Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit
Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 21.01.1997
zur "Berufsbezogenen Jugendhilfe"
Vorbemerkung
Auf Bundesebene wurden bereits die Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe für die Zusammenarbeit der Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit und Trägern der Jugendhilfe vom 3.5.1995 vorgelegt.
Auf Landesebene wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit (StMAS) der Modellversuch "Kooperative Wege zur beruflichen und sozialen Integration benachteiligter Jugendlicher" ausgeschrieben.
Die weiter schlechten Zugangschancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt machen speziell für sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte junge Menschen weitere Bemühungen aller Beteiligten und Betroffenen notwendig. Da es immer schwieriger wird, neue Ressourcen für weitere Programme zur beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung benachteiligter Jugendlicher zu erschließen und bestehende Maßnahmen abzusichern, ist es angezeigt, die vorhandenen Kapazitäten durch bessere Zusammenarbeit stärker auszuschöpfen. Dies ist ein durchgehender und bisher noch nicht ausreichend umgesetzter Auftrag des KJHG.
Die nachstehenden Empfehlungen fordern diese Zusammenarbeit ein und konkretisieren die auf Bundesebene geschlossene Vereinbarung zwischen Jugendhilfe und Arbeitsförderung.
a) Einrichten von gemeinsamen Arbeitskreisen:
(Nr. 1 der Bundesempfehlungen)
Örtliche Arbeitskreise aller an der beruflichen Integration benachteiligter junger Menschen beteiligten Institutionen sollen auf Stadt- und Landkreisebene im Sinne des § 78 SGB VIII errichtet werden.
Die kommunalen Kinder- und Jugendhilfeausschüsse werden gebeten, solche Arbeitskreise anzuregen und sich über Ergebnisse berichten zu lassen. Bei der Besetzung mit freien Trägern sollen diese nach ihrer örtlichen Bedeutung berücksichtigt werden.
Die Federführung hat das Jugendamt
Zur Unterstützung der regionalen Arbeitskreise sowie zur Abstimmung einschlägiger Regelungen auf Landesebene ist ein Landesarbeitskreis aller betroffenen Institutionen wünschenswert. Im Sinn einer Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII sollte er zur Jugendhilfeplanung auf Landesebene ggf. dem LJHA Daten und Anregungen liefern.
b) Planung:
(Nr. 2 - 4 der Bundesempfehlung)
Bei der örtlichen Jugendhilfeplanung soll verstärkt auf den Bereich der Jugendsozialarbeit eingegangen werden. Bei der Erstellung dieser Teilplanung sollen die örtlichen Arbeitskreise beteiligt werden.
Die Verwaltung des BLJA wird gebeten, die regionalen Planungen zu beobachten und zu bewerten, an dem Landesarbeitskreis teilzunehmen und besonders empfehlenswerte Modelle der Zusammenarbeit festzuhalten.
Zur Jugendhilfeplanung der öffentlichen Träger im Bereich der berufsbezogenen Jugendhilfe sollen Anstöße vom LJHA ausgehen.
c) Umsetzung:
(Nr. 4 und 5 der Bundesempfehlung)
Bei der konkreten Maßnahmeplanung sollten die Instrumente der Arbeitsämter und der Berufsschulen in den Phasen Berufsvorbereitung und Ausbildung, Teilqualifizierung und Arbeit sowie die individuellen Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. und 41 SGB VIII und Maßnahmen der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII aufeinander abgestimmt werden.
Dabei ist jede Möglichkeit zu nutzen, die Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe und der Arbeitsverwaltung inhaltlich und finanziell zu verknüpfen.
Die gemeinsame konzeptionelle und finanzielle Weiterentwicklung der Berufsbezogenen Jugendhilfe (BBJH) ist ein besonderes Anliegen.
Wünschenswert sind auch gemeinsame Modellvorhaben, die als Beispiele im Anhang an die Empfehlung jährlich vom StMAS fortgeschrieben werden.
d) Zusammenarbeit:
(Nr. 6 der Bundesempfehlung)
Soweit im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII festgestellt wird, daß neben den Hilfen zur Erziehung auch Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 SGB VIII erforderlich sind, ist die Einbeziehung des Arbeitsamtes bei der Auswahl spezieller Angebote mit dem Ziel eines abgestimmten Maßnahmeangebotes erforderlich. In gleicher Weise ist die Einbeziehung der Jugendämter bei der Erstellung von Förderplänen durch die Arbeitsämter zweckmäßig.
Die wünschenswerte Zusammenarbeit im Einzelfall müsste regelmäßige und systematische Expertengespräche (ohne Klienten) oder Teamberatung (mit Klienten) enthalten und längerfristig auch bei der Jugendsozialarbeit in hilfeplanähnlichen Verfahren entsprechend den Hilfen zur Erziehung münden.
Gemeinsame aufsuchende Jugendsozialarbeit mit niederschwelligen Beratungsangeboten, z. B. in Schulen und Freizeiteinrichtungen, gehörte ebenso dazu wie die konsequente Nachbetreuung bis zur dauerhaften Verankerung in der Arbeitswelt. Hierzu sollten zusätzliche Finanzierungsquellen, z. B. Europäischer Sozialfond auf Landes- und Bundesebene, sowie Mischfinanzierung mit Mitteln der Sozialhilfe erschlossen bzw. ausgeschöpft werden.
e) Zusammenarbeit mit Berufsschulen:
(Nr. 7 der Bundesempfehlung)
In die regelmäßige Bedarfsabstimmung zwischen Schul- und Arbeitsverwaltung sind die Jugendämter einzubeziehen. Über die erfolgte Bedarfsabstimmung sollte auf allen Ebenen in den Arbeitskreisen berichtet werden.
Für die Berufsvorbereitung und überbetriebliche Ausbildung benachteiligter Jugendlicher sind in den allgemeinen Berufsschulen besondere Dienste und Organisationsformen erforderlich, um dem sozialpädagogischen Bedarf gerecht zu werden.
f) Zusammenarbeit mit der Wirtschaft:
(Nr. 8 der Bundesempfehlung)
Mit der Einbindung der Kammern in die Arbeitskreise ist auch die Abstimmung der Angebote betrieblich-dualer und überbetrieblich-dualer Ausbildungen und deren Zweckmäßigkeit gewährleistet.
g) Information und Fortbildung:
(Nr. 9 der Bundesempfehlung)
Gegenseitige Beteiligung an Dienstbesprechungen auf allen Ebenen ist grundlegende Voraussetzung für diese Kooperation. Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen des Landesjugendamtes und der Arbeitsverwaltung für Fach- und Führungskräfte bei Arbeitsämtern, Jugendämtern und freien Trägern.
h) Öffentlichkeitsarbeit:
(Nr. 10 der Bundesempfehlung)
Die effiziente Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der beiden beteiligten Staatsministerien sowie des Bayerischen Landesjugendamtes und der Stadtverwaltungen und Landratsämter sollte das gemeinsame Arbeitsfeld Jugendsozialarbeit verstärkt einbeziehen, um insbesondere auch alle Multiplikatoren in den unterstellten Bereichen, wie auch in den anderen beteiligten Stellen, auf Notwendigkeit und Möglichkeit der Zusammenarbeit sowie auf erste Erfolge hinzuweisen.
Mit den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern und einzelnen Jugendämtern und Arbeitsämtern können regelmäßig einzelne Projekte und signifikante Einzelfälle pressemäßig aufbereitet werden.
Ein wachsender Ideenpool kann zu Pressearbeit und Fortbildung gleichermaßen genutzt werden.
Anmerkungen der obersten Landesjugendbehörde
Zu diesem Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses wird vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit als oberster Landesjugendbehörde folgende Anmerkung gemacht:
"Wie der Landesjugendhilfeausschuß sieht auch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit in der beruflichen und sozialen Eingliederung junger Menschen ein herausragendes jugend- und gesellschaftspolitisches Ziel. Um die bestehenden Angebote der Jugendhilfe mit den Maßnahmen der Arbeitsverwaltung besser abzustimmen, wird seit Herbst letzten Jahres (1997) der Modellversuch "Kooperative Wege zur beruflichen und sozialen Integration benachteiligter Jugendlicher" an sieben Modellstandorten in Bayern durchgeführt und mit staatlichen Mitteln gefördert.
Der Modellversuch verfolgt das Ziel,
- den Auf- und Ausbau der Zusammenarbeit von Jugendamt und Arbeitsamt voranzutreiben,
- einen abgestimmten Bedarfsplan für Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Integration benachteiligter Jugendlicher zu entwickeln,
- gemeinsame Maßnahmenkonzepte zur beruflichen und sozialen Integration der Zielgruppe zu entwickeln und
- schließlich das gemeinsame Maßnahmenkonzept in einem konkreten Projekt zu erproben.
Neben der Steigerung der Effektivität des öffentlichen Mitteleinsatzes ist es gerade Gegenstand des Modellversuchs, neue Formen zur Koordinierung der unterschiedlichen Leistungsträger auf örtlicher und überörtlicher Ebene zu finden.
Seine Ergebnisse sollen zur Harmonisierung der Förderstrukturen beitragen und neue kooperative Wege zur beruflichen und sozialen Integration der Zielgruppe benachteiligter junger Menschen erschließen. Dies sind Ziele, die auch der Landesjugendhilfeausschuß mit seinen vorstehend abgedruckten Vorschlägen und Anregungen verfolgt.
Zu einigen Punkten des Beschlusses des Landesjugendhilfeausschusses vertritt das Sozialministerium allerdings - ohne den Ergebnissen des Modellversuchs und seiner wissenschaftlichen Begleitung vorgreifen zu wollen - eine modifizierte Auffassung:
Örtliche Arbeitskreise
Örtliche Arbeitskreise aller an der beruflichen Integration benachteiligter junger Menschen beteiligten Institutionen können ein geeignetes und wirksames Mittel sein, die Kooperation vor Ort zu intensivieren, Absprachen über die Zusammenarbeit in genereller Hinsicht zu treffen und problematische Einzelfälle einer sinnvollen Lösung zuzuführen. Entsprechend dem Selbstverwaltungsrecht der Landkreise und kreisfreien Städte, denen die Jugendhilfe als Aufgabe im eigenen Wirkungskreis zugeordnet ist, muss die Entscheidung über die Einrichtung örtlicher Arbeitskreise zur Verbesserung der beruflichen Eingliederung junger Menschen von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der gesetzlichen Vorgaben (z. B. § 78 SGB VIII) in eigener Verantwortung getroffen werden.
Auf der örtlichen Ebene haben sich bereits vielfältige Formen der Zusammenarbeit herausgebildet, die es zu nutzen gilt. Die Schaffung eines zusätzlichen, auf Fragen der berufsbezogenen Jugendhilfe spezialisierten Gremiums kann deshalb im Einzelfall zu Doppelstrukturen führen, die nicht den Zielen der Verwaltungsreform und dem Gedanken vom "schlanken Staat" entsprechen. Je nach den örtlichen Verhältnissen kann es zweckmäßiger sein, auf vorhandenen Kooperationsstrukturen aufzubauen und diese zu optimieren, statt gleichförmig neue Strukturen vorzugeben.
Ähnliches gilt für die Federführung, die nach dem Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses beim Jugendamt liegen soll. Auch diesbezüglich erscheint es aus Sicht des Sozialministeriums sinnvoll, die Entscheidung den Verantwortlichen vor Ort zu überlassen. Nur so können spezifische örtliche Verhältnisse und gewachsene Strukturen angemessen berücksichtigt werden.
Das Sozialministerium betont jedoch nochmals den hohen Stellenwert der beruflichen Eingliederung benachteiligter junger Menschen und die Bedeutung einer effizienten und effektiven Zusammenarbeit für die Erreichung dieses Ziels. Es ist das erklärte Ziel des Sozialministeriums, die vorhandenen Ressourcen zu bündeln und durch Vernetzung und verstärkte Zusammenarbeit Synergiepotentiale nutzbar zu machen.
Gerade die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen hier eine große Verantwortung. Sie haben deshalb sorgfältig zu prüfen, ob die Anregung und Schaffung eines örtlichen Arbeitskreises im Sinne des Beschlusses des Landesjugendhilfeausschusses geeignet und notwendig ist. Auch auf die Anregungs- und Einmischungsfunktion der Jugendhilfe, die in § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, wird hingewiesen.
Landesarbeitskreis
Zur Unterstützung der regionalen Arbeitskreise sowie zur Abstimmung einschlägiger Regelungen auf Landesebene bezeichnet der Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses die Schaffung eines Landesarbeitskreises aller betroffenen Institutionen als wünschenswert. Das Sozialministerium verweist darauf, dass sich auf Landesebene bereits verschiedene Institutionen immer wieder mit Fragen der berufsbezogenen Jugendhilfe beschäftigen. Zu nennen sind hier der Landesjugendhilfeausschuß selbst, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern und vor allem die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit. Gerade letztere hat sich als Zusammenschluss der freien Träger und der regionalen Arbeitsgemeinschaften bereits in höchst anerkennenswerter Weise in der landesweiten Koordinierung und der konzeptionellen Weiterentwicklung der berufsbezogenen Jugendhilfe engagiert. Das Sozialministerium schätzt die dort erarbeiteten fachlichen Anregungen und ist an einer weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit sehr interessiert.
Vor diesem Hintergrund kann das Sozialministerium eine Notwendigkeit für die Schaffung eines weiteren Gremiums auf Landesebene nicht erkennen. Es setzt vielmehr im Sinne der Bestrebungen zur Verschlankung der Verwaltung auf die bestmögliche Nutzung der vorhandenen Institutionen."