IPSHEIM II!: Der Weg zum Landesheimrat Bayern!
Initiative PartizipationsStrukturen in der HEIMerziehung
Nach dem großen Erfolg im Sommer 2011 ging die Initiative PartizipationsStrukturen in der HEIMerziehung auf der Burg Hoheneck bei Ipsheim von 25. bis 27. Juli 2012 in die zweite Runde.
20 Jungen, 24 Mädchen und 31 Fachkräfte aus insgesamt 30 verschiedenen Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Bayern folgten der Einladung des Bayerischen Landesjugendamts in die Jugendbildungsstätte Burg Hoheneck und arbeiteten mit dem Veranstaltungsteam und mehreren Referenten drei Tage intensiv zum Thema Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Heimerziehung.
Die Altersspanne der jugendlichen Teilnehmer und Teilnehmerinnen erstreckte sich von zehn bis 21 Jahre, wobei der Schwerpunkt bei den 16- bis 18-Jährigen lag.
Bei Ipsheim II! waren Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe aus allen sieben Regierungsbezirken Bayerns vertreten. Der größte Anteil lag bei Einrichtungen aus Oberbayern und Mittelfranken.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Veranstaltung war die gemeinsame Überlegung, wie in Zukunft der Landesheimrat Bayern aufgebaut werden kann. Große Freude bereitete die Teilnahme von vier Mitgliedern des Landesheimrats Hessen – des derzeit einzigen Landesheimrats in Deutschland – und eines Landesheimratsberaters, die während der gesamten Veranstaltung mit Rat und Tat zur Seite standen.
In der ersten thematischen Einheit wurden Jugendliche und Fachkräfte über die Entwicklungen im Landesjugendhilfeausschuss informiert:
Im März 2010 beschloss der Landesjugendhilfeausschuss die Umsetzung einer nachhaltigen und begleitenden Struktur für die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe auf Landesebene. Ein beschriebenes Beschwerdemanagement sowie regelmäßige Zusammenkünfte der Heimräte und Heimrätinnen sollten Teile dieser Struktur sein.
Es wurde der Ad-hoc-Ausschuss „Partizipation in der stationären Jugendhilfe“ gegründet, der beauftragt war, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Der Ausschuss entschied früh, dass in den Planungen maßgeblich auch die Kinder, Jugendlichen und Fachkräfte, um die es geht, beteiligt werden müssen. Dies führte zu IPSHEIM I! und, knapp ein Jahr später zu einem ausführlichen Konzept und weiteren Arbeitshilfen, die im Juli 2012 vom Landesjugendhilfeausschuss beschlossen worden sind.
Der Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 10.07.2012 (Zusammenfassung)*:
Das Konzept sieht folgende Schwerpunkte vor:
Der Landesheimrat wird unterstützt von einer Geschäftsstelle (angesiedelt im Landesjugendamt) und von drei gewählten Heimratsberatern und -beraterinnen. Eine große jährliche Landestagung (IPSHEIM!) bietet den Ort für die Wahl des Landesheimrats und für den Austausch der engagierten jungen Menschen und der sie unterstützenden Fachkräfte. Abschlussbericht des Ad-hoc-Ausschusses und die Handreichungen „Die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe in Bayern“ und „Handreichung für den Aufbau und die Verankerung institutioneller Partizipationsmöglichkeiten und -formen in stationären Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe“ |
Anschließend stellten sich Kevin, Melanie, Sarah und Robin vom Landesheimrat Hessen vor, und informierten über ihre spannende Arbeit, ihre Erfolge und auch über die Schwierigkeiten, mit denen sie hier und da zu kämpfen haben. Die vier Jugendlichen wurden von Carsten Huhn, einem langjährigen Landesheimratsberater, unterstützt.
Der Landesheimrat Hessen ist ein selbstorganisiertes Gremium, das sich auf Landesebene für die Wahrnehmung der Grundrechte von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in hessischen Jugendhilfeeinrichtungen einsetzt. Er besteht aus neun gewählten und zwei berufenen Mitgliedern. Je drei der gewählten Kinder, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen kommen aus Einrichtungen der stationären Jugendhilfe aus Nord-, Süd- und Mittelhessen. Die beiden berufenen Mitglieder befinden sich in ambulanter, teilstationärer oder stationärer Jugendhilfe. Der Landesheimrat wird von zwei Fachkräften, den Landesheimratsberatern, und einer Geschäftsstelle unterstützt.
Der Landesheimrat Hessen trifft sich alle sechs bis acht Wochen und tritt auch bei öffentlichen Veranstaltungen auf, wie z. B. dem Kinder- und Jugendhilfetag. Erfolge, die die Mitglieder bereits verzeichnen können, sind eine Erhöhung des Kleidergeldes, ein Gespräch mit dem ehemaligen Bundespräsidenten sowie eine Vielzahl von Einladungen zu Workshops und Veranstaltungen. Die Mitglieder des Landesheimrats Hessen führten mehrere konstruktive und durchaus auch kritische Gespräche mit hochrangigen Sozialpolitikern.
Auch für Beiträge in Fachzeitschriften wurden sie schon angefragt. Bei allen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des Landesheimrats Hessen darf man aber nicht vergessen: Ein mindestens ebenso großer Erfolg liegt in der kompetenten Beratung von Heimrätinnen und Heimräten, die sich mit einer Vielzahl von Anliegen an den Landesheimrat Hessen wenden. Eine wichtige und auch sehr anspruchsvolle Aufgabe!
Nach mehrjähriger Erfahrung der Landesheimratsvertreter aus Hessen sind für die Tätigkeit im Landesheimrat v. a. folgende Eigenschaften bei Jugendlichen wichtig:
- Motivation / Interesse,
- Durchhaltevermögen,
- Unterstützende Bedingungen in der Einrichtung,
- Zuverlässigkeit,
- Kenntnis der Grundrechte,
- die Jugendhilfemaßnahme sollte möglichst noch mindestens ein Jahr dauern,
- Fairness / Vertrauenswürdigkeit,
- Hilfsbereitschaft.
Nach einem langen ersten Tag war ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm angesagt, damit sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besser kennen lernen konnten.
Am Vormittag des zweiten Tages widmeten sich die Jugendlichen und Fachkräfte in sechs gemischten Kleingruppen dem gegenseitigen Austausch zum Thema Partizipation in der Einrichtung: „Was haben wir schon geschafft?“, „Was hat sich seit demletzten Jahr getan?“, „Woran arbeiten wir gerade?“, „Was kriegen wir nicht hin?“ und „Aktuelle Fragen!“.
Bei der Präsentation der Ergebnisse im Plenum wurde deutlich, dass in allen Einrichtungen bereits verschiedene Möglichkeiten der Beteiligung und Beschwerde existieren. Sie reichen von Jugendvertreterinnen und -vertretern, Jugendparlamenten, Gruppensprechermodellen über Vertrauenserzieher, Ombudsmännern und -frauen, regelmäßige Kontakte zu Bereichsleitungen bis hin zu Kummerkästen, Fragebogenaktionen und Rechtekatalogen, die allen bekannt und zugänglich sind.
In vielen Einrichtungen ist es über diese Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten bereits gelungen, positive Veränderungen herbei zu führen. Vor allem im Bereich der Regelfindung, -überarbeitung oder -lockerung und bei Neuanschaffungen konnte viel bewegt werden. Grundsätzlich geben viele Jugendliche an, sich auf diesen Wegen nun mehr sagen zu trauen und für ihre Wünsche und Bedürfnisse besser einstehen zu können.
Schwieriger scheint es mit einer grundsätzlichen partizipativen Haltung zu sein, was bei den Ergebnissen zur Fragestellung „Was kriegen wir nicht hin?“ deutlich wurde: Die Jugendlichen beklagen, dass sie sich teilweise zu wenig ernst genommen fühlen und ihnen zu wenig Zutrauen, Vertrauen, Hilfestellung und Verständnis entgegen gebracht werden. Sie beanstanden eine zu geringe Orientierung der Fachkräfte an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen und vermuten bei manchen Erziehern gar Ignoranz. Ihnen kommt „das Ganze“ manchmal ein bißchen wie „Pseudo-Beteiligung“ vor. Auf der anderen Seite beklagen die Fachkräfte mangelnde Motivation, fehlendes Interesse und zu wenig Verlässlichkeit und Verantwortungsübernahme bei vielen ihrer Jugendlichen.
An dieser Stelle wurde deutlich, dass Partizipation für beide Seiten ein Lernprozess ist, in dessen Rahmen man sich auch immer wieder mit der Frage auseinandersetzen muss, wo die Möglichkeiten der Beteiligung beginnen und enden.
Sowohl Jugendliche als auch Fachkräfte stellen fest, dass es wichtig ist, im Alltag immer wieder aufeinander zuzugehen und sich auf konstruktive und manchmal auch anstrengende Diskussionen und Aushandlungsprozesse einzulassen. IPSHEIM! möchte an dieser Stelle einen Beitrag leisten und diesen schwierigen Prozess unterstützen.
Am Nachmittag wurden vier verschiedene Workshops angeboten, die sich thematisch an den Wünschen und Anliegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von IPSHEIM I! und an den Planungen für die zukünftige Entwicklung des Landesheimrats Bayern orientierten:
- Fragen an das Jugendamt (für Jugendliche und Fachkräfte)
- Was macht eigentlich die Heimaufsicht? (für Jugendliche und Fachkräfte),
- Der Landesheimrat Bayern – Der Landesheimrat Hessen (für Jugendliche und Fachkräfte),
- Die Unterstützung des Heimrats: Erfahrungen – Rollen – Perspektiven (für Fachkräfte).
Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer sollte die Möglichkeit haben, an insgesamt drei Workshops teilzunehmen.
Workshop „Fragen ans Jugendamt“
Auf Wunsch der Jugendlichen befasste sich der Workshop, geleitet von Ulrich Loesewitz vom Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen, schwerpunktmäßig mit finanziellen Aspekten.
Es wurde intensiv über die Abgaben in Höhe von 75 % bei Zuverdiensten wie bspw. Ferien- oder Nebenjobs an das örtlich zuständige Jugendamt diskutiert. Diese gesetzlich verankerte Regelung sorgt gerade bei Jugendlichen in der Verselbständigung immer wieder für Schwierigkeiten, stellt doch ein Neben- oder Ferienjob neben dem Taschengeld oft die einzige Möglichkeit dar, sich den Führerschein zu finanzieren oder Rücklagen für eine Wohnungseinrichtung oder Mietkaution zu bilden.
Die Jugendlichen wurden darüber informiert, dass im Rahmen des § 92 Abs. 5 SGB VIII seitens des Jugendamts im Einzelfall ein Beurteilungsspielraum besteht, der es ermöglicht, aus pädagogischen Gründen von der Heranziehung des Einkommens ganz oder teilweise abzusehen. In einem solchen Fall bietet sich eine entsprechende Dokumentation im Hilfeplan an.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, im Vorfeld Kontakt mit der zuständigen Sachbearbeitung im Jugendamt aufzunehmen, selbst Gesicht zu zeigen und den Kontakt zum Jugendamt nicht ausschließlich über den Betreuer in der Einrichtung zu suchen. Erfahrungsgemäß ist es außerdem sinnvoll, sein Anliegen schriftlich an den zuständigen Sachbearbeiter bzw. die Sachbearbeiterin im Jugendamt zu richten, da auf diese Weise Verbindlichkeiten geschaffen werden.
Einen weiteren Diskussionspunkt bildete das Taschengeld, dessen Regelung sich auf die „Bekanntmachung Barbetrag“ nach dem SGB VIII und XII des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen bezieht. Bei den örtlichen Jugendämtern besteht diesbezüglich Spielraum im Rahmen der ortsüblichen Kosten- und Leistungssätze.
Kritisiert wurde, dass der Sonderkostensatz in Höhe von € 770,00 jährlich für zusätzliche Ausgaben wie bspw. Ausflüge, Ferien- und Klassenfahrten seit Jahren nicht erhöht und den mittlerweile stark gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht angepasst wurde. Hier wird ein Aufgabengebiet für den zukünftigen Landesheimrat Bayern gesehen, der sich für eine entsprechende Anpassung stark machen könnte.
Schließlich bildete das Thema Hilfeplanung noch einen zentralen Baustein des Workshops. Diskutiert wurde das Recht der Jugendlichen zur Teilnahme am Hilfeplangespräch, verbunden mit dem Recht, in diesem Rahmen auch gehört zu werden und eigene Interessen und Anliegen einbringen zu dürfen. Hier wurde darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, sich von einer Unterstützungsperson im Hilfeplangespräch begleiten zu lassen.
Workshop „Was macht eigentlich die Heimaufsicht?“
Hans-Peter Hagen, Mitarbeiter der Regierung von Mittelfranken und dort zuständig für die Heimaufsicht, stellte in seinem Workshop fest, dass die Aufgaben der Heimaufsicht sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Fachkräften ein mehr oder weniger unbekanntes Gebiet darstellen und nur wenige auf eigene Erfahrungen mit ihrer Heimaufsicht zurück greifen können:
Die meisten haben ihre zuständige Heimaufsicht noch nie gesehen, nur vereinzelt gab es Erfahrungen mit Heimaufsichten, die bspw. an einer Jugendratssitzung teilgenommen haben oder in Kontakt mit dem Heimrat getreten sind. Oft scheinen Besuche der Heimaufsichten vormittags stattzufinden, sodass die zuständigen Fachkräfte die Kinder und Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt gar nicht in der Einrichtung antreffen.
Im Großen und Ganzen wird die Heimaufsicht von den Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmern mit einem Besuch zur Kontrolle der Einrichtung und den Begriffen „Eingriff“, „Ordnung“ und „Überwachung“ in Zusammenhang gebracht. Den Fachkräften kommen Gedanken wie „Hoffentlich ist alles in Ordnung!“, „Schnell die Akten in Ordnung bringen!“, „Die haben das Sagen!“, „Die bestimmen über die Einrichtung!“ oder „Die Heimaufsicht hat das letzte Wort!“.
Insgesamt wurde deutlich, dass ein großer Aufklärungsbedarf zum Thema „Heimaufsicht“ besteht, dem im Rahmen des Workshops begegnet werden konnte:
Die Zuständigkeit der Heimaufsichten richtet sich nach den sieben Regierungsbezirken Bayerns, jeder Regierungsbezirk hat somit eine eigene Heimaufsicht. Die Heimaufsicht ist zuständig für die Erteilung einer Betriebserlaubnis und prüft im Rahmen dieses Verfahrens unter anderem das pädagogische Konzept der Einrichtung, die personelle Ausstattung, die räumlichen Verhältnisse und Sicherheitsfragen. Außerdem thematisiert sie Partizipations- und Beschwerdemöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen. Das gesamte Betriebserlaubnisverfahren dient dem Schutz der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung.
Als Ergebnis des Workshops ist festzuhalten, dass die Heimaufsicht ein weiterer wichtiger Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung sein kann und der Kontakt zwischen Heimaufsicht und jungen Menschen deshalb verstärkt werden sollte. Dies kann z. B. in Form von persönlichen Kontakten in der Einrichtung geschehen oder durch einen Austausch zwischen Heimrat und Heimaufsicht in bestehenden Gremien. Grundsätzlich steht jedem einzelnen Kind oder Jugendlichen auch die Möglichkeit offen, sich bei Fragen oder Anliegen direkt mit seiner zuständigen Heimaufsicht in Verbindung zu setzen.
Workshop „Der Landesheimrat Bayern – Der Landesheimrat Hessen“
Der Workshop „Der Landesheimrat“ wurde von Stefan Rösler und Stefanie Zeh-Hauswald vom Bayerischen Landesjugendamt geleitet und gab einen Überblick über die bisherigen Planungen für den Landesheimrat Bayern. Anschließend bot sich die Möglichkeit der Diskussion und Ideensammlung, wie der Landesheimrat in Zukunft umgesetzt werden kann. Begleitet wurde der Workshop von den Mitgliedern des Landesheimrats Hessen, die als Ansprechpartner für vielerlei Fragen zur Verfügung standen und die Runde mit ihrem Erfahrungsschatz, ihren Einschätzungen und Tipps sehr bereicherten.
Die Idee des Landesheimrates stieß sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Fachkräften auf sehr positive Resonanz. Im Rahmen des Workshops wurden folgende Themen angeregt diskutiert:
Pilotgruppe
Sinnvoll erscheinen drei bis vier Treffen der Pilotgruppe im Zeitraum von Herbst 2012 bis IPSHEIM III! (Juli 2013). Im Rahmen der Treffen soll die Urwahl des Landesheimrats Bayern im Juli 2013 vorbereitet werden. Dazu braucht es eine Wahlordnung:
Fragen, wer sich zur Wahl aufstellen lassen kann, wie lange eine Amtszeit sein soll, ob eine Vertretung der einzelnen Bezirke wünschenswert oder gar zwingend erforderlich ist, wie groß der Landesheimrat sein soll und ob eine Vertretungsregelung sinnvoll erscheint müssen hier diskutiert und geklärt werden.
Weitere Aufgaben der Pilotgruppe sollten die Vernetzung der Einrichtungen untereinander sowie Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für die Interessensvertretung der Kinder und Jugendlichen sein.
Eine wertvolle Chance für die Pilotgruppe ist es, erste Erfahrungen für die Kinder und Jugendlichenvertretung auf Landesebene zu sammeln und diese im Rahmen von IPSHEIM III! bereits an andere engagierte Jugendliche weitergeben zu können.
Fachkräfte
Auf die Frage „Was brauchen Fachkräfte für die Unterstützung und Beratung des Landesheimrats?“ wurde ein Bedarf an Fortbildungen zum Thema Partizipation geäußert.
Außerdem benötigen die Fachkräfte, die sich in der Landesheimratsberatung engagieren möchten, ein gewisses Maß an der so wertvollen Ressource Zeit.
Eine grundsätzliche innere Einstellung und positive Haltung zum Thema Partizipation und das Ernstnehmen und Wertschätzen der Meinung von Kindern und Jugendlichen wurde als eine grundsätzliche Voraussetzung für eine Tätigkeit als Landesheimratsberaterin bzw. Landesheimratsberater gesehen. Wichtig ist außerdem, dass die Fachkraft auch andere (Leistungskräfte, Kinder und Jugendliche, Kooperationspartner, Eltern usw.) von der Idee überzeugen und den Gedanken der Partizipation von Kindern und Jugendlichen weiter vermitteln kann.
Themen für den Landesheimrat
Folgende Aufgaben und Themen wurden im Rahmen des Workshops diskutiert und werden den Landesheimrat in Zukunft ebenfalls begleiten:
- Der Landesheimrat wird sich eine Satzung/Geschäftsordnung erarbeiten müssen.
Dabei bietet der Landesheimrat Hessen seine Unterstützung an und stellt seine Satzung und Wahlordnung als Orientierungshilfe zur Verfügung. - Die Umsetzung des Mitsprache- und Anhörungsrechts des Landesheimrats auf Landesebene, wie z. B. im Bayerischen Landesjugendhilfeausschuss, ist nötig.
- Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für die Landesheimratsbewegung müssen entwickelt werden.
- Wie kann die Zusammenarbeit von (Landes-)Heimrat und Heimaufsicht gestaltet werden?
- Wie können wir noch besser Kinder in die zuweilen anstrengenden fachpolitischen Diskussionen in der Pilotgruppe, bei IPSHEIM! und im zu gründenden Landesheimratintegrieren?
Workshop „Die Unterstützung des Heimrates“ Erfahrungen – Rollen - Perspektiven
Dieses Angebot für Fachkräfte wurde von Achim Weiss geleitet, dem Gesamtleiter der Evang. Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen und Mitglied des Ad-hoc-Ausschusses „Partizipation in der stationären Jugendhilfe“. Der Workshop bot die Gelegenheit, sich auf kollegialer Ebene über Erfahrungen, Rollen und Perspektiven der Heimratsarbeit auszutauschen.
Es wurde deutlich, dass Beteiligung sowohl auf Seiten der Fachkräfte als auch bei den Kindern und Jugendlichen zum Teil erst erlernt werden muss, und dass es sich dabei um einen längerfristigen Prozess handelt. Bei vielen Fachkräften bestehen Unsicherheiten und Ängste. Um dem entgegen zu wirken, ist es wichtig, dass vor allem auch die Einrichtungsleitung hinter dem Gedanken der Partizipation steht und gleichzeitig auch Beteiligungsmöglichkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorhanden sind und unterstützt werden.
Transparenz seitens der Einrichtungsleitung gegenüber den Fachkräften sowie seitens der Fachkräfte gegenüber den Kindern und Jugendlichen trägt erfahrungsgemäß positiv zur Sache bei, ebenso wie eine gemischt-geschlechtliche Besetzung von Partizipationsgremien.
Schwierigkeiten bereitet den Fachkräften im Alltag immer wieder die „Null-Bock-Stimmung“ mancher Jugendlicher. Die passive Haltung der Kinder und Jugendlichen stellt regelmäßig eine Herausforderung für die Fachkräfte dar und führt mitunter auch zu Frustration. Ein sehr sensibles Thema aber auch grundsätzliches Dilemma, in dem Vertrauenserzieher immer wieder stecken, sind der Spagat und der Rollenkonflikt bezüglich Schweigepflicht und Schutzauftrag. Diese kommen dann zum Vorschein, wenn sich Kinder oder Jugendliche vertrauensvoll an ihre Bezugsbetreuerinnen und -betreuer wenden und möglicherweise von Gefährdungen berichten; Informationen, die das Personal unter Umständen an die Leitung und/oder das Jugendamt weitergeben muss.
Und ebenso anspruchsvoll ist es für die Profis, wenn Kinder und Jugendliche ihre Sexualität leben möchten. Das Thema sei so alt wie die Menschheit, aber in Einrichtungen der Jugendhilfe müsse es noch intensiver besprochen werden.
Der Workshop ging auch auf die Neufassung des § 45 SGB VIII ein, wonach Partizipationsmöglichkeiten, ein Beschwerdemanagement und Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Konzeption der Einrichtung hinterlegt sein und auch gelebt werden müssen.
Weiterhin wurden Fortbildungsangebote zum Thema Partizipation für (neu eingestiegene) Fachkräfte gefordert und, dass das Bayerische Landesjugendamt eine Mustersatzung für einen Heimrat zur Verfügung stellt.
Die Fachkräfte äußerten auch selbstkritisch die Meinung, dass die eigene Haltung durchaus noch beteiligungsfreundlicher werden könnte und, dass sie dabei auch auf die Unterstützung der Einrichtungsleitung angewiesen seien. Die Leitung spiele bei der Verwirklichung von Beteiligungsstrukturen eine zentrale Rolle.
Nach einem weiteren intensiven Tag war die Gruppe froh, dass zwei Jugendliche neben der intensiven thematischen Arbeit für alle gegrillt haben. Anschließend ließen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen.
Am Freitagvormittag ging es nach einer kurzen Präsentation der Ergebnisse aus den Workshops vom Vortag in die entscheidende letzte Runde. Zunächst freuten wir uns, unsere Gäste Ingobert Roith von der Regierung der Oberpfalz und Mitglied des Ad-hoc-Ausschusses und Stefanie Krüger, Leiterin des Landesjugendamts, begrüßen zu können. Bernhard Zapf vom Diakonischen Werk Bayern und Vorsitzender des Ad-hoc-Ausschusses unterstützte die Moderation des großen Abschlussplenums.
Neben einer großen Zufriedenheit aller Beteiligten mit IPSHEIM! Als jährliche Landestagung für Partizipation in der stationären Jugendhilfe fanden die Planungen und Vorbereitungen für einen Landesheimrat Bayern sowohl bei den Kindern und Jugendlichen als auch bei den Fachkräften großen Anklang. Bei der gemeinsamen Überlegung, wie der Landesheimrat aufgebaut werden sollte, konnten wiederum die Fachkräfte aus Hessen wertvolle Tipps geben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fragten sich, wie „wir“ in Zukunft möglichst viele Einrichtungen erreichen können. Es wäre gut, wenn alle Einrichtungen an IPSHEIM! teilnehmen würden. Allein aufgrund der zur Verfügung stehenden Kapazität auf der Burg Hoheneck ist dieser Wunsch leider nicht zu verwirklichen.
Dennoch müssen wir natürlich daran arbeiten, dass möglichst viele von IPSHEIM! und dem geplanten Landesheimrat erfahren. Dazu braucht es entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Das Internet bietet sich an. Facebook? Für eine Behörde wie das Landesjugendamt sicher schwierig. Dennoch müssen alle Möglichkeiten geprüft und Wege gefunden werden. Ein möglichst kompletter E-Mail-Verteiler aller Einrichtungen, die sich für IPSHEIM! interessieren, wäre ein guter erster Schritt. Ausführlichere Informationen auf der Homepage des Landesjugendamts müssten bald folgen. Aus dieser Informationsarbeit kann und soll auch eine bessere Vernetzung der Einrichtungen entstehen.
Zudem stellte die Gruppe fest: Die Zeit verging wieder wie im Flug. Wenn im nächsten Jahr der Landesheimrat zum ersten Mal gewählt werden soll, braucht es mehr Zeit, um sich kennen zu lernen und die Wahl vor- und nachbereiten zu können. So, wie es momentan – zum Redaktionsschluss dieses Mitteilungsblatts – aussieht, kann IPSHEIM III! 2013 tatsächlich vier Tage auf der Burg Hoheneck stattfinden.
Und ja: Die Diskussion über Partizipation mit älteren Jugendlichen und Erwachsenen kann Kinder ganz schön anstrengen – schon allein aufgrund der zahlreichen Fremdwörter … Kurz gesagt, müssen auch wir in Zukunft darauf achten, dass IPSHEIM! Und der Landesheimrat so gestaltet werden, dass Kinder mit ihren eigenen Ansätzen und Wegen ohne Hürden mitdenken, -reden, -planen und -entscheiden können – ggf. auch im Rahmen von Angeboten, die nur für die beteiligten Kinder durchgeführt werden.
Früh ist klar: Viele wollen an den Vorbereitungen zum Landesheimrat mitwirken. Die Fachkräfte fragen sich, ob sie die Zeit dafür aufbringen können. Die Kinder und Jugendlichen fragen sich das auch und vor allem, ob sie sich das zutrauen. Der Landesheimrat Hessen beruhigt: Natürlich ist das alles anspruchsvoll. Aber man wächst in die Aufgabe hinein und hat Unterstützung, von den Fachkräften, vom Landesjugendamt.
Die Gruppe ist sich einig, dass es der richtige Weg ist, gemeinsam weiter am Landesheimrat zu arbeiten. Das heißt, dass eine Pilotgruppe gegründet wird, die IPSHEIM III! und die Wahl des Landesheimrats vorbereitet. Die Bedingungen für diese Pilotgruppestehen allerdings noch nicht fest, sie können jedoch zu einem guten Teil gemeinsam entwickelt werden. Auf jeden Fall können diejenigen, die sich engagieren, auch davon profitieren. Vielleicht ist es für manche eine gute Vorbereitung für eine spätere Aufgabe bzw. Funktion im Landesheimrat.
Letztendlich ist am Ende von IPSHEIM II! eine sehr viel größere Pilotgruppe entstanden, als erwartet wurde. Das große Interesse am Landesheimrat und an einer Mitwirkung daran, hat uns riesig gefreut. Insgesamt möchten sich 22 Kinder und Jugendliche und 17 Fachkräfte engagieren. Es ist leider klar, dass sich nicht alle zeitlichen Wünsche und Zwänge unter einen Hut bringen lassen werden, wir hoffen allerdings, dass wir uns bald möglichst vollzählig wiedersehen werden.
Zwischenzeitlich steht fest, dass das erste Treffen der Pilotgruppe im November 2012 in Rummelsberg stattfinden wird. Kinder, Jugendliche und Fachkräfte werden sich dann in Arbeitsgruppen mit der Diskussion um die Wahlkriterien und mit der Erstellung einer Wahlordnung für die Urwahl des Landesheimrats im Juli 2013 befassen. Weitere Themen werden die Vernetzung der Einrichtungen untereinander und die Klärung des weiteren Fortbildungs- und Unterstützungsbedarfs sein. Die Inhalte der weiteren Treffen der Pilotgruppe werden dann die konkrete Vorbereitung der Urwahl und der dritten IPSHEIM!-Tagung in 2013 sowie die Öffentlichkeitsarbeit für die Kinder- und Jugendvertretung auf Landesebene sein.
Die hohe Motivation und engagierte Mitwirkung der Kinder, Jugendlichen und Fachkräfte ließ IPSHEIM II! zu einem großen Erfolg werden. Die Veranstaltung war durch eine tolle Stimmung, einen wertschätzenden und sensiblen Umgang miteinander und eine Begegnung auf Augenhöhe geprägt.
Wie bei IPSHEIM I! wurde deutlich, dass Partizipation in Einrichtungen der Jugendhilfe viel Arbeit ist, manchmal viel Spaß macht, manchmal anstrengt und frustriert, manchmal sehr erfolgreich ist und manchmal leider auch nicht. Aber alle sind sich einig: Sie ist wichtig, und dafür tun wir etwas! Soviel in den letzten Jahren erreicht worden ist, es bleibt immer noch viel zu tun. Und manche Dinge müssen scheinbar immer wieder in Angriff genommen werden. Partizipation ist kein Selbstläufer, sondern muss – in Teilen – immer wieder von vorne begonnen, besprochen, ausgehandelt und umgesetzt werden.
Der Weg vor Ort in den Einrichtungen und auch auf Landesebene scheint der richtige zu sein. Insofern freuen wir uns auf die weiteren Schritte: Die Treffen der Pilotgruppe und im Sommer 2013 auf IPSHEIM III!
Stefanie Zeh-Hauswald, Stefan Rösler
Bei Fragen zu IPSHEIM! und zum Landesheimrat Bayern stehen Ihnen zur Verfügung:
Stefanie Zeh-Hauswald, Tel.: 089 1261-2862, E-Mail: stefanie.zeh-hauswald@zbfs.bayern.de,
Stefan Rösler, Tel.: 089 1261-2697, E-Mail: stefan.roesler@zbfs.bayern.de
aus: ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 5/2012