Anerkannte Träger der Jugend­hilfe - Sonderstellung im Jugend­schutz­gesetz (JuSchG)

Für den Besuch von Gaststätten und Tanzveranstaltungen sieht der Gesetzgeber nach dem Jugend-schutzgesetz (JuSchG) zeitliche Beschränkungen für Minderjährige vor. Bei Veranstaltungen eines anerkannten Trägers der Jugendhilfe werden diese Einschränkungen zum Teil aufgehoben bzw. gelockert (§ 4 Abs. 2, § 5 Abs. 2 JuSchG). In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, wer genau unter den Begriff „anerkannter Träger der Jugendhilfe“ im JuSchG fällt und welche Voraussetzungen für die Ausnahmeregelungen nach dem JuSchG vorliegen müssen.

Die anerkannten Träger der Jugendhilfe im Sinne des JuSchG gliedern sich in zwei Bereiche:

  • Träger der öffentlichen Jugendhilfe
  •  Träger der freien Jugendhilfe.

Träger der öffentlichen Jugendhilfe

Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Bayern sind die Land­kreise und kreisfreien Städte (§ 69 Abs. 1 SGB VIII, Art. 15 AGSG). Wahrgenommen werden die Aufgaben der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch die Jugendämter (§ 69 Abs. 3 SGB VIII, Art. 16 Abs. 1 AGSG). Überörtlicher Träger der Jugendhilfe ist der Freistaat Bayern, seine Aufgaben werden u. a. durch das Bayerische Landesjugendamt und – soweit die Aufgaben die Jugendarbeit betreffen – den Bayerischen Jugendring (BJR) wahrgenommen (§ 69 Abs. 1 SGB VIII, Art. 24 AGSG).

Träger der freien Jugendhilfe

Wer anerkannter Träger der freien Jugendhilfe ist, regeln § 75 SGB VIII und Art. 33 AGSG. Man unterscheidet zwei Arten der Anerkennung, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 3 SGB VIII, Art. 33 Abs. 3 und 4 AGSG) und die Anerkennung durch Verwaltungsakt (Art. 33 Abs. 1 AGSG):

Anerkennung kraft Gesetzes

  • Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (§ 75 Abs. 3 SGB VIII); dies sind Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die auf Landesebene den Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ besitzen. Das Bundesministerium des Inneren hat auf seiner Internetseite diese Gemeinschaften (nach dem jeweiligen Bundesland) aufgelistet: www.bmi.bund.de/DE/Themen/Gesellschaft-Verfassung; Link: Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus
  • auf Bundesebene zusammengeschlossene Verbände der freien Wohlfahrtspflege (§ 75 Abs. 3 SGB VIII; dies sind laut Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, AWO, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Der Pari-tätische, s.a. www.bagfw.de) und die am 01.01.2007 auf Landesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege (Art. 33 Abs. 3 AGSG; dies sind laut Freie Wohlfahrtspflege Landesarbeitsgemeinschaft Bayern Landescaritasverband Bayern, Diakonie Bayern, Bayerisches Rotes Kreuz, AWO Landesverband Bayern e.V., Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Bayern e.V., Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern (s.a. www.freie-wohlfahrtspflege-bayern.de).
    Nach dem 01.01.2007 hinzukommende selbständige Mitgliedsorganisationen auf Landesebene, müssen von den zuständigen Behörden als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt werden (Art. 33 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 AGSG).
  • Jugendverbände und Jugendgemeinschaften, die Mitglied im Bayerischen Jugendring (BJR) sind (Art. 33 Abs. 4 AGSG), s.a. www.bjr.de/jugendarbeitbayern/mitgliedsorganisationen.html

Der Nachweis der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe erfolgt durch eine Mitgliedsbescheinigung.

Anerkennung durch Verwaltungsakt:

Zuständig für die Anerkennung von juristischen Personen und Personenvereinigungen als Träger der freien Jugendhilfe nach
§ 75 Abs. 1 SGB VIII und Art. 33 Abs. 1 AGSG sind:

  • das Jugendamt, in dessen Bezirk der Träger seinen Sitz hat, wenn sich die Tätigkeit des Trägers nicht wesentlich über den Jugendamtsbezirk hinaus erstreckt;
  • die Regierung, in deren Bezirk der Träger seinen Sitz hat, wenn sich die Tätigkeit des Trägers zwar auf mehrere Jugendamtsbezirke, aber nicht wesentlich über den Regie-rungsbezirk hinaus erstreckt;
  • das Landesjugendamt für Träger, deren Tätigkeit sich zwar auf mehrere Regierungsbezirke, aber nicht über Bayern hinaus erstreckt; dies gilt nicht für Jugendverbände und Jugendgemeinschaften sowie andere Träger, die überwiegend auf dem Gebiet der Jugendarbeit tätig sind;
  • die zuständige oberste Landesjugendbehörde (StMAS) in den übrigen Fällen.

    Sollen Jugendverbände und Jugendgemeinschaften sowie andere Träger, die überwiegend auf dem Gebiet der Jugendarbeit tätig sind, anerkannt werden, so ist der BJR vor der Entschei-dung zu hören (Art. 33 Abs. 4 Satz 3 AGSG).

    Voraussetzungen für die Anerkennung (§ 75 Abs. 1 SGB VIII) sind die Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe, die Verfolgung gemeinnütziger Ziele, die hinreichende Tauglichkeit zur Aufgabenerfüllung und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit. Die Entscheidung über die Anerkennung ergeht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf Anerkennung besteht dann, wenn der Träger mindestens drei Jahre auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig gewesen ist.

    Der Nachweis der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe erfolgt durch den entspre-chenden Anerkennungsbescheid.

Welche Ausnahmen zugunsten von anerkannten Trägern der Jugendhilfe gibt es im Jugendschutzgesetz?

§ 4 Abs. 2 JuSchG:
Die Ausnahmeregelung bei einer Veranstaltung eines anerkannten Trägers der Jugendhilfe betrifft nur die zeitliche Beschränkung nach
§ 4 Abs. 1 JuSchG. Die weiteren Regelungen nach dem JuSchG, z. B. bezüglich des Abgabeverbots von Alkohol oder Tabakwaren, gelten weiterhin.

§ 5 Abs. 2 JuSchG:
§ 5 Abs. 2 schafft eine Privilegierung anerkannter Träger als Veran­stalter von Tanzveranstaltungen und lautet: „ Abs. 1 gilt nicht, wenn Kinder oder Jugendliche an einer Veranstaltung eines anerkannten Trägers der Jugendhilfe teilnehmen …“. Durch die Formulierung „darf die Anwesenheit … gestattet werden“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass hier die Anwesenheit nicht automatisch wie in § 4 Abs. 2 JuSchG gestattet wird, sondern neben der Veranstalter­eigenschaft auch inhaltliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. D. h. der anerkannte Träger der Jugendhilfe als Veranstalter muss zusätzlich prüfen, ob die Veranstaltung auch jugendgeeignet ist (Sebastian Gutknecht in Nikles u. a., Jugendschutzrecht, 3. Aufl., 2011, § 5 Rn. 15).

Bei beiden Ausnahmeregelungen ist zu beachten, dass nur die Veranstaltungen, die von einem anerkannten Träger der Jugendhilfe als eigene Veranstaltung (z. B. als öffentliche Jugendveranstaltung) durchgeführt werden, in den Genuss der Privilegierung des JuSchG kommen (Gutknecht in Nikles u. a., Jugendschutzrecht, 3. Aufl., 2011, § 4 Rn. 15; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 4 Rn. 22).

Bettina Eickhoff

BLJA Mitteilungsblatt 2/2014