Empfehlungen zu den Hilfen zur Erziehung

Teil A - Grundlagen aller Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff. SGB VIII

Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 24.01.2001

Vorwort

Die im zweiten Kapitel, vierter Abschnitt des SGB VIII genannten Hilfen zur Erziehung zählen zu denjenigen Aufgaben, die die örtliche Jugendhilfe als soziale Dienstleistung für Eltern/Personensorgeberechtigte, Kinder / Jugendliche und junge Volljährige in unterschiedlichen Lebens- und Erziehungssituationen vorzuhalten und anzubieten hat.

In allen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten soll eine an den Bedürfnissen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger orientierte und miteinander vergleichbare Jugendhilfeleistung gewährleistet sein. Deshalb sind die Verwaltung des Bayerischen Landesjugendamts und der Bayerische Landesjugendhilfeausschuss (Art. 12 ff. Bayerisches Kinder- und Jugendhilfegesetz = BayKJHG) gehalten, Empfehlungen gemäß § 85 Abs. 2, Ziff. 1 SGB VIII für die örtlichen Träger und Mitarbeiter/-innen der Jugendhilfe sowie Orientierungshilfen für Eltern/Personensorgeberechtigte, Kinder, Jugendliche und junge Volljährige zu entwickeln und zu beschließen.

Hilfen zur Erziehung sollen als fachliche Leistungsangebote die Erziehung in der Familie soweit wie möglich und notwendig unterstützen und ergänzen. Die individuellen Angebote an gleichrangigen Leistungen sind geprägt von der Stärkung der Familie. Hilfe zur Selbsthilfe soll aktiviert werden und damit langfristig die Chancen der Kinder/Jugendlichen verbessern helfen. Mit zunehmendem Alter des Kindes/Jugendlichen und in Einzelfällen ist die Verselbstständigung und Ablösung von der Familie angezeigt und zu fördern.

In den Krisen- und Konfliktsituationen, in denen das Kind bzw. der / die Jugendliche nicht mehr ohne Gefährdung bei den Eltern verbleiben kann, soll durch Jugendhilfe die Situation in der Familie soweit verbessert oder gestärkt werden, dass das Kind bzw. der/die Jugendliche wieder zurückkehren kann. Gleichwohl werden auch weiterhin längerfristige Hilfen zur Erziehung außerhalb der Familie (z. B. in Vollzeitpflege und in Einrichtungen über Tag und Nacht) notwendig sein.

Die Hilfearten, die nach Maßgabe der §§ 27 ff. SGB VIII gewährt werden können, sind insbesondere: Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII), Soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII), Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer (§ 30 SGB VIII), Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII), Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII), Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII), Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform (§ 34 SGB VIII), Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII). Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII) können auch als eine dieser Hilfearten ausgestaltet werden. Das gleiche gilt für die Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII mit Ausnahme der Ausgestaltung nach §§ 31 und 32 SGB VIII.

Die hier aufgeführten Hilfearten können nach § 27 Abs. 3 SGB VIII bei Bedarf auch Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 SGB VIII einschließen. Obwohl mit diesen gesetzlich vorgegebenen Hilfemöglichkeiten bereits grundlegende differenzierte Leistungen beschrieben sind, lässt das Kinder- und Jugendhilfegesetz offen, weitere Hilfearten – entsprechend der jeweiligen gesellschaftlichen und individuellen Situation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – zu entwickeln.

Die bereits verabschiedeten und in den kommenden Jahren noch zu entwickelnden und zu beschließenden Empfehlungen sollen mit Hilfe einer einheitlichen Gliederungsstruktur für die Träger der Jugendhilfe, für die Fachkräfte und für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Familien gleichermaßen einen Beitrag zu einer überschaubaren, verständlichen Orientierung leisten.

Der Teil A beschreibt die für alle Hilfen zur Erziehung gemeinsam gültigen Rechtsgrundlagen zum Anspruch und zum Verfahren, die Zuständigkeiten und Kosten sowie die Regelungen zum Datenschutz.

Der Teil B beschreibt jeweils eine Hilfeart, geht auf die spezifische Rechtsgrundlage, Zielsetzung und -gruppe, den Leistungsinhalt und die Arbeitsformen sowie die spezifischen Ausstattungsmerkmale ein (siehe Hinweise bei den einzelnen Hilfearten) .

Das Landesjugendamt verbindet mit der Herausgabe der Empfehlungen die Erwartung, dass in allen bayerischen Kommunen diese Jugendhilfeleistungen bedarfsgerecht und fachlich qualifiziert gewährleistet werden.

Teil A

Grundlagen aller Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII

1. Leistungsanspruch

"Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" (§ 1 Abs. 1 SGB VIII).

Damit formuliert der Gesetzgeber komprimiert einen Programmsatz für das gesamte Kinder- und Jugendhilferecht aus der Sicht des jungen Menschen als eigenständigem Rechtsträger.

In § 1 Abs. 2 SGB VIII wird auf die vorrangige elterliche Erziehungs-verantwortung, gleichlautend mit Art. 6 Abs. 2 GG, verwiesen: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."

Durch die Jugendhilfe sollen somit betroffene Eltern in die Lage versetzt werden, ihre Elternverantwortung zu erfüllen. Jugendhilfe ist also im Dreiecksverhältnis Kind – Eltern – Staat eng mit der verfassungsrechtlich garantierten elterlichen Erziehungsverantwortung verknüpft.
Die Leistungsberechtigung auf Hilfen zur Erziehung besteht für deutsche Staatsangehörige (§ 6 Abs. 1 SGB VIII) und Ausländer/-innen, die rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben (§ 6 Abs. 2 SGB VIII). Sonderregelungen für Deutsche im Ausland finden sich in § 6 Abs. 3 SGB VIII.

Anspruch auf Hilfe zur Erziehung hat / haben der / die Personensorgeberechtigte(n) dann, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für die Entwicklung des betroffenen jungen Menschen geeignet und notwendig ist (§ 27 Abs. 1 SGB VIII).

Als Leistungen der Jugendhilfe werden diese Hilfen zur Erziehung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Trägern der freien und der öffentlichen Jugendhilfe erbracht.

Gemäß § 5 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Der Wahl und den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.

Aufgrund ihrer Subjektstellung (siehe oben) sind Kinder und Jugendliche als Träger eigener Rechte einschließlich der Grundrechte (bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht und unterstrichen durch die Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention) entsprechend ihrem individuellen Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Sie haben das Recht auf umfassendes Gehör beim Jugendamt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) und können in bestimmten Not- und Konfliktsituationen auch ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten beraten werden (§ 8 Abs. 3 SGB VIII).
In § 9 SGB VIII sind bestimmte Grundrechte bei der Ausgestaltung von Jugendhilfeleistungen und bei der Erfüllung von Jugendhilfeaufgaben konkretisiert:

  • die Beachtung der Grundrichtung der von den Personensorgeberechtigten bestimmten Erziehung;
  • die Berücksichtigung der wachsenden Fähigkeit und des wachsenden Bedürfnisses des Kindes oder des Jugendlichen zu selbstständigem, verantwortungsbewussten Handeln sowie die Beachtung seines Rechts zur Bestimmung der religiösen Erziehung;
  • die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenslagen von Mädchen und Jungen, Abbau von Benachteiligungen und Förderung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen.

Mit dem Leistungsanspruch von Bürgerinnen und Bürgern korrespondiert die Leistungsgewährungspflicht des öffentlichen Trägers. Diese Pflicht erstreckt sich insbesondere auch auf den bedarfsgerechten Einsatz qualifizierten Fachpersonals und dessen kontinuierliche Fortbildung, Supervision und Praxisberatung.

Nach § 4 Abs. 1 SGB VIII sollen die öffentliche und freie Jugendhilfe unter Beachtung deren verfassungsmäßig geschützter Autonomie partnerschaftlich zusammenarbeiten. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollen öffentliche Träger der Jugendhilfe von der Inbetriebnahme geeigneter Einrichtungen, Dienste für die Erbringung der Leistungen von Hilfen zur Erziehung absehen, wenn anerkannte Träger der freien Jugendhilfe dafür zur Verfügung stehen (§ 3 Abs. 2 SGB VIII, Art. 2 BayKJHG).

Im Rahmen dieser Zuständigkeiten hat die öffentliche Jugendhilfe die Gesamt- und Planungsverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben (§ 79 SGB VIII), wenngleich die Leistungen von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Trägern der freien Jugendhilfe erbracht werden (§ 4 Abs. 1 SGB VIII).

2. Verfahren

Vor Inanspruchnahme einer Hilfe zur Erziehung sind Kinder oder Jugendliche (altersentsprechend) und Personensorgeberechtigte zu beraten und auf mögliche Folgen hinzuweisen.

Die Inanspruchnahme einer (oder mehrerer) Hilfe(n) zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII erfolgt seitens der Anspruchsberechtigten freiwillig, es sei denn zum Schutz des jungen Menschen müssen familiengerichtliche Maßnahmen gemäß § 1666 BGB eingeleitet werden.

Art und Ausgestaltung der Hilfe richten sich immer nach den Erfordernissen des Einzelfalls. Hilfemöglichkeiten, die den Verbleib des Kindes oder Jugendlichen in der Familie sichern, sind vorrangig zu prüfen und anzubieten. Dennoch gibt es Familienkonstellationen, in denen die Trennung eines Minderjährigen von der Familie oder gar ein Eingriff in die elterliche Sorge eine notwendige und geeignete Maßnahme ist. Im Zusammenwirken der Fachkräfte, der Personensorgeberechtigten sowie des jungen Menschen muss deshalb sorgfältig geprüft und entschieden werden, was angemessen, zielorientiert und Erfolg versprechend ist.

Die Beteiligten stellen im Zusammenwirken einen Hilfeplan auf, der eine aussagekräftige Begründung enthält, warum die gewählte Hilfeart die notwendige und geeignete Form der Hilfe ist. Auch der richtige Zeitpunkt des Hilfebeginns ist für den Erfolg der Hilfe maßgebend. Es sind Angaben über die Situation, den erzieherischen Bedarf, die geeignete Hilfeart, den Leistungsumfang und die geplante Struktur der Zusammenarbeit für die an der Hilfe Beteiligten festzuhalten. Ebenso sollten die mit den Betroffenen gemeinsam erarbeiteten Ziele im Hilfeplan beschrieben werden. Durch eine vereinbarte, regelmäßige gemeinsame Überprüfung (§ 36 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB VIII) kann sich eine Veränderung in Bezug auf die qualitative und / oder strukturelle Ausgestaltung der Hilfe (u. a. Einzelfallhilfe – Gruppenarbeit, zeitliche Ausgestaltung, andere Zielorientierung) oder eine Verlängerung bzw. Verkürzung der Maßnahme ergeben. Ebenso kann sich bei der Überprüfung die gewählte Hilfeart als nicht oder nicht mehr geeignete Form herausstellen – zu prüfen sind dann andere Hilfeformen (§ 36 SGB VIII).
Kombinationen verschiedener Leistungen des SGB VIII sind möglich.
Die zuständigen Fachkräfte des Jugendamts, des Trägers der Maßnahme, die Kinder und Jugendlichen, die Personensorgeberechtigten bzw. die jungen Volljährigen unterschreiben den Hilfeplan.

Das Jugendamt erlässt einen rechtswirksamen Leistungsbescheid nach Maßgabe des Hilfeplans. Im Hinblick auf Leistungen gemäß § 28 SGB VIII wird der Hilfeplan kooperativ unter Federführung des Jugendamts erstellt

  • bei Klienten, die vom Jugendamt/Allgemeinen Sozialdienst in diese Leistung vermittelt werden sollen,
  • wenn die Hilfe nach § 28 SGB VIII nicht mehr ausreicht und weitere bzw. andere Hilfen notwendig und geeignet werden.

Stellt sich nach interdisziplinärer und mehrdimensionaler diagnostischer Klärung heraus, dass ausschließlich eine Hilfe nach § 28 SGB VIII für längere Zeit zu leisten ist, kann das Jugendamt zunächst von der Durchführung eines Hilfeplanverfahrens absehen. Über diese Fälle berichtet die leistungserbringende Stelle dem zuständigen Jugendamt in geeigneter Weise.

In den verschiedenen Schritten des Verfahrens sind Zusammenarbeit und planvolles Handeln unabdingbare Voraussetzungen, um Transparenz und Verbindlichkeit für alle Beteiligten zu gewährleisten und den Erfolg von Hilfen zur Erziehung sicherzustellen.

3. Zuständigkeiten und Kosten

Zuständigkeiten

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine bedarfsgerechte Jugendhilfe im Rahmen eines Verbunds verschiedener Leistungen nur durch ortsnahe Jugendhilfeträger genügend flexibel ausgestaltet werden kann. Es ist zu gewährleisten, dass alle Leistungen der Hilfen zur Erziehung vorgehalten werden.

Für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung sind grundsätzlich die Jugendämter als Träger der örtlichen Jugendhilfe sachlich zuständig, soweit nicht gesetzliche Regelungen etwas anderes bestimmen (§ 85 Abs. 1 SGB VIII). Dazu gehören etwa Leistungen der Hilfe zur Erziehung an Deutsche im Ausland nach § 6 Abs. 3 SGB VIII, die dem Zuständigkeitsbereich des Landesjugendamts zugeordnet werden, soweit nicht bereits im Vorfeld eine Leistung durch ein Jugendamt gewährt wurde, die lediglich fortgesetzt werden soll.

Auch einzelne Förderungs-, Beratungs- und Planungsaufgaben aus dem Katalog des Landesjugendamts können die Jugendämter für ihren örtlichen Bereich wahrnehmen (§ 85 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 SGB VIII).
Örtlich zuständig für die Gewährung von Leistungen sind die Jugendämter, in deren Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 86 Abs. 1 SGB VIII).

Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist dort anzunehmen, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die seine Absicht erkennen lassen, dort nicht nur vorübergehend zu bleiben (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I).
Die weiteren Absätze des § 86 SGB VIII regeln Fallkonstellationen, in denen der gewöhnliche Aufenthalt verschiedener Elternteile bei unterschiedlichen sorgerechtlichen Gegebenheiten die örtliche Zuständigkeitsgrundlage bildet. Fallen die Eltern als Bezugspunkt aus, so dienen der gewöhnliche oder tatsächliche Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit (§ 86 Abs. 2 Satz 4, Absätze 3 und 4 SGB VIII).
Ist das Kind oder der Jugendliche auf Dauer in eine andere Familie eingebunden, so bedarf die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern einer Korrektur (§ 86 Abs. 6 SGB VIII).

Weitere Regelungen der örtlichen Zuständigkeit sollen Leistungsberechtigte vor ungerechtfertigten Nachteilen durch verwaltungsinterne Verzögerungen in der Leistungsgewährung bewahren (§§ 86c und 86d SGB VIII).

Kosten

Die Kosten der Hilfen zur Erziehung nach §§ 28 ff. SGB VIII sind zunächst vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu tragen, sofern die Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 SGB VIII erfüllt sind.

Der Unterhalt von Kindern und Jugendlichen in den Erziehungshilfen ist gemäß § 39 SGB VIII sicherzustellen.

Die Heranziehung der Eltern bzw. der jungen Menschen selbst zu den Kosten ist in §§ 90 ff. SGB VIII im Einzelnen geregelt. Von der Heranziehung soll abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würde oder wenn sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe (§ 93 Abs. 6 SGB VIII).

§ 91 SGB VIII sieht für die Leistungen nach §§ 32 – 35a, 41 – 43 SGB VIII insbesondere die individuelle Heranziehung zu Kosten im Wege der Erhebung eines Kostenbeitrags bei den Minderjährigen und ihren Eltern bzw. den jungen Volljährigen vor.

Das Verhältnis der Kostentragung zwischen öffentlicher Jugendhilfe und den anspruchsberechtigten Personen wird in drei Stufen geregelt und berücksichtigt das Prinzip des Nachrangs der Kostentragung durch öffentliche Träger (§ 92 SGB VIII). § 92 Abs. 1 SGB VIII enthält den Grundsatz, dass Kosten für Jugendhilfeleistungen nur soweit vom Jugendamt übernommen werden, als den Anspruchsberechtigten oder dem Leistungsempfänger nicht zuzumuten ist, die entstehenden Kosten in voller Höhe selbst zu tragen ("Nettoprinzip"). Der zumutbare Eigenanteil an den Gesamtkosten wird nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes aus dem Einkommen und Vermögen errechnet. Lediglich der Differenzbetrag zu den Gesamtkosten ist vom öffentlichen Träger zu übernehmen.

Abweichend davon stellt § 92 Abs. 2 SGB VIII es in das pflichtgemäße Ermessen des Jugendhilfeträgers, in begründeten Fällen die Kosten für die Leistung zunächst in voller Höhe zu tragen. Um auch hier dem Nachrangprinzip Rechnung zu tragen, werden die Verpflichteten nachträglich im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zur Kostendeckung herangezogen ("Bruttoprinzip").

Im Regelfall übernimmt der Jugendhilfeträger die Kosten für bestimmte Leistungen der Hilfe zur Erziehung unabhängig von der persönlichen Leistungsfähigkeit der Anspruchsberechtigten zunächst in voller Höhe selbst. Entsprechend dem Bruttoprinzip erfolgt eine nachträgliche Beteiligung an den Kosten (§ 92 Abs. 3 SGB VIII).

4. Datenschutz

Vertrauen und Vertraulichkeit sind Grundvoraussetzungen für die fachliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Personensorgeberechtigten. Im Umgang mit personenbezogenen Daten ist dem Rechnung zu tragen. Das Grundrecht von Kindern, Jugendlichen und ihren Personensorgeberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung (siehe Urteil des BVerfG zur Volkszählung 1983) ist gerade dort, wo wirksame Hilfe nicht ohne Eindringen in die privaten Lebensumstände gewährleistet werden kann, zu achten.

Daher sind im Zusammenhang mit der Planung und Gewährleistung einer Hilfe und nach deren Beendigung folgende Datenschutzgrundsätze zu beachten:

  • Erforderlichkeitsgrundsatz, d. h. eine Datenerhebung erfolgt ausschließlich, soweit dies für die Hilfeleistung erforderlich ist;
  • Transparenzgebot, d. h. die Betroffenen müssen darüber aufgeklärt werden, was mit ihren Daten passiert;
  • Zweckbindungsprinzip, d. h. Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie erhoben wurden. Ausnahmen hiervon bilden die Einwilligung des Betroffenen oder eine ausdrückliche gesetzliche Regelung.

Gesetzliche Regelungen für die Jugendhilfe bieten § 35 SGB I, §§ 67 ff. SGB X und die §§ 61 ff. SGB VIII.Große Sorgfalt ist zu legen auf den "besonderen Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe" (gemäß § 65 SGB VIII), auf die berufliche und dienstliche Geheimhaltungspflicht, das Offenbarungsverbot von Privatgeheimnissen, das für Fachkräfte der Sozialarbeit und Sozialpädagogik genauso gilt wie für Ärzte, Anwälte und Psychologen (§ 203 Abs. 1 StGB; § 76 SGB X), und die "Geheimhaltungspflicht des Empfängers" (gemäß § 78 SGB X), die besonders für freie Träger der Jugendhilfe relevant ist.