien

Eine Besonderheit stellen die in § 15 Abs. 2 JuSchG aufgezählten schwer ju­gend­gefährdenden Trägermedien dar. Bei den genannten Inhalten greifen die Ver­brei­tungs­verbote für Trägermeiden des § 15 Abs. 1 JuSchG auch ohne ein vorheriges In­di­zie­rungs­ver­fahren, Verstöße sind strafbar. In der Praxis stellt sich allerdings häufig das Problem, dass einem Spiel oder Film bei Kontrollen im Handel der schwer ju­gend­ge­fährdende Inhalt nicht angesehen werden kann, soweit kein Eintrag in der Liste der jugendgefährdenden Medien vorliegt. Bei Filmen prüft die „Ju­ri­sten­kom­mis­sion der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V.“ auf Antrag des Anbieters vor einer Veröffentlichung, ob ein Film schwer jugendgefährdende oder strafrechtsrelevante Inhalte enthält. Soweit dies nicht der Fall ist, vergibt sie das Kennzeichen „SPIO JK geprüft“. Weitere Informationen finden Sie hierzu auf der Website von Spio unter „Juristenkommission“. Bei Computerspielen existiert eine vergleichbare Einrichtung bislang nicht.

Rechtsfolge der Indizierung von Telemedien

Verbreitungsbeschränkungen von indizierten Telemedien sind dem Landesrecht vorbehalten und finden sich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.

Jugendgefährdende Telemedien dürfen demnach grundsätzlich nur im Rahmen einer geschlossenen Benutzer­gruppe gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV zugänglich gemacht werden. Dies bedeutet, dass von Seiten des Anbieters sichergestellt sein muss, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich sind. Die Kommission für Ju­gend­me­dien­schutz hat Eckpunkte für die Anforderungen an geschlossene Benutzer­gruppen for­mu­liert, die auf den gesetzlichen Vorgaben im Jugend­medien­schutz-­Staats­vertrag beruhen. Erforderlich ist zum einen eine zu­min­dest einmalige Identifizierung (Voll­jäh­rig­keits­prüfung), die über persönlichen Kon­takt erfolgen muss. Daneben muss eine Au­then­ti­fi­zierung des Nutzers beim jedem Abruf des Angebots erfolgen, um das Risiko einer Weitergabe von Zugangsdaten an Minderjährige wirksam zu reduzieren. Nähere Informationen zur geschlossenen Benutzergruppe.

Soweit die indizierten Telemedien auch strafrechtsrelevante Inhalte enthalten (z. B. gewaltverherrlichende Inhalte gemäß § 131 StGB), sind sie absolut unzulässige Inhalte und dürfen von deutschen Anbietern überhaupt nicht verbreitet werden, auch nicht in geschlossenen Benutzergruppen.

Stufe 3 – Altersdifferenzierte Verbote

Altersgrenzen bei Trägermedien

Soweit Kinofilme sowie Filme oder Spiele auf Bildträgern wie DVDs nicht vom Straf­recht verbotene Inhalte aufweisen (Stufe 1) oder jugendgefährdend sind (Stufe 2), können sie Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden, wenn sie von einer Einrichtung der Selbstkontrolle für die entsprechende Alters­stu­fe freigegeben worden sind. Maßstab für die Freigabeentscheidung ist das Kriterium der Jugend­be­ein­träch­ti­gung.

Zuständig für die Kennzeichnung und Freigabe sind die Länder. Diese handeln dabei im gemeinsamen Verfahren mit den bestehenden Selbstkontrolleinrichtungen, nämlich der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) in Wiesbaden für Filme, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle GmbH in Berlin für Computerspiele sowie der Automaten-Selbstkontrolle (ASK) in Berlin für Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit. Die Selbstkontrolleinrichtungen führen das Freigabe- und Kennzeichnungsverfahren durch, die erteilten Kennzeichnungen sind dagegen Verwaltungsakte der obersten Landesjugendbehörden der Bundesländer. Sowohl der Antragsteller wie auch die Länder können gegen die Ausgangsentscheidungen Rechtsmittel einlegen.

Die Alterskennzeichnungen erfolgen ausschließlich gemäß dem in § 14 Abs. 2 JuSchG genannten Wortlaut in den Varianten:

  • „Freigegeben ohne Altersbeschränkung“,
  • „Freigegeben ab sechs Jahren“,
  • „Freigegeben ab zwölf Jahren“,
  • „Freigegeben ab sechzehn Jahren“,
  • „Keine Jugendfreigabe“.

Auf die Kennzeichnungen für Kinofilme muss im Kino deutlich hingewiesen werden, auf Bildträgern muss das Alterskennzeichen grundsätzlich sowohl auf der Hülle wie auch auf dem Bildträger selbst angebracht werden. Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten auf einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen. Anbieter von Telemedien, die Filme, Film- und Spielprogramme verbreiten, müssen auf eine vorhandene Kennzeichnung in ihrem Angebot deutlich hinweisen.

Rechtsfolgen der Kennzeichnung von Trägermedien

Kinofilme, Bildträger mit Filmen oder Spielen sowie Spiele an Automaten ohne Gewinnmöglichkeit dürfen Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit nur zugänglich gemacht werden, wenn sie von der FSK, der USK oder der ASK für die entsprechende Altersstufe freigegeben und gekennzeichnet worden sind oder vom Anbieter mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet sind. Ein Bildträger wird zugänglich gemacht, wenn dadurch die Kenntnisnahme seines Inhalts ermöglicht wird. Hierunter fällt grundsätzlich jede Form der Abgabe (Verkauf, Vermietung und Verleih) bzw. Aushändigung an Kinder und Jugendliche, nicht aber schon das Ausstellen der Bildträger im Laden. Verstößt ein Gewerbetreibender vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Regelung, begeht er eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld belegt werden. Bildträger, die überhaupt nicht oder mit "Keine Jugendfreigabe" gekennzeichnet sind, dürfen Minderjährigen auch im privaten Bereich nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden, ebenso besteht ein Verbot, entsprechende Filme oder Spiele außerhalb von Geschäftsräumen oder im Versandhandel anzubieten.

Die Vorlage eines Films oder eines Computerspiels zur Alterskennzeichnung vor Veröffentlichung ist nicht verpflichtend, da dies dem verfassungsrechtlich verankerten Zensurverbot widersprechen würde. Allerdings darf in so einem Fall der Film oder das Spiel ohne eine Alterskennzeichnung dann Kindern und Jugendlichen eben nicht zugänglich gemacht werden. Daher haben nahezu alle kommerziell vertriebenen Filme oder Spiele in Deutschland Alterskennzeichen.

Altersgrenzen bei Telemedien

Die Grundregel für Inhaltsbeschränkungen gemäß bestimmter Altersstufen findet sich in § 5 Abs. 1 JMStV: Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üb­li­cher­weise nicht wahrnehmen. Maßstab ist hier die sogenannte Ent­wick­lungs­be­ein­trächtigung. Dieser Pflicht kann er gemäß § 5 Abs. 3 JMStV da­durch entsprechen, dass er durch technische oder sonstige Mittel die Wahr­neh­mung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Al­ters­stu­fe unmöglich macht oder wesentlich erschwert oder die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählt, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe üb­li­cher­wei­se die Angebote nicht wahr­neh­men. Diese Einschränkungen gelten nicht für Nachrichtensendungen, Sen­dun­gen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote bei Telemedien, soweit ein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Dar­stel­lung oder Berichterstattung vorliegt.

Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder oder Jugendliche anzunehmen, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 JMStV, wenn das Angebot nur zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. Gleiches gilt, wenn eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren zu befürchten ist und wenn das Angebot nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. Bei Filmen, die von der FSK unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Diese Regelungen betreffen in erster Linie Angebote im Rundfunk, sind theoretisch aber auch auf das Internet anwendbar.
Ansonsten wird die Eignung zur Beeinträchtigung der Entwicklung im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV vermutet, wenn die entsprechenden Inhalte nach dem Jugendschutzgesetz für Kinder oder Jugendliche der jeweiligen Altersstufe nicht freigegeben sind. Liegt also für einen Film oder ein Spiel eine Alterskennzeichnung der FSK oder USK vor, so wirkt diese gemäß § 5 Abs. 2 JMStV auch im Bereich der Telemedien.

Außer im Falle der Übernahme einer vorhandenen Kennzeichnung von FSK oder USK müssen der Anbieter selbst oder eine Selbstkontrolleinrichtung wie die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. in Berlin bzw. die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia e.V. in Berlin eine Einschätzung vornehmen, ob und für welche Altersgruppe das Angebot entwicklungsbeeinträchtigend sein kann.

Diese Vorschriften greifen nicht, soweit es sich um ein ausländisches Angebot handelt. In diesem Falle können höchstens noch freiwillige Angaben wie z. B. das PEGI-Alterskennzeichen auf Computerspielen eine Hilfestellung geben. Rechtsfolgen lösen solche Kennzeichen jedoch nicht aus.

II. Schutz vor Verletzung der Persönlichkeit

Die Praxis der Nutzung der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet wie z. B. der „sozialen Netzwerke“ durch Kinder und Jugendliche zeigt, dass dort weniger die Gefahr des Auffindens problematischer Inhalte, sondern der Verletzung von Persönlichkeitsrechten der jungen Nutzer besteht. Der Schutz der Persönlichkeit der Nutzer wird zunächst über die eher allgemeinen Staftatbestände wie Beleidigung, Üble Nachrede oder Verleumdung (§§ 185 ff. StGB) sowie Nötigung (§ 240 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB) abgedeckt. Als spezielle Regelungen kommen insbesondere folgende strafrechtliche Verbote in Betracht, die teilweise bereits schon bei der Aufnahme, sonst bei der Verbreitung bestimmter Inhalte ansetzen:

Aufnahmeverbote

Viele Aufnahmen, die später ins Internet gestellt werden, müssen erst einmal produziert werden. Soweit man dies selber machen möchte, wird in vielen Fällen die eigene Handykamera benutzt. Es ist gemäß § 201a Abs. 1 StGB strafbar, eine Person heimlich oder gegen ihren Willen in einer Wohnung oder einem vergleichbar geschützten Raum aufzunehmen, wenn dadurch ihre Intimsphäre verletzt wird. Wer absichtlich und heimlich eine Mitschülerin auf der Schultoilette oder einer Umkleidekabine filmt, kann sich also strafbar machen. Nimmt man also andere Personen in einer persönlichen oder sogar intimen Weise auf, sollte man sich vorher ihrer Zustimmung vergewissern. Mit demselben Schutzgedanken ist es auch gemäß § 201 StGB verboten, z.B. mit dem Handy das nichtöffentlich gesprochene Wort einer anderen Person in unbefugter Weise – also heimlich oder gegen den Willen - aufzunehmen. Unter das „nichtöffentlich gesprochene Wort“ fallen alle Äußerungen, die nicht an die Allgemeinheit, sondern an einen abgrenzbaren Personenkreis gerichtet werden. Eine Schulklasse ist grundsätzlich ein solch abgeschlossener Zuhörerkreis, wer dort also die Ausführungen des Lehrers oder anderer Mitschüler aufnimmt, ohne dass die Betroffenen dies wissen, kann sich strafbar machen.

Verbreitungsverbote

Alle Aufnahmen, die gemäß §§ 201, 201a StGB in verbotener Weise erstellt wurden, dürfen nicht verbreitet, also ins Netz gestellt werden. Der Schutz des Rechts am eigenen Bild geht aber noch wesentlich weiter: Grundsätzlich dürfen gemäß § 22 Kunsturhebergesetz alle Personenaufnahmen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, soweit auf der Aufnahme die abgebildete Person eindeutig erkennbar ist. Generell darf also jede Person bestimmen, welche Bilder von ihr veröffentlicht werden sollen und wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Folglich kann grundsätzlich auch jeder die Veröffentlichung von Aufnahmen verbieten, auf denen er deutlich erkennbar abgebildet ist. Rechtlich erfolgt dies über die zu erteilende Einwilligung vor der Veröffentlichung. Die Möglichkeit zur Erteilung einer Einwilligung zur Veröffentlichung von Aufnahmen ist nicht an eine feste Altersgrenze gebunden, das Gesetz stellt hier auf die sogenannte Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen ab. Die ist einfach gesagt immer dann gegeben, wenn ein Minderjähriger aufgrund seiner Reife die Folgen seiner Einwilligung abschätzen kann. Auch wenn damit zumindest ältere Jugendliche selbst entscheiden können, ob Aufnahmen von ihnen veröffentlicht werden können, ist im Zweifel immer anzuraten, sich die Einwilligung zur Veröffentlichung von den Eltern geben zu lassen.

In einigen Fällen können Personenaufnahmen aber auch ohne Einwilligung veröffentlicht werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Ohne Einwilligung dürfen gemäß § 23 Kunsturhebergesetz z.B. Bilder verbreitet werden, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft erscheinen. Das Gleiche gilt für Bilder von „Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“. Eine Versammlung liegt grundsätzlich immer dann vor, wenn mindestens fünf Personen auf einem Foto erkennbar sind. Wer also ein Klassenfoto auch ohne Einwilligung aller Abgebildeten ins Netz stellt, handelt nicht strafbar. Dennoch sollte auch hier die Regel gelten, dass alle abgebildeten Personen über die geplante Veröffentlichung des Fotos informiert werden – vor allem in der Schule oder bei einem Angebot der Jugendhilfe.

Selbstgefährdung

Ein wichtiger Aspekt bei der Nutzung des Internets aus Sicht des Jugendschutzes ist die Gefahr selbstgefährdenden Verhaltens im Hinblick auf die eigenen Persönlichkeitsrechte. Schnell werden Äußerungen oder eigene Aufnahmen eingestellt, mit denen man einige Zeit später nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte. Leider vergisst das Internet nichts und viele Dinge lassen sich gar nicht mehr oder nur unter großem Aufwand beseitigen. Zwar greift hier kein strafrechtliches Verbot, da ja jeder selbst bestimmen kann, was er veröffentlicht oder wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Jedoch sollten die Nutzer des Netzes zu ihrem Schutz nicht nur die zu beachtenden Verbote, sondern auch eine verantwortungsvolle Wahrnehmung ihrer Rechte im Auge haben. Die Regelungen zum Schutz der Persönlichkeit oder beispielsweise auch zum Datenschutz laufen leer, wenn man leichtfertig oder aus Unkenntnis auf die bestehenden Möglichkeiten zum eigenen Schutz verzichtet.

III. Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz

Ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz ist durch das Zusammenspiel gesetzlicher Schutzvorgaben gegenüber Anbietern und pädagogischer Unterstützung von Kindern wie Eltern geprägt. Es gibt zwar wie gesehen eine ganze Reihe von einschlägigen Straftatbeständen, jugendschutzrechtlichen Verbreitungsverboten und zuständigen staatlichen Stellen zur Aufsicht. Es ist aber heute gleichzeitig die unveränderbare Realität, dass man im weltweiten Internet problematische Inhalte in Hülle und Fülle finden kann und nationalstaatliche Regelungen da nur eingeschränkt etwas daran ändern können. Im Hinblick auf den Schutz vor Persönlichkeitsverletzungen bestehen ebenso einige wesentliche Wirkungshindernisse. Dies fängt an bei der Unkenntnis sowohl bei jungen als auch bei erwachsenen Internetnutzern der zu beachtenden Verbote. Nicht selten besteht sogar die irrige Annahme, im Netz gelten viel weniger Verbote als in der realen Welt. Das Internet ist jedoch kein rechtsfreier Raum, vielmehr sind im Hinblick auf den Schutz der Persönlichkeit oder auf verbotene Inhalte dieselben Regelungen zu beachten wie sonst auch. Auch die Strafverfolgung stößt häufig schnell an ihre Grenzen, so sind in vielen Fällen die Täter nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelbar.

Für einen wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Mediennutzung können gesetzliche Vorgaben auch in der heutigen Zeit aber eine wichtige Orientierung geben und den erzieherischen Jugendschutz unterstützen. Die oben dargestellten Regelungen mögen in ihrer Gesamtbetrachtung als eher wenig zusammenhängendes System oder insbesondere im Internet als unzureichend erscheinen (dabei ist natürlich auch der immense Wandel der Medienwelt in den letzten Jahren zu berücksichtigen), die Grundaussagen wie z.B. ein Verbreitungsverbot von Pornografie für Minderjährige oder ein Verbot von Beleidigungen haben aber weiterhin Bestand. Insbesondere hat sich das Schutzziel auch durch neue Medienangebote nicht verändert, nämlich die Absicherung der positiven und durch äußere Einflüsse möglichst unbeeinträchtigten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Es ist daher wichtig, Kinder und Jugendliche bei der Mediennutzung nicht nur durch die dargestellten rechtlichen bzw. hoheitlichen Möglichkeiten zu schützen, sondern sie durch geeignete Ansätze des erzieherischen Jugendschutzes im Umgang mit potentiellen Gefahren bei der Mediennutzung zu stärken und ihnen das rechtlich, aber eben auch das dahinterstehende ethisch-moralisch „richtige“ Verhalten nahezubringen.

Sebastian Gutknecht
Ass.jur. Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) Landesstelle Nordrhein-Westfalen e.V. in Köln